Nach all den trübsinnigen Jahren ist es endlich wieder Zeit für ein Pop-Punk-Revival

Ich war zehn, als mich mein mein paar Jahre älterer Bruder in American Pie 2 zerrte. Er hatte ihn schon gesehen, fand ihn mega witzig und müsse ihn mir einfach zeigen. Ganz abgesehen davon, dass ich jegliche Jokes mit sexuellem Hintergrund nicht wirklich kapieren konnte (und trotzdem wie ein Gestörter lachte), wurde in diesen anderthalb Stunden meine komplette kindliche Welt auf den Kopf gestellt. Nicht, weil sich die Hauptperson mit Flüssigkleber einen runterholte, oder der eine Typ mit der Mutter des anderen bumste, sondern weil mir der Soundtrack mit einem Vans Old Skool in die Eier trat.

Es war die Szene, als Jim, Kevin, Oz, Finch und Stifler zu ihrem Ferienhaus fahren und Stifler laut schreiend seine „Sei auf Zack“-Rede hält. Der Song, der dabei lief: Sum 41—„Fat Lip“. So dumm der Film mit 15-jährigen Zeitabstand auch sein mag, der Soundtrack unterstrich mit Blink 182, Green Day, American Hi-Fi, Fenix TX und eben Sum 41 perfekt das Gefühl von Freiheit, endlich von Zuhause auszubrechen, irgendwo mit seinen Freunden hinzufahren und zu feiern. Pop-Punk in Perfektion, eben.

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Damals, 2001, war eine fantastische Zeit für diese Musik. Sum 41 veröffentlichten ein Album namens All Killer No Filler, dass dem großkotzigen Namen sogar alle Ehre machte und sie zu der neuen Lieblingsband für jeden Teenie machte, der lieber mit dem Skateboard zur Schule rollte. Blink 182 nahmen zwei Jahre nach ihrem Überalbum Enema of the State mit Take Off Your Pants And Jacket endgültig das Zepter des Bastard-Genres in die Hand. Zu ihrem Glück hatten sich Green Day mit ihrem letzten Album Warning bereits auf einen anderen Pfad begeben, der sie immer weiter in die Dunkelheit, also zu ihrem Mainstream-Durchbruch American Idiot 2004 führen sollte. Fenix TX brachten ihr letztes und bestes Album Lechuza raus, American Hi-Fi ihr gleichnamiges Debüt, dass sie auf einen Schlag auf Welttournee schickte und Good Charlotte nahm aufgrund ihres teils gut gemeinten, teils zutiefst peinlichen Debüts ein Jahr zuvor noch keiner für voll. Das sollte sich 2002 mit The Young and the Hopeless aber schlagartig ändern. Da kam dann auch Goldfingers Open Your Eyes und Simple Plans No Pads, No Helmets…Just Balls raus, beides absolute Klassiker. Wie gesagt, an Pop-Punk kam Anfang der Jahrtausendwende kein Pubertätspunk vorbei.

Ein paar Jahre später war der Spaß vorbei. Wir wurden von der düsteren Emo-Welle erfasst, die über uns zusammenbrach und uns in tief nach unten zog. Anstatt Dur wurde jetzt Moll gespielt, also wurden aus lebensbejahenden Teenagern depressive Selbstbemitleider. Wir tauschten Wasserstoffblond gegen Pechschwarz, euphorisches Verliebtsein gegen dramatischen Herzschmerz und unser Skateboard verstaubte vergessen auf dem Schrank. Unvermeidbar wurden wir immer erwachsener, schlossen die Schule ab, zogen in andere Städte, suchten uns Studiengänge und Jobs. Die scheinbar ewige Party war endgültig vorbei und wir brauchten passend zu der sich immer deutlicher zu manifestierenden Realität auch einen härteren Soundtrack.

Die immer Metal-lastiger werdenden Sum 41 folgten dieser Entwicklung eine Zeitlang, bevor sie einen auf Green Day machten und musikalisch völlig irrelevant wurden. Parallel soff sich Sänger Deryck Whibley fast tot und Drummer Stevo 32 stieg aus. Tom Delonge fürchterliches Nebenprojekt Angels and Airwaves zwängte Blink 182s ohnehin schon deutlich trauriger werdenden Sound in schlecht sitzende Lederjacken und rammte ihm auf Neighborhoods endgültig einen Stock in den Arsch. Good Charlotte wollten lieber mit The Game in L.A. chillen und bescheuerten EDM-Punk machen—der früher kritisierte Lebensstil der Reichen und Schönen war wohl doch zu verlockend. Die alten Helden aus der Jugend schienen alle der Reihe nach zu fallen, oder besser: älter zu werden.

Heute, 2016, ist „Pop-Punk“ zum Schimpfwort verkommen. Irgendwie auch kein Wunder—nüchtern betrachtet war das Genre so beliebt, weil simple, melodische Riffs auf leicht schiefen Gesang über Partys, erste Liebschaften oder Kinderzimmerrebellion trafen. So konnte sich jeder sofort angesprochen fühlen und laut mitsingen—wenn man denn jünger als 16 Jahre war. Alles, was nach all der Zeit von der Hochzeit des Pop-Punk blieb, war nostalgisches Rumgrölen auf der WG-Feier, bevor die Soziologen-Kommilitonen mit ernstem Blick wieder The National angemacht haben.

Also warum zur Hölle beschleunigt sich neuerdings der Herzschlag unseres verfetteten Herzens bei jeder News über das neue Blink 182-Album ohne Coldplay-Fan-Delonge, aber mit Alkaline-Trios Matt Skiba? Warum hatten wir Tränen in den Augen, als Dave Brownsound wieder mit Sum 41 aufgetreten ist, sie gerade auch an einem neuen Album werkeln und der erste Soundschnipsel bereits fantastisch klingt? Und ja, warum freuen wir uns auch irgendwie auf das neue Good Charlotte-Album, obwohl die erste Single nur „ganz nett“ ist? Weil sie alle zu ihren Wurzeln zurückkehren und uns dabei an die Hand nehmen. Weil wir wieder bereit dafür sind und nach all den ernsten Jahren wieder ein bisschen Spaß brauchen. Zwar haben wir uns die Zeit mit den Pop-Punk-Erben wie State Champs, The Story So Far, Neck Deep oder Knuckle Puck vertrieben, aber niemand kann die Musik unserer Jugend ersetzen. Niemand, außer Good Sum 182. Wir sind bereit für 2016—das Jahr des Pop-Punk-Revivals!

A video posted by SUM 41 (@sum41) on

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