Viele Leute nutzen Musik, um ihre Traurigkeit zu vertreiben—weshalb es wenig überraschend war, dass eine Studie der Universität Cambridge, die Anfang des Monats veröffentlicht wurde, herausgefunden hat, dass Rap Leuten helfen kann, die unter Depressionen leiden. Die Studie besagt, dass die vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichten und die „positive Bildersymbolik“ eine aktive Katharsis sind—„ein Mittel zur Befreiung [und] eine Nachricht der Hoffnung“—und sie haben Recht. „Empire State of Mind“ mag vielleicht nervtötend sein, trotzdem kann ich nicht anders, als mir jedes Mal, wenn ich es höre, vorzustellen, wie ich in Armani-Montur und mit breiter Brust die Fifth Avenue entlangstolziere.
Die Studie bezieht sich insbesondere auf Biggies Hustlin’-Hymne „Juicy“—unbestritten der beste Karaoke-Song aller Zeiten—und es ist großartig, dass Akademiker verstehen, dass B.I.G.s Wandel vom Rap-Magazine-Leser zum „Salt-n-Pepa and Heavy D up in the limousine“ Hörer motivierend ist. Aber das ist nur ein Kratzen an der Oberfläche einer größeren Problematik. Es gibt nützliche Qualitäten an Rapmusik, sicher, aber es gibt mehr zu hören als vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichten.
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Seit ich alt genug bin, Platten zu hören, die mir nicht während Autofahrten aufgezwungen wurden, ist Musik mein Mittel zur Bewältigung—und es ist insbesondere HipHop, der mich tröstet. Eminem beschreibt es in „Sing for the Moment“ treffend: Du sitzt nachts weinend in deinem Zimmer, dann legst du eine Rap-Platte auf, sitzt dort und bist auf der gleichen Wellenlänge. Wie alle Musik ist es ein Fluchtweg und für mich kann HipHop aus drei verschiedenen Gründen helfen: der erzählten Geschichten, dem Eskapismus und den Themen, die sich in keiner anderen Art von Musik finden lassen.
Ob es nun Eminem ist, der über das Erreichen von „Rock Bottom“ und „yesterday going by so quickly it seems like it was just today“ rappt, Kid Cudi, der über das Streben nach Glück sinniert, Jean Grae, die mich daran erinnert, am Leben zu bleiben oder Tyler, the Creator, der über die Probleme mit seinem Vater spricht und darüber, eine imaginäre Traumwelt zu erschaffen, HipHop bietet ein zuverlässiges Universum, in das ich versinken kann, wenn niemand in der Nähe ist. Für andere Leute sind es Künstler wie Angel Haze—Galionsfiguren, die den Hörer daran erinnern, dass es OK ist, anders zu sein, irgendeinen Scheiß durchzumachen und man selbst zu sein. Manchmal ist es sogar so einfach, dass du „Lifestyle“ auflegst und für eine kurze Weile alles vergisst, außer dass Young Thug über Baguettes rappt. Manchmal hilft es einfach, zuzuhören.
Trotzdem—obwohl Leute wie ich Zuflucht in bestimmten Rapsongs finden, tut HipHop sich generell schwer mit Künstlern, die entweder über komplexe Gefühle reden oder selbst persönliche Probleme haben. Rapper mit Sorgen—Gucci Mane oder DMX zum Beispiel—werden oft als theatralische Wracks abgetan, die von Fans mit Popcorn und Twitter Feed in der Hand beobachtet und ausgelacht werden. Introspektive Künstler wie Childish Gambino, die ihre Unsicherheiten auf Platte bringen und ihre Fehlbarkeit offenbaren, werden als soft oder lahm abgestempelt. Leute wie Tyler, the Creator und Eminem kommen nur davon, weil sie Rollen spielen.
Das lange andauernde Tabu im HipHop bezüglich psychischer Gesundheit—manche Leute reden darüber, andere haben Angst und wieder andere scheißen einfach auf die, die es tun—entstammt der Kultur, die das Genre umgibt. Pharoahe Monch hat in einem Interview mit Vlad TV zu seinem letzten Album PTSD gesagt, dass er das Gefühl habe, er könne nicht über Depressionen reden, da in der schwarzen Community des HipHops psychische Schwäche als abwegig angesehen wird; andere Herausforderungen des alltäglichen Lebens werden als weitaus wichtiger erachtet.
Die Kommentare von Monch ergeben Sinn. Die einzigen allgemein geschätzten Rapsongs, die sich mit psychischen Problemen auseinandersetzen und die mir spontan einfallen, sind „Suicidal Thoughts“ von Biggie und „My Mind is Playing Tricks on Me“ von den Geto Boys—und beide behandeln das Thema in einer Art und Weise, die darauf zurückgeht, auf der Straße Geld zu machen und nicht darauf, sich als Folge der Umwelt deprimiert und niedergeschlagen zu fühlen. Die HipHop-Gelehrte und ehemalige Vize-Vorsitzende der Green Party Rosa Clemente schrieb nach dem Selbstmord von Rapmogul Chris Lighty (der Leute wie Nas, 50 Cent und Diddy repräsentiert hat) treffend: „HipHop und die schwarze Community allgemein sowie progressive, radikale soziale Aktivisten müssen einen Weg finden, um einen Dialog zu beginnen und nicht nur das Schweigen bezüglich Depression zu brechen und aufhören, weiterhin die Leute zu beschämen, die unter dieser Krankheit leiden.“
An dieser Stelle kommt Kendrick Lamars „i“ ins Spiel.
