In einer Welt, in der es immer noch die häufig kritisierte „Hottest Chicks in Hard Rock”-Ausgabe (ehemals „Hottest Chick in Metal”) des Revolver-Magazins gibt, in der sich ganze Webseiten dem “Schutz” von Metal vor “linkem PC-Bullshit” widmen und in der das Forum für Männerrechte, The Return of Kings (aka das Zentrum der Frauenfeindlichkeit), über #metalgate berichtet (was auch immer das war), ist es sicherlich schwer, eine Frau zu finden, die noch nie irgendwelches sexistisches Verhalten erlebt hat, wenn sie an der Schwanzparade namens Extreme Metal teilnimmt.
Bereits kurz nachdem ich anfing, zu Konzerten zu gehen, verlangte der erste Metaltyp, dass ich meine Liebe zu Death dadurch beweise, dass ich ihre Alben in chronologischer Reihenfolge aufsage—inklusive Jahr. Mir wurde klar, dass ich, wenn ich irgendeine Form von Respekt in der Szene haben wollte, härter arbeiten, tiefer gehen und mehr wissen musste—weil von Frauen erwartet wird, zu beweisen, dass sie die Musik lieben und dass sie ihre Anwesenheit legitimieren müssen. Entweder das oder du bist sowieso nur da, um Schwänze zu lutschen und in den Blicken der Männer zu baden. Natürlich.
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Ich war entschlossen, großartige Musik zu finden, mein Wissen über den Underground zu verbessern und letztendlich diesen Sachverstand gegen die Platzhirsche zu verwenden. Bekannte Death-Metal-Bands wie Suffocation, Carcass und Devourment haben für Jig-Ai, Amputated und Prostitute Disfigurement Platz gemacht und dann für Bands wie Gut, Cock and Ball Torture und Cemetery Rapist. Es konnte nicht zu viele Blastbeats, Slams oder Schweinegrunzer geben: je krasser, desto besser.
Je stärker meine Liebe zu Goregrind und Brutal Death Metal wurde, umso stärker wurde auch meine kognitive Dissonanz. Wie konnte ich als Frau brutale Vergewaltigung und Mordfantasien sowie eine Menge anderer erniedrigender Themen, Sprache und Artworks als integralen Bestandteil akzeptieren? Würde ich die epische Glorifizierung von Lynchmord tolerieren? Würde ich tolerieren, wenn ein Loblied auf Hitlers extrem brutales Vernichtungsprogramm gesungen wird? Nein. Warum wird also all die Objektivierung, Erniedrigung und sexuelle Gewalt—etwas, das für Millionen Frauen weltweit kranke Realität ist—schulterzuckend hingenommen? Warum nennen wir Frauen Schlampen, Nutten und Flittchen, wenn diese Worte mit demselben Hass und denselben degradierenden, herabwürdigenden Absichten erfüllt sind wie rassistische Beleidigungen?
Zunächst dachte ich nicht besonders intensiv über diese Angelegenheit nach. Es ging mir eigentlich immer mehr um Riffs und Strukturen als um Texte und Albumcover. Sicher, es gibt eine Menge Brutal Death Metal und Goregrind, der sich mit Gesellschaft und Politik und nicht mit sexualisiertem Horror/Gore beschäftigt, aber die Zeit und intensive Auseinandersetzung mit dem Thema haben auch gezeigt, dass es eine große Anzahl gibt, die sich sexueller Erniedrigung und Brutalität widmen, sodass es sogar ein eigenes Genre dafür gibt—Pornogrind. Und auch wenn ich anfangs besorgt war, war es bloß Teenager-Perversion zum Augen rollen. Jungs bleiben Jungs, besonders wenn sie unter sich sind und mir wurde mein Platz bereits zugewiesen, also blieb ich ruhig.
Aber jedes Mal, wenn ich angemerkt habe, dass ich etwas beleidigend finde, bekam ich Zurückweisung oder Spott zu hören und den Spruch, ich solle mich entspannen. In meiner Zeit als Musikjournalistin habe ich Leute wie Jig-Ai und Cemetery Rapist interviewt und gefragt, was sie über ihre Texte und die Anschuldigung der Frauenfeindlichkeit denken. Sie haben in die Cannibal Corpse-Kerbe gehauen—dass alles “bloß Fantasie” sei, denn sie sind sicher keine Frauenfeinde. Sie lieben ihre Freundinnen und Mütter und Schwestern und Tanten! Death Metal soll krank sein, das ist bereits im Namen und in der Sprache enthalten—”Death”, “Gore”, “Brutal”. Wenn ich mich dabei unwohl fühle, dann war dies eindeutig mein Problem und so habe ich mich damit abgefunden, es als ein Teil einer langen Reihe an angeberischem Mackertum zu akzeptieren. Erniedrigung, Folter und mit einem Messer ficken! Aus Tradition!
Aber in den letzten paar Jahren konnte ich es nicht mehr ignorieren oder tolerieren. Ich habe versucht, das Thema als etwas, das nichts mit der Realität zu tun hat, zu entschuldigen und zu rechtfertigen. Videospiele bringen Leute nicht dazu, rauszugehen und Amok zu laufen, genauso wenig wie erniedrigende “Kunst” und Texte wie:
“Then drag the blood soaked victim deep into the woods I strip her;
no one hears her screams;
I beat her, I smash my fist in her face;
Please kill me she says while breathing her last breath ;
I clutch my blade with all my might, stab her in the fucking guts;
Now the fucking fun will begin;
I slide my hard cock right in”
Männer dazu bringen, Frauen zu vergewaltigen oder zu missbrauchen. Ich glaube nicht, dass jemand, der Devourment hört, unbedingt eine Bedrohung ist, aber mir ist auch bewusst geworden, dass es nicht so einfach ist. Texte wie diese spiegeln eine sexistische Gesellschaft wieder; sie helfen, eine patriarchalische Machtstruktur zu festigen, den Status Quo von Frauen als austauschbare Sexobjekte aufrechtzuerhalten und es ist sehr wahrscheinlich, dass sie unterschwellig die Einstellung von Männern gegenüber Frauen beeinflussen, sowohl im Kontext von Metal als auch außerhalb. Warum sonst würde die Vorstellung, dass Frauen bloß Fickpuppen sind, die erniedrigt und missbraucht werden können—die so anziehend ist, dass es sogar ein eigenes Genre dafür gibt—von Leuten, die es hören und aktiv daran teilhaben, als lustig angesehen? Warum gibt es so viele Frauen, die Vorfälle von Sexismus im Metal erlebt haben? Warum bekommen Frauen wie Myrkur regelmäßig Morddrohungen?
„Es ist nur Fantasie” ist fast immer die erste Rechtfertigung, aber eine Kultur wird weder in einem Vakuum erschaffen noch existiert sie in einem. Der soziale Kontext jeglicher Form von Kunst ist von Bedeutung. In diesem Fall ist es die Tatsache, dass die WHO sagt: “Mehr als ein Drittel der Frauen weltweit hat Gewalt von einem Partner oder sexuelle Gewalt von einem anderen Mann erfahren.” Und damit wird noch nicht einmal auf Genitalverstümmelung, ungleiche Bezahlung, Unterrepräsentation in Führungspositionen oder die unzähligen sozialen Bedingungen, die auf die weltweite Ausgrenzung von Frauen hinweisen, eingegangen. Warum zur Hölle fördern und normalisieren wir vor diesem Hintergrund diese Gewalt und Unterdrückung oder banalisieren sie zumindest? Die einzige Nachricht ist hier, dass Frauen Spielzeuge sind, die degradiert und penetriert werden können—dass sie keine Menschen sind, die du kennenlernen willst, keine Menschen, die Gedanken, Gefühle, Vorstellungen und Wünsche haben, und sicherlich keine Menschen, die ebenfalls auf Death Metal und Grind stehen.
