Alle Fotos: Isabella Khom
Bevor ich dieser