Der Song erschien vor einem Monat und ist ein kraftvolles Beispiel dafür, wie sich Einstellungen ändern. Der Refrain des Songs—„I love myself“—der von Kendrick zuerst gerufen und am Ende wiederholt aus voller Kehle geschrien wird, behandelt das Thema ohne jede Angst und verzichtet dabei auf Texte über Verbrechen der Verbrechen willen, Drogen oder Erpressung. Obwohl Kendrick über sein Umfeld reflektiert, nutzt er den Song, um den Fokus auf den Glauben an sich selbst, auf Motivation und Liebe zu lenken. Es ist ein beeindruckendes Statement.
„Die Platte fühlt sich großartig und toll an, aber sie ist aus Depressionen entstanden“, hat Kendrick in einem Interview mit 93.7 The Beat gesagt. „Ihr liegt Unsicherheit zugrunde. Nicht nur von ihnen, sondern auch von mir… [Depressionen] sind etwas, dem ich in meinem Leben begegnet bin, nicht nur [beim Schreiben des Songs], sondern auch jetzt noch.“
Egal, ob du denkst, dass Kendrick Lamars „i“ wie kitschige Basketball-Musik klingt oder ob du es für großartig hältst, er hat sich mit diesem Song weit geöffnet und hat mit dem angefangen, was sich Rosa Clemente schon vor zwei Jahren erhofft hatte. Er bricht das Schweigen bezüglich Depressionen, er beschämt niemanden und was am wichtigsten ist, er eröffnet einen Dialog und bringt das Genre voran.
Anders als andere Rapper mit persönlichen Problemen—jemand wie DMX, der unter einer bipolaren Störung leidet oder der Typ aus dem Umfeld des Wu-Tang Clang, der sich den Schwanz abgeschnitten hat—hat Kendrick über psychische Probleme gesprochen und ist dabei trotzdem ein Rapper geblieben, ohne von der Industrie ausgegrenzt oder erniedrigt zu werden. Die Tatsache, dass er nach der unbestritten größten Rap-Platte des letzten Jahrzehnts „i“ als Comeback-Single veröffentlicht hat, ist überragend.
Das wichtigste daran ist aber, dass die Dinge sich anfangen zu ändern. Die Feststellung der Cambridge University, dass Rapmusik den Leuten hilft, ist symbolisch für die sich verändernde Einstellung bei den Leuten außerhalb der HipHop-Welt; es gibt mittlerweile das Verständnis, dass es bei Rap nicht nur um Waffen und Kriminalität geht. Aber auch innerhalb der Rap-Welt deutet Kendrick Lamars „i“ einen Richtungswechsel in der Art und Weise an, wie Mainstream-Rapkünstler mit psychischen Erkrankungen umgehen; er ist einer der Größten im Geschäft und als Resultat können wir nur hoffen, dass andere Künstler folgen und die Stigmatisierung komplett verschwindet.
Egal, was die Zukunft bringt, beide Sachen sind wichtig. Und nicht nur für HipHop als Genre, sondern auch für die Fans, die Künstler und die Leute, die Rap als Ventil nutzen und sich nicht getraut haben, das Wort zu ergreifen.
Ich habe Stunden damit zugebracht, mich in meinem Zimmer einzuschließen und Kid Cudi zu hören. In seiner Musik widmet er sich einem spezifischen Sinn für Einsamkeit, Paranoia, Angst und der Mutlosigkeit, die durch alle drei Sachen zusammen entsteht. Auch heute noch, wenn ich das Gefühl habe, dass alles wieder passiert, wenn ich nicht aufstehen kann, weil ich das Gefühl habe, dass die Bettdecke zu schwer ist, weil ich überzeugt bin, dass ich mir, wenn ich mir nicht dreimal hintereinander den Mund ausspüle, irgendeine selbst-diagnostizierte Krankheit einfange und ich nicht in der Lage bin, mit jemandem zu sprechen, weil das alles zu viel wäre, lege ich seine Debüt-Platte auf und versinke darin. Dann atme ich.
Wir werden nie erfahren, ob das Stigma im HipHop andere Platten, die der Selbsthilfe dienen, wie Cudis Man on the Moon von der Veröffentlichung abgehalten hat—und das ist sicher nicht die einzige, die existiert. Aber zumindest werden die Leute jetzt und in Zukunft akzeptieren, dass HipHop mehr ist, als ein Typ afro-amerikanischer Herkunft, der über einen Beat rappt und ungesunde Bewältigungsmechanismen wie Sex, Drogen und materiellen Besitz glorifiziert. Jetzt kann HipHop als mit anderen Arten von Musik ebenbürtig angesehen werden: als positive Kraft, als etwas, das Leuten helfen oder es zumindest einfacher machen kann. Und das ist das wichtigste—es einfacher machen. Sowohl für den Künstler als auch für die Hörer.
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