Den Job eines nordkoreanischen Botschafters stellt man sich nicht gerade spannend vor, schließlich gilt das Land als politisch isoliert, und allzu viele Visa-Anträge dürfte es auch nicht zu bearbeiten geben. Am 8. April jedoch wurde gefeiert, in der Berliner Glickastraße. Anlässlich des “Tages der Sonne, dem 104. Geburtstag des großen Führers Genossen Kim Il-sung” gratulierte eine Gruppe von Deutschen dem Botschafter Ri Si Hong und gelobte, “immer fest an der Seite der gerechten Sache des koreanischen Volkes” stehen zu wollen. Die illustren Gäste waren Aktivisten der “Antiimperialistischen Plattform” (AIP) um Michael Koth, und die kommen ungefähr einmal im Monat vorbei. Koth gehört zu den dienstältesten Querfrontlern Deutschlands, er versuchte schon, links und rechts zu vereinen, als Jürgen Elsässer noch ein langhaariger Schullehrer war.
Ein gelernter Sektierer
Michael Koth verdiente sich die Sporen als Revolutionär bei der “Sozialistischen Einheitspartei Westberlin”, einer Art Außenstelle der DDR im Westteil der geteilten Stadt. 1979 jedoch verließ er die Partei im Streit und wechselte zur KPD/ML, einer der unzähligen Splittergruppen, die seit dem Niedergang der Studentenrevolte miteinander konkurrierten. Die Kleinpartei hatte sich Anfang der 1970er Jahre in einem erbitterten Streit auf Bundesebene zerfleischt. In der Auseinandersetzung zwischen einer Dortmunder Gruppe namens “Zentralkomitee” und einem Bochumer “Zentralbüro” ging es um Macht—und die brennende Frage, wer das bessere Vorbild sei: die Kommunistische Partei Chinas oder die Partei der Arbeit Albaniens. Die Dortmunder Albanien-Fans setzten sich durch und brachen mit dem Maoismus, der nächste Sektiererkrieg ließ aber nicht lange auf sich warten.
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Als Koth die Führung des Westberliner Verbandes übernahm, war die KPD/ML nicht mehr als eine politisch bedeutungslose Skurrilität. 1986 fusionierten die Überreste der Zwergpartei mit der trotzkistischen “Gruppe Internationaler Marxisten” (GIM) zur “Vereinigten Sozialistischen Partei” (VSP). Manche Aktivisten waren mit diesem Schritt allerdings nicht einverstanden, unter anderem Michael Koth. Der gründete nun mit einigen Mitstreitern eine neue Mini-Partei und nannte sie—wenig originell—KPD/ML. Nach dem Mauerfall zog Koth in den Osten nach Weißensee und engagierte sich unter anderem in Gruppen wie dem “Erich-Honecker-Solidaritätskomittee” oder “Freiheit für Erich Mielke”. Seine Partei ging unterdessen in der KPD-Ost auf, einer stalinistischen Splittergruppe, die sich in den letzten Tagen der DDR gegründet hatte und bis heute als KPD besteht.
Betrachtet man die politische Biografie des Exzentrikers Koth, dann erscheint es beinahe unvermeidlich, dass er sich auch mit den Genossen aus der Ex-DDR schnell überwerfen musste. Mitte der 1990er Jahre verließ er die KPD wieder und knallte dabei vermutlich mit der Tür. Ein Revolutionär dieses Formats kann jedoch nicht lange ungebunden bleiben; er braucht eine Splittergruppe, die ihm treu ergeben ist, und einen Bruderstaat, am besten einen möglichst weit entfernten, der irgendwie exotisch und gefährlich wirkt. Das Ende des Kalten Krieges hatte die Auswahl an potenziellen Partnern zwar erheblich reduziert, doch davon ließ sich Koth nicht erschüttern und gründete 1995 die “Partei der Arbeit Deutschland” (PdAD). Mit dieser neuen Gruppe suchte er nun aktiv die Nähe des nordkoreanischen Regimes—aber gleichzeitig auch die von deutschen Neonazis.
