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Ego Death: Wie Psychonauten im Internet um die extremste Triperfahrung wetteifern

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“Das erste Mal, dass ich eine Ich-Auflösung erfahren habe”, sagt der 26-jährige Bradley aus Idaho, USA, “habe ich viereinhalb Gramm Zauberpilze genommen. Zuerst habe ich versucht, mich darauf zu konzentrieren, mich wieder ein bisschen zurückzuholen, aber das konnte natürlich nicht funktionieren. Die Pilzchen wussten besser, was ich brauche. Also habe ich mir einfach immer wieder gesagt, dass ich definitiv nicht sterben werde – auch wenn es sich vielleicht so anfühlt.”

Die Ich-Auflösung, der Ego-Tod oder Ego Death, wie das Phänomen auf Englisch genannt wird, ist ein extremer Zustand, der von hohen Dosen psychedelischer Drogen ausgelöst werden kann – und immer mehr Psychonauten scheinen es in letzter Zeit darauf abgesehen zu haben.

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Die Erfahrung wird als anfänglich furchterregend beschrieben: Man habe das Gefühl zu sterben. Manche schreien dabei. Schließlich verschwinde jegliches Gefühl für das Selbst und es bleibe nichts als die Erkenntnis, dass alles im Universum miteinander verbunden ist.


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Eine Ich-Auflösung im erweiterten Sinne benötigt nicht zwangsläufig Drogen wie LSD, Pilze oder DMT. Im Grunde beschreibt sie die Überwindung des körperlichen und geistigen Selbst. Buddhisten nennen einen vergleichbaren Zustand Erleuchtung und glauben, dass dieser durch Meditation erreicht werden kann; Sufi-Muslime nennen das Verschwinden des Selbst Fana.

Drogen können eine Abkürzung zum Erreichen eines solchen Zustands darstellen. Zum ersten Mal schrieb LSD-Papst Timothy Leary 1964 darüber. Er definierte die Ich-Auflösung als “vollständige Transzendenz – jenseits von Worten, Raumzeit und des Selbst. Es gibt keine Visionen, kein Ich-Gefühl, keine Gedanken. Es existiert nur noch das reine Bewusstsein und ekstatische Freiheit.”

Gut 50 Jahre später findet in gewissen Teilen des Internets offenbar ein psychedelisches Wettrüsten statt. Hunderte Menschen in den Drogen-Communitys auf Reddit und YouTube prahlen mit ihren neuesten Transzendenzerfahrungen. Auf Message-Boards wie Reddits r/Psychonaut mit seinen 175.000 Abonnenten häufen sich die Posts zu Ego-Death-Erfahrungen. Nicht selten schwingt dabei ein Überlegenheitsgefühl mit. “Ich-Auflösung ist das ultimative Ziel im Leben”, schreibt da jemand. “Ich denke, man kann fairerweise sagen, dass dich eine Ich-Auflösung zu einem überlegenen Psychonauten macht”, schreibt eine andere Person.

“Haben andere auch den Eindruck, dass in diesem Forum massives Ego-Death-Gewichse abgeht?”, fragte Bradley, selbst ein erfahrener Konsument, deswegen vor einigen Monaten auf dem Messageboard. “Sich ständig darum zu sorgen, diesen Heiligen Gral aller Erfahrungen zu erreichen, ist einfach der falsche Weg. Man braucht vor diesen Dingen vor allem Respekt.”

Auch wenn es offensichtlich schwer ist, Ich-Auflösungs-Erfahrungen in Worte zu fassen, haben sich mehrere Drogen-YouTuber wie PsychedSubstance daran versucht. Es sei, wie “einen Schritt davon zurückzutreten, das Leben als Programm zu erfahren, und das Leben als das Betriebssystem zu erfahren”.

Der 20-jährige Michael aus Florida sagt, dass er bereits über 50 Trips hinter sich habe. Seiner Erfahrung nach würde die Ich-Auflösung graduell eintreten: “Du merkst gar nicht, dass es passiert. Deine Gedanken verlangsamen sich, du wirst verwirrt, dann setzt die Panik ein. Dein Körper beginnt zu vibrieren – als wärst du kurz davor zu explodieren. Es fühlt sich an wie: ‘Das ist es. Das ist der Augenblick, auf den ich mich hin bewegt habe.’”

An diesem Punkt, sagt er, könne man den Zustand entweder akzeptieren oder kämpfen und schreien.

“Vielleicht bleibst du eine Sekunde lang in der Zeit hängen, kannst dich dabei aber umschauen”, sagt er. “Es ist, als wären da zwei von mir – mein Geist schaut sich um, während mein Körper festhängt und meinen Kumpel anstarrt. Ich konnte den Wind um mich herum heulen spüren. Ich merkte, wie die Zeit sich bis zum Stillstand verlangsamte. Dann wurde ich von einem weißen Licht verschlungen, das von überallher kam. In diesem Moment habe ich es erlebt.”

Der 23-jährige Tony aus Kentucky hat vor zwei Monaten zum ersten Mal eine Ich-Auflösung durch das Rauchen von DMT erlebt. Er erzählt mir, dass jede Fläche in seinem Wohnzimmer vor Details explodierte, wie er es noch nie erlebt hatte. Optisch passierte so viel, dass er seine Augen nicht schließen konnte. “Es war das intensivste Gefühl von Verbindung überhaupt”, sagt er. “Alle Gefühle des Ich und Selbst lösten sich auf, bis nichts mehr übrig blieb bis auf eine von Liebe geprägte Einheit mit allem.”

