Am Samstag findet in Kärnten das “größte Neonazitreffen in Europa” statt

Jedes Jahr Mitte Mai verwandelt sich das Loibacher Feld bei Bleiburg in Kärnten zum Schauplatz eines riesigen, teilweise rechtsextremen Gedenkspektakels: In Reisebussen werden Kroaten aus ganz Europa nach Kärnten gebracht. Unter ihnen Politiker, Minister, kirchliche Würdenträger und Fernsehstars. Aber eben auch Rechtsextreme, Faschisten, ehemalige Ustaša-Kämpfer und SS-Soldaten, sowie Neonazis aus Deutschland und Österreich, tragen das Gedenken an die “Opfer von Bleiburg” maßgeblich mit.

Hintergrund ist das sogenannte “Massaker von Bleiburg”, das von kommunistischen Partisanen der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee im Mai 1945 am Loibacher Feld an bereits entwaffneten Angehörigen der kroatischen Truppen des faschistischen NDH-Staates und der antikommunistischen slowenischen Heimwehr begangen worden sein soll. Auch Zivilisten und Soldaten der deutschen Wehrmacht sollen von den Partisanen getötet worden sein.

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Obwohl sowohl von britischer, kroatischer, slowenischer und österreichischer Seite schon seit 1945 zum den Ereignissen in Bleiburg geforscht wird, gibt es bis heute keine offiziellen Opferzahlen. In Österreich wird der Diskurs über Bleiburg vor allem durch ein Buch von Florian Rulitz beherrscht, dessen Quellen und wissenschaftlicher Gehalt unter Historikern allerdings umstritten sind. Kritisch betrachtet wird die Publikation von Rulitz außerdem auch aufgrund dessen frühere Mitgliedschaft beim Ring freiheitlicher Jugend.

Bis zu 30.000 Menschen nehmen an der Gedenkveranstaltung teil. Foto: döw.at

Das Gedenken in Bleiburg hat sich im Laufe der Jahre zu einer Art kroatischen Nationalfeiertag in Kärnten entwickelt, an dem revisionistische Erinnerungspolitik unter Duldung der österreichischen Behörden betrieben wird und das offizielle Kroatien keine Scheu davor zeigt, sich mit dem faschistischen Regime des NDH-Staates zu identifizieren.

Mit dem öffentlichen Gedenken an die Soldaten der Ustaša-Armee wird auch dem NDH-Staat gehuldigt, der als Vasallenstaat Nazideutschlands ebenfalls die Rassengesetze der Deutschen übernommen hatte, Antisemitismus als ideologischen Bezugspunkt tief verankert hatte und mit dem KZ Jasenovac das einzige europäische Vernichtungslager betrieben hat, in dem ohne deutsche Beteiligung mindestens 86.000 Juden, Roma, Serben und Antifaschisten systematisch ermordet wurden.

Mit was für einem indifferenten Geschichtsverständnis der kroatische Staat noch heute den Opfern des KZ Jasenovac gedenkt, zeigt sich bei der jährlichen Gedenkfeier im ehemaligen KZ, die neben der in Bleiburg stattfindenden Feierlichkeiten für Kroatien zum zentralen Erinnern an den Faschismus gehört. Diese wird seit Jahren von kroatischen Juden, Serben und Antifaschisten boykottiert, da auch pro-faschistische Verbände an den offiziellen Feierlichkeiten teilnehmen.

Ein Teilnehmer der Gedenkveranstaltung in Ustaša-Uniform. Foto: döw.at

In Bleiburg hingegen wird ohnehin nicht den Opfern des Nationalsozialismus und seiner Verbündeten gedacht, sondern den Tätern selbst. Während das Treffen in den österreichischen Medien eher untergeht, wird es in Kroatien seit Jahren im Fernsehen übertragen und dominiert im
Mai über Wochen hinweg die mediale Berichterstattung.

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW)

spricht vom “größten Neonazitreffen in Europa”, verweist aber auch darauf, dass es sich bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht nur um Neonazis und Rechtsextreme handelt. Auch von anderen wird die Veranstaltung als rechtsextrem und revisionistisch kritisiert.

