Ich arbeite jetzt seit mehr als einem Jahr als Stripperin. Und als ich gehört habe, dass Spieler der Chiefs (eine berühmte Rugby-Mannschaft aus Neuseeland, Anm. d. Red.) mit Kieselsteinen auf eine Kollegin geworfen haben sollen, war ich nicht wirklich überrascht. Auch nicht davon, dass sie nicht davor zurückgeschreckt haben sollen, sich selbst auszuziehen und meine Kolleginnen anzugrabschen und abzulecken. Rugby-Profis gehören zu den schlimmsten Kunden, die ich jemals hatte.
Das erste Mal, dass ich Rugby-Profis kennengelernt habe, haben sie darüber Witze gemacht, dass sie mir gern Liquid Ecstasy in mein Glas tun würden. Da einer Freundin von mir genau das nur wenige Tage zuvor bei einem Konzert passiert war, bin ich bei dem Thema relativ dünnhäutig gewesen. Ich meinte zu ihnen, dass das nicht lustig sei. Sie haben sich weiter kaputt gelacht und mir im Detail geschildert, was sie meinem zugedröhnten Ich alles in die Körperöffnungen schieben würden.
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Ein anderes Mal erklärte ich einem Spieler, dass er so wie jeder andere Kunde auch zahlen müsse, wenn er mir Gesellschaft leisten will. Daraufhin hat er mich bei den Handgelenken gepackt und gegen eine Wand gedrückt. Zur gleichen Zeit kam ein total besoffener und aufgedrehter Fan von dem Typen von hinten an, klopfte ihm auf die Schulter und brüllte mich an: “Weißt du nicht, wer das ist?”
Seitdem bin ich Rugby-Teams aus dem Weg gegangen. Und ich bin nicht die einzige. Ich habe andere Frauen, mit denen ich in Wellington zusammenarbeite, gebeten, mir ihre Erfahrungen mit Spielern und Fans aus der Rugby-Szene zu schildern. Sie baten darum, dass ich ihren Namen nicht nenne. Das waren ihre Antworten: Eine Stripperin hat mir erzählt, dass ein Spieler ihr befahl, auf die Knie zu gehen und “für ein Trinkgeld von zwei Dollar seinen Schwanz zu lutschen, wie das Nutten wie ich eben so machen.” Eine andere traute sich eine Woche nicht zur Arbeit, nachdem ihr ein Spieler gesagt hatte: “Wenn ich dich mal außerhalb der Bar antreffe, werde ich dich vergewaltigen, weil du nicht mehr wert bist.”
Diese Typen, die auf dem Spielfeld Regeln minutiös einhalten können, glauben, über dem Gesetz zu stehen, sobald sie einen Stripclub betreten.
“An Spieltagen werde ich nie wieder arbeiten.”
Meiner Erfahrung nach sind die Fans genauso widerwärtig wie die Spieler. Ich kenne extrem viele Kolleginnen, die sich weigern, an Wochenenden zu arbeiten, an denen Rugby-Spiele angesetzt sind. Auch wenn das in aller Regel bedeutet, auf üppige Trinkgelder zu verzichten. “Im Anschluss an das Spiel All Blacks gegen Wales habe ich Sachen erlebt, die mich zu der Überzeugung gebracht haben, nie wieder an Spieltagen arbeiten zu wollen”, hat mir eine meiner Kolleginnen erzählt.
Ich kann an einer Hand abzählen, wie oft ich als Stripperin vergewaltigt, belästigt oder angegriffen worden bin. Aber jeder einzelne Vorfall fand immer am Abend eines Rugby-Spiels in Wellington statt. Dieses Verhalten ist nicht normal. Meine Kunden, ob Männer oder Frauen, treten in der Regel respektvoll auf. Und wenn einer mal über die Stränge schlägt, dann reicht in der Regel ein trockener Spruch aus, um ihn wieder zur Vernunft zu rufen, egal wie viel Alkohol im Spiel ist. Ich hatte schon Kunden, die so betrunken waren, dass sie nicht mehr laufen konnten, die aber ihren übergriffig werdenden Kumpels trotzdem noch gesagt haben, die Finger von mir zu lassen.