Illustration einen LSD-Trips auf einer Zunge
Bild: Ina Mialiuk | Alamy Stock Vector

Jüngere wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Ich-Auflösungs-Erfahrungen mit der Wirkung psychedelischer Drogen auf das sogenannte Default Mode Network unseres Gehirns zusammenhängen. Diese Hirnareale werden im Ruhezustand aktiv, also wenn wir keine Aufgaben lösen müssen, und scheinen maßgeblich unsere Selbstwahrnehmung zu formen. Forschende stellten fest, dass psychedelische Drogen dieses Netzwerk zum Verstummen bringen. Dadurch können negative Gedankenmuster durchbrochen und neue Perspektiven eröffnet werden.

Nicht ganz so wissenschaftlich fundiert hat Timothy Leary psychedelische Erfahrungen in fünf Stufen unterteilt. Die ersten beiden sind verhältnismäßig sanft und beinhalten Verlust des Kurzzeitgedächtnisses und visuelle Verstärkung. Stufe drei ist intensiver und umfasst Halluzinationen – ein mittelstarker LSD-Trip fällt zum Beispiel in diese Kategorie. In den Stufen vier und fünf kann es zur Ich-Auflösung kommen. Die dabei eingenommene Dosis beträgt etwa das Dreifache eines “regulären” LSD-Trips.

Psychedelische Drogen haben eine lange therapeutische Geschichte und haben in den vergangenen Jahren ein Forschungs-Revival erlebt. Aktuell laufen am Imperial College London, der US-amerikanischen Johns Hopkins University und der New York University entsprechende Studien. In der Vergangenheit wurde bereits gezeigt, dass sie in Kombination mit entsprechender professioneller Unterstützung helfen können, Depressionen zu lindern sowie Suchtprobleme und Angststörungen bei Todkranken. Nichtsdestotrotz bleiben diese Substanzen gefährlich, insbesondere wenn man sie in großen Mengen und unbeaufsichtigt zu sich nimmt. Bei Menschen mit bereits existierenden psychischen Erkrankungen ist die Gefahr um ein Vielfaches höher.

Angststörungen und eine substanzinduzierte Posttraumatische Belastungsstörungen gehören zu den normalen Nebenwirkungen. Am häufigsten tritt nach einer Ich-Auflösung allerdings das Gefühl manischer Selbstentfremdung ein, in manchen Fällen geht es nie wieder weg.

Der 22-Jährige Sean aus Oregon erzählt mir, dass er nach seiner Ich-Auflösung eine Art “Frequenzveränderung” in ihm wahrgenommen habe. “Ich dachte ernsthaft, dass ich eine Psychose entwickele”, sagt er. “Ich konnte nicht glauben, was ich sah, was diese Welt war. Nichts ergab noch Sinn, nichts hatte einen Sinn. Ich wurde sehr unsozial und es braucht nicht viel, um mich in Panik zu versetzen.”

Tony entwickelte noch stärkere Symptome. Er sagt, dass die bloße Existenz im eigenen Körper so belastend wurde, dass er sich eines Nachts übergeben musste. “Ich musste mich unglaublich lange im Spiegel betrachten, damit ich wieder wusste, wie mein Gesicht aussieht”, sagt er. “Ich musste mir immer wieder und wieder meinen Namen sagen, bis ich ein Identitätsgefühl erlangte. Ich hatte gesehen, wie vergänglich diese Welt ist, und hatte Mühe, einen Grund zum Leben zu finden.”

So ein spirituelles Erwachen kann hässlich sein, sagt auch Michael: “Die Wahrheit kann dazu führen, dass du dich grauenvoll fühlst. Du verlierst das Interesse an Dingen, Menschen rücken in die Ferne, du stellst dein bisheriges Leben in Frage. Meine Ich-Auflösung ist schon Jahre her, aber ich denke immer noch täglich darüber nach. Ich war für diese Erfahrung noch nicht bereit. Danach blieb ich in einem Zustand manischen Wahns zurück. Ich dachte immer wieder, dass der Trip noch nicht vorbei ist.”

Manche haben das Glück, in ein normales Leben zurückzufinden, andere begleitet die Einsicht in eine Utopie, die sie nicht leben können, in allen Aspekten ihres Lebens. Es erfüllt sie mit einem Nihilismus, der sie sich immer wieder fragen lässt, ob es nicht viel besser gewesen wäre, einfach mit “der Lüge” zu leben – wie alle anderen.

Wie viele Drogenkonsumierende tatsächlich in so einem Ausmaß die Grenzen ihrer Trips und Denk-Apparate ausloten, lässt sich kaum sagen. Vieles davon könnte Online-Prahlerei sein. Dennoch sind in jüngerer Zeit so viele Ego-Death-Posts in Foren wie Reddits r/Psychonaut erschienen, dass man den Eindruck bekommt, viele Psychonautinnen und Psychonauten könnten sich auf potenziell düstere Abgründe zubewegen. Eine gewisse Schuld dürfte daran auch die Jagd nach Online-Fame haben.

Beim Lesen der zahlreichen Erfahrungsberichte kann man definitiv den Eindruck bekommen, dass eine Ich-Auflösung die Antwort auf viele Probleme unseres Lebens sei und außerordentliche Klarheit in einer komplexen Welt verspreche. Angesichts der dermaßen auf Bestätigung abzielenden Posts scheint aber auch durch, dass sich unser Ego offensichtlich nicht besonders lange töten lässt. Vielleicht sollten wir uns lieber mit ihm anfreunden und lernen, es zu kontrollieren, anstatt zu versuchen, es zu zerstören. Gesünder wäre es allemal.

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