Veranstaltet wird die Gedenkfeier allerdings nicht nur auf österreichischem Boden, sondern auch vom in Österreich zugelassenen Verein “Bleiburger Ehrenzug”. Zwar hat die kroatische Regierung seit 2012 die Unterstützung und Mitfinanzierung des Treffens offiziell beendet, ein Blick auf die Funktionärsliste des “Bleiburger Ehrenzugs” zeigt aber, dass die Feierlichkeiten zumindest noch letztes Jahr von Teilen der kroatischen Regierung mit organisiert worden sein dürften.

Als stellvertretender Obmann des Vereins fungiert nämlich Zlatko Hasanbegović, bis Oktober 2016 Kulturminister Kroatiens. Der als rechtsextrem geltende Politiker musste vergangenes Jahr nach mehreren Skandalen zurücktreten: Er würdigte den SS-Sturmbannführer Husein Đozo, sprach von der Niederlage des Ustaša-Regimes als “größte Tragödie unserer Nation” und schob in einer Rede anlässlich des Bleiburg-Treffens 2016 die Verantwortung für die im KZ Jasenovac begangenen Verbrechen indirekt der jüdischen Gemeinde von Zagreb zu.

Tätowierung eines Teilnehmers der Gedenkveranstaltung in Bleiburg 2015. Foto: stopptdierechten.at

Dass die Gedenkfeier in Bleiburg trotz ihres rechtsextremistischen Charakters, offen zur Schau gestellten NS-Symbolen und dem Aufmarsch von bewaffneten kroatischen Soldaten auf österreichischem Boden überhaupt stattfinden kann, liegt daran, dass sie von den Veranstaltern lediglich als kirchliche Feier mit anschließender Prozession angemeldet wird und von der zuständigen Behörde, der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt, als solche geduldet wird.

Für die kroatischen Besucher bringt das Ustaša-Gedenken in Österreich auch rechtliche Vorteil mit sich: Während in Kroatien das Singen von Ustaša-Liedern, das Tragen diverse Symbole die in Verbindung zu der faschistischen Organisation stehen und der Ustaša-Gruß “Za dom Spremni” (“Für die Heimat”) verboten sind, werden diese in Bleiburg fleißig gesungen, gezeigt und gerufen.

Eine besondere Rolle spielt bei dem Treffen auch das im kroatischen Wappen enthaltene rot-weiße Schachbrett. Während das Schachbrett im heutigen Wappen mit einem roten Rechteck in der oberen linken Ecke beginnt, war es im NDH-Wappen ein weißes. Dieses mit weiß beginnende Wappen wurde unter anderem auf SS-Uniformen verwendet und müsste demnach auch in Österreich nach dem Abzeichengesetz verboten sein. Dennoch ist es sogar auf dem vom Verein “Bleiburger Ehrenzug” gestalteten Gedenkstein am Loibacher Feld zu finden.

Rechter Merch mit teilweiser NS-Symbolik, der beim Treffen in Bleiburg verkauft wird. Foto: döw.at

Im August 2016 brachte das DÖW, der KZ-Verband Kärnten und der Verein Memorial Kärnten/Koroška jeweils eine Sachverhaltsdarstellung bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt ein, die wiederum den Verfassungsschutz zur Klärung der Causa einschaltete.

Der Verfassungsschutz konnte jedoch kein Vergehen gegen das Abzeichengesetz feststellen und begründete diese Entscheidung damit, dass das fragliche NDH-Wappen bereits vor der NS-Zeit verwendet wurde. Was den Verfassungsschützern in der Argumentation entgangen sein dürfte, ist, dass auch das Hakenkreuz nicht von den Nazis erfunden wurde und dieser Argumentation zu Folge offen gezeigt werden dürfte.

Im Vorfeld der rechtsextremen Gedenkveranstaltung in Bleiburg am Samstag hat sich nun ein breites Bündnis aus über 20 Organisationen gebildet, die in einem Appell an den Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser, Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Innenminister Wolfgang Sobotka die Untersagung des Treffens fordern – mit wenig Aussicht auf Erfolg: Momentan sieht es ganz danach aus, als könnte in Kärnten auch heuer wieder problemlos den Angehörigen eines faschistischen Staates gedacht werden, der die Todesmaschinerie der Nazis tatkräftig unterstütz hat.

Wir werden am Samstag vor Ort sein und vom Treffen am Loibacher Feld berichten.

Paul auf Twitter: @gewitterland

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