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Ich weigere mich zu glauben, dass der Alkohol oder meine nackte Brust dafür Schuld sein können, dass Männer zu Tieren werden. Ich richte mich mit diesen Worten nicht zuletzt an all jene Leute, die für das Fehlverhalten von Chiefs-Spielern immer wieder Ausreden finden. Die neuesten Entwicklungen lassen mich zu der Überzeugung kommen, dass Neuseeländer Sport mehr lieben als die Frauen in ihrem Land. Vor Kurzem wurde der Ex-Kapitän der All Blacks, Richie McCaw, als “Neuseeländer des Jahres” ausgezeichnet und hat sich damit gegen Louise Nicholas – eine Frau, die unzähligen Vergewaltigungsopfern geholfen hat und an einer erheblichen Verbesserung des neuseeländischen Rechtssystems mitgewirkt hat – durchgesetzt.
In diesem Land liebt man dermaßen den Sport, dass viele selbst bei widerlichen Vorwürfen geneigt sind, die Schuld der Frau zuzuschieben: Sie macht das nur der Aufmerksamkeit wegen – selbst dann, wenn sie anonym bleiben will. Sie macht das nur des Geldes wegen – selbst dann, wenn sie gar keins haben will. Was viele vergessen: Strippen ist ein legaler Beruf, den viele Frauen in Sicherheit ausüben können und für den viele Männer bereitwillig bezahlen.
Was uns Stripteasetänzerinnen betrifft, so ist unser Ruf eh schon schlecht. Ich weiß, was die Leute über uns sagen. Dass wir alle käuflich seien, dass wir nur Aufmerksamkeit suchen würden, dass wir arme Irre mit einem ungelösten Vaterkonflikt seien. Und der Klassiker: Dass wir eh nur lügen würden.
Dabei kenne ich Stripperinnen, die einen Masterabschluss haben und aktuell sogar an ihrer Doktorarbeit sitzen. Ich kenne Stripperinnen, die mit schwerbehinderten Kindern arbeiten, und andere, die Psychologie oder Medizin studieren. Die meisten Frauen, mit denen ich verkehre, sind Studentinnen. Ich persönlich schreibe die Wahlkampfreden für eine Lokalpolitikerin aus Wellington, organisiere Spendenaktionen für Women’s Refuge und arbeite ehrenamtlich für eine Organisation, die Vergewaltigungsopfern hilft. Ich fordere, dass Stripperinnen, nur weil sie von Berufs wegen ihre Kleidung ausziehen, nicht weniger respektvoll behandelt werden als Kerle, die im Matsch um einen Ball kämpfen.
Ich kennen viele Kolleginnen, die von Typen misshandelt wurden, weil diese der Auffassung waren, dass sie aufgrund ihres Berufes Extrarechte hätten.
Um dieses Problem zu lösen, könnte man vielleicht damit aufhören zu argumentieren, dass Männer nun mal Tiere sind, die sich nicht kontrollieren können und die der bloße Anblick von ein bisschen nackter Haut einfach um den Verstand bringt. Man könnte aufhören, solchen Schwachsinn zu sagen wie “Männer werden sich nun mal nie ändern”. Oder mit dem Finger auf Frauen zu zeigen, die nur ihre (legale) Arbeit machen – ohne sich dabei fürchten zu müssen, bedrängt oder angegriffen zu werden. Man könnte sich mal darauf einigen, dass es kein Kavaliersdelikt ist, wenn man eine Frau anfasst, obwohl sie ausdrücklich gesagt hat, dass sie das nicht möchte.
Ich weiß ganz genau, dass Männer – selbst wenn sie besoffen sind und eine nackte Frau vor sich haben – sich durchaus zurückhalten können und nicht wie von Sinnen drauf loslecken müssen. Ich hätte einfach nur gerne, dass unsere Gesellschaft diese Überzeugung teilt – und eben jene kritisiert, die sich an die einfachsten Regeln nicht halten können. Selbst dann, wenn sie mit einem ovalen Ball in der Hand zu ganz Großem fähig sind.
Dieser Artikel erschien ursprünglich bei VICE Australia