Kamerad, grüß mir die Sonne
1998 meldete die NPD-Zeitung Deutsche Stimme, dass eine Delegation der NPD gemeinsam mit dem PdAD-Chef Michael Koth vom nordkoreanischen Botschafter Ri San Yu in Berlin empfangen worden sei. In ideologischer Hinsicht berief sich Koth inzwischen nicht mehr nur auf den Marxismus-Leninismus, sondern auch auf Nationalbolschewisten der Weimarer Republik wie Ernst Niekisch oder die Strasser-Brüder. Hinzu kam nun allerdings auch die von Kim Il-sung begründete “Juche”-Ideologie, die offizielle Staatsdoktrin der Demokratischen Volksrepublik Koreas. Diese Weltanschauung ist im Wesentlichen ein oberflächlich marxistisch verbrämter Ultranationalismus, mit dem die Abschottung des Landes begründet wird. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Juche-Ideologie außerdem zu einer Art Rassenlehre entwickelt.
Ende der 1990er veröffentlichte Koth einige Artikel in der rechten Zeitschrift Sleipnir, die seinerzeit von Peter Töpfer mitherausgegeben wurde. Töpfer bezeichnete sich selbst als “Nationalanarchisten”. Diese Mini-Strömung am Rande der Neonaziszene fand allerdings kaum Anklang. Töpfer verbreitete seine Ideen, die stark von dem britischen Schriftsteller Troy Southgate beeinflusst waren, vor allem über Websites wie nationale-anarchie.de oder querfront.de. Dabei versuchte er, an linke Globalisierungskritik anzuknüpfen und diese in völkischen “Ethnopluralismus” zu verdrehen. Er forderte also ein Nebeneinander homogener Volksgemeinschaften, ähnlich wie die heutige Neue Rechte. Eine Gruppe um Töpfer organisierte Anfang der 2000er mehrere “Querfront-Treffen”, an mindestens einem nahm neben diversen Neonazis auch der Anarcho und Altpunk Karl Nagel teil.
Michael Koth scheiterte unterdessen mit der PdAD und baute daraufhin mit dem Neonazi-Aktivisten Thomas Brehl den “Kampfbund deutscher Sozialisten” (KdS) auf. Brehl war in den 1980ern in diversen Wehrsportgruppen aktiv gewesen und hatte nicht zuletzt zusammen mit Michael Kühnen und Christian Worch die nationalsozialistische “Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front” angeführt, die zerbrach, nachdem Kühnens Homosexualität in der Neonaziszene bekannt geworden war. Mit dem KdS verfolgten Koth und Brehl nun gezielt die Strategie, linke und rechte Extremisten zusammenzubringen. Verbindend wirken sollten radikaler Antiamerikanismus und Antizionismus, und irgendwie auch die Juche-Ideologie. Das allgemeine Interesse an diesem Projekt hielt sich aber in Grenzen, das Grüppchen dümpelte eine Weile vor sich hin und wurde 2008 aufgelöst.
Comeback in Rot-Braun
Das war natürlich alles eher deprimierend, aber fünf Jahre später schaffte Michael Koth es tatsächlich noch einmal, ein wenig Beachtung außerhalb seines Freundeskreises zu finden. Dazu bedurfte es allerdings der Hilfe eines anderen politischen Außenseiters. Egon Krenz war der letzte SED-Generalsekretär und Vorsitzende des Staatsrates der DDR, was zwar irgendwie beeindruckend klingt, aber definitiv nicht ist, weil er diesen Posten nur für wenige Wochen Ende 1989 innehatte. Nachdem der ehemalige Ziehsohn Honeckers seinem Regime beim Untergang zugeschaut hatte, steckte ihn die “Siegerjustiz” in den Knast. Seit seiner Entlassung tritt Krenz als Autor in Erscheinung und hält regelmäßig Vorträge vor DDR-Veteranen. Ende 2013 stellte er eine Walter-Ulbricht-Biografie in Berlin vor. Als Veranstalter profilierte sich Koths neuestes Projekt: die Antiimperialistische Plattform.
