“White Shark Café” – auf diesen Namen hat die Meeresbiologin Barbara Block den abgelegenen Ort im Pazifik getauft, an dem sich jährlich Hunderte Weiße Haie versammeln. Was für die meisten Menschen wie ein Albtraum klingt, übt auf Block und ihre Kolleginnen eine ganz besondere Faszination aus. Denn bisher wusste niemand, warum die Weißen Haie ihre Jagdgebiete an den Küsten verlassen und ins Nirgendwo zwischen Hawaii und Kalifornien pilgern. Block und ihr Team konnten das Geheimnis um die rätselhafte Haifisch-Party im Pazifik nun lüften.
Forschende rätselten jahrelang, was die Weißen Haie an diesen Ort trieb. Hatten die Tiere dort Sex oder brachten sie ihren Nachwuchs zur Welt? Letzteres schien eher unwahrscheinlich, da der Ort sehr weit von der Küste entfernt liegt. Vor allem das Verhalten der männlichen Haie verwunderte: GPS-Tracker an den Flossen von Haien verrieten, dass Männchen bis zu 120 Mal am Tag auf- und abtauchten – das bedeutet im Durchschnitt alle 12 Minuten. Dabei tauchten die Tiere bis zu 430 Meter tief. Die Weibchen hingegen tauchten tagsüber in tiefere Gewässer ab und kamen nur nachts an die Oberfläche.
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So schlemmen die Weißen Haie in der Tiefsee
Forschende der Stanford University und des Monterey Bay Aquarium haben bei einer gemeinsamen Expedition nun herausgefunden, warum die Weißen Haie diesen Ort lieben: Sie machen Jagd auf lichtempfindliche Tiere wie Tintenfische und kleine Fischarten, die sich in dem Teil der Tiefsee tummeln. Bislang hatten Forschende die Möglichkeit abgetan, dass Haie wegen der fetten Beute ins “White Shark Café” kommen, denn der Meeresabschnitt sah auf Satellitenbilder wie eine nahrungsarme “Wüste” aus.
“Goldgrube an Daten”
Die Bewegung der Beutetiere orientiert sich am Lichtrhythmus, erklärte Salvador Jorgensen, Forscher am Monterey Bay Aquarium, gegenüber der Zeitung SFGate: “Tagsüber halten sie sich knapp unter der Grenze auf, bis zu der das Licht reicht. In der Nacht kommen sie im Schutz der Dunkelheit näher an die Oberfläche, wo das Wasser wärmer und belebter ist.” Jorgensen bezeichnete sie als “die größte Tierwanderung der Welt”.
Während sie im “White Shark Café” schlemmen, passen sich die Haie dem Auf und Ab ihrer Beute offenbar an, die im Verlauf des Tages mal mehr und weniger tief im Ozean taucht. Dadurch lässt sich wohl auch das ungewöhnliche Tauchverhalten der männlichen Haie erklären.
Im Herbst 2017 stattete das Team unter der Leitung von Block und Jorgensen 37 Weiße Haie mit GPS-Sendern aus. Die Sender waren darauf programmiert, nach einer bestimmten Zeit von den Haien abzufallen.
Im Frühjahr machte sich das Team mit dem Forschungsschiff Falkor auf, um die Haie bei ihrem mysteriösen Verhalten zu beobachten. “Die Haie tauchten genau dort auf, wo wir vorhergesagt hatten”, sagte Block im Gespräch mit dem US-amerikanischen Radionetzwerk NPR.
Die eingesammelten GPS-Sender erwiesen sich den Forschenden zufolge als wahre “Goldgrube an Daten“: Sie ermöglichten den Forschenden so viele wertvolle Einblicke in das Verhalten der Weißen Haie, dass sich das Wissen aus den letzten 20 Jahren über die Meeresräuber durch diese Expedition vervielfachte.
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Die weiblichen Haie bleiben den Forschenden ein Rätsel
Außerdem wertete das Team Daten einer autonom fahrenden Segeldrohne und eines Unterwasserfahrzeugs aus, beide waren mit Geräten zur Schallortung ausgestattet. Auch DNA-Proben und Daten zur Temperatur des Wassers lieferten den Forschenden neue Erkenntnisse über den bisher kaum erforschten Teil des Pazifiks.
Eine Frage über das “Shark Café” bleibt jedoch offen. Bisher können die Forschenden nicht erklären, warum die Weibchen ein ganz anderes Tauchverhalten an den Tag legen als die Männchen. Jorgensen sagte gegenüber SFGate, dass das Verhalten eine Rolle in der Paarung spielen könnte oder die Weibchen andere Beute jagen.
Im Jahr 2016 empfahlen die UNESCO und die Weltnaturschutzunion IUCN, das “White Shark Café” in die Liste der Weltkulturerben aufzunehmen. Damit das geschehen kann, muss jedoch erst seine Bedeutung für das Ökosystem nachgewiesen werden. Die Expedition von Block und Jorgensen könnte dazu einen wichtigen Beitrag leisten.
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Dieser Artikel ist zuerst auf der englischsprachigen Seite von Motherboard erschienen.