“Es gibt wichtigere Dinge auf der Welt. Warum muss es immer um Geschlecht gehen? Außerdem haben es Frauen in *bitte irgendein Entwicklungsland einfügen* viel schlimmer! Versuch mal, dort zu leben und beschwer dich dann darüber.” Mein weißes, westliches Ich würde nie bestreiten, dass wir verglichen mit vielen anderen Orten wesentliche Fortschritte für Frauen geschaffen haben. Das würde niemand. Aber Frauenfeindlichkeit in der unmittelbaren Umgebung zu erkennen, mindert die Sorge aufgrund von Ungerechtigkeiten, die Frauen überall den ganzen Tag begegnen, nicht; es ist möglich, von mehr als einem Problem gleichzeitig zu wissen und sich damit auseinanderzusetzen. Zu sagen, dass es banal ist, problematische Einstellungen in der Musik aufzuzeigen, bedeutet so viel wie: “So ist es nun mal, halt die Klappe, sei dir bewusst, wo du hingehörst.” Ich kann nicht anders, als mich zu fragen, ob all dieses Gerede darüber, Schlampen in die Fotze zu stechen mit dieser Art von herablassender Verachtung zusammenhängt.
Du siehst es nicht? Für dich kein Problem? Das heißt nicht, dass es nicht existiert. Du magst keine Politik in deiner Musik? Dann halt dich aus diesen Unterhaltungen raus, anstatt die Frauen und die Männer, die darüber sprechen wollen, zu beleidigen und zu mobben. Niemand hält dich davon ab, ein zweites Molesting the Decapitated zu machen oder dir anzuhören.
“Metal soll die Grenzen des Akzeptablen sprengen!” Tja, wenn eine von drei Frauen irgendwann in ihrem Leben sexuelle Gewalt erfährt und genau diese im Heiligtum extremer Musik verankert ist, wäre es dann nicht viel kontroverser, für Frauen einzustehen, anstatt immer wieder in die gute alte Vergewaltigungskerbe zu hauen? Wo sind all die turbofeministischen Goregrind-Bands, wenn es im Metal darum geht, die Grenzen des Akzeptablen zu sprengen? Dem virtuellen Shitstorm nach zu urteilen, der jedes Mal hereinbricht, wenn Sexismus im Metal angesprochen wird, wäre es, denke ich, ziemlich sicher, dass BDM über weibliche Ermächtigung die Messageboards unmittelbar in Brand setzen würde (Castrator gefällig?).
Die Wahrheit ist, dass gewalttätige Frauenfeindlichkeit nicht mehr schockierend oder provozierend ist. Es ist der Status Quo und Bands, die diesen textlichen Ansatz wählen, bekräftigen ihn nur noch. Wenn Rape Culture in irgendeiner Art das alltägliche Leben jeder Frau beeinflusst, dann ist dieser Ansatz bestenfalls auf herzlose Weise unsensibel und hält schlimmstenfalls Einstellungen am Leben, die wirklichen Schaden anrichten können und werden.
Ist es also möglich, einen gesitteten Dialog zu führen? Können wir Leute darauf aufmerksam machen, wie verletzend, verunglimpfend und ausgrenzend dieses Thema ist? Ihnen klar machen, dass es kein Witz ist, dass es einen wirklich schädlichen Effekt auf die Einstellung gegenüber Frauen hat, nicht nur im Metal sondern allgemein auf der Welt? Viele Leute (hauptsächlich Männer) denken, dass jegliche Art von Diskussion die heiligen Lehren des Genres zerstören will und der „linke PC-Bullshit” etwas infiltriert, wo er nicht hingehört. Es wird immer als Angriff angesehen. Tja, das ist es nicht. Erwachsene führen Unterhaltungen und genau wie du das Recht hast, abstoßende Kunst zu erschaffen und zu konsumieren, haben andere das Recht, diese zu kritisieren. Freie Meinungsäußerung funktioniert in beide Richtungen.
Ich denke, die Leute müssen sich selbst fragen, warum sie diese Art von Material schreiben und konsumieren, warum sie denken, es sei witzig, warum sie darüber fantasieren und, am wichtigsten, warum sie sich von Unterhaltungen darüber bedroht fühlen. Die Tatsache, dass all das immer noch ziemlich verbreitet ist, sagt mir, dass der Weg noch lang ist, aber die Feministen (Männer und Frauen gleichermaßen!) halten nicht mehr den Mund—und ich hoffe, dass unsere unbekannten Gegenstücke den Mut haben, eine Unterhaltung mit uns zu führen.
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Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Noisey DE.