Michael Koth hatte sich in der Zwischenzeit zum YouTuber berufen gefühlt und den “Rot-braunen Kanal” moderiert, in dem er als Experte über spannende Themen wie die “Systemkrise” oder den “Bomben-Holocaust” von Dresden referierte. Nun widmete er sich wieder leidenschaftlich der Sektiererei. Im Oktober 2013 schickte er ein paar junge AIP-Aktivisten zu der Demonstration einer rechtsradikalen Pro-Assad-Organisation nach Prag. Kurz darauf, Anfang 2014, präsentierten sich mehrere AIP-Anhänger auf der Montagsdemo von Lars Mährholz am Brandenburger Tor und trugen Schilder, die “Solidarität” mit Putin forderten. Am selben Tag trat zu allem Überfluss auch der Linkspartei-Politiker Diether Dehm auf. Ein Internet-Video zeigt Koth, der sich von der Politaktivistin Brigitte Queck verabschiedet, während Dehm im Hintergrund “Bella Ciao” trällert.
Endlich: eine politische Heimat
Brigitte Queck, laut Internet “Diplom-Staatswissenschaftlerin Außenpolitik”, ist die Anführerin von “Mütter gegen den Krieg”, einer weiteren Gruppe mit starkem Hang zu Diktatoren und Personenkult. Die “Mütter”, die tatsächlich eher Großmütter sein dürften, organisieren ständig winzige Kundgebungen überall im Stadtgebiet. Queck gratulierte Michael Koth Ende 2015 zu seinem 60. Geburtstag. Wie es einem Führer von Rang und Namen gebührt, wurde Koths Ehrentag an mehreren Terminen insgesamt einen ganzen Monat lang gefeiert. Grußworte sprachen, der AIP-Homepage zufolge, unter anderem der ehemalige Stasi-Oberst Reinhard Grimmer und der Chefredakteur der “patriotischen Zeitschrift Recht und Wahrheit“, womit vermutlich der Neonazi Meinolf Schönborn gemeint ist. Als Ehrengast war ein anonymer “Genosse der Botschaft der DVR Korea” geladen.
Die Website der Antiimperialistischen Plattform ist voll von überschwänglichen Lobhudeleien auf das neofeudale Kim-Regime. Damit steht sie grundsätzlich nicht allein. Die stalinistische KPD etwa, der Koth in den 1990ern angehörte, veröffentlichte kürzlich eine offizielle Erklärung Pjöngjangs. “Schluss mit Sanktionen und Provokationen!”, fordert auch die trotzkistische Gruppe “Arbeitermacht”. Bei DKP und SDAJ finden sich sogar Reiseberichte aus der Volksrepublik. Dort jedoch wirkt das Verhältnis eher distanziert. Nirgends scheint die Nähe so groß zu sein wie beim AIP-Chef Koth, der in vertrauter Atmosphäre mit Diplomaten des Regimes zusammentrifft. Offenbar berichten die nordkoreanischen Medien zudem regelmäßig über bestimmte Aktivitäten der deutschen Splittergruppe, etwa wenn Koth einen Brief an den “Hochverehrten Genossen” Kim Jong-un schreibt.
Screenshot von der Website der “Antiimperialistischen Plattform“
Darin dürfte letztlich auch der Zweck der Kooperation mit einer politisch bedeutungslosen Gruppierung in Deutschland liegen: Das Propaganda-Universum Pjöngjangs inszeniert für sein heimisches Publikum die Existenz einer Internationale aus Verbündeten im Kampf “gegen den US-Imperialismus, Hort des Bösen und Geißel der Menschheit” und nutzt dafür Gruppen im Ausland als Referenzen. Im Gegenzug klopft man den Darstellern ein wenig auf die Schulter und gibt ihnen das Gefühl, irgendwo hinter dem Horizont gäbe es jemanden, der sich für all das interessiert, was sie in ihrer Freizeit so tun.
(Leider waren weder Michael Koth noch die Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Korea für ein Interview zu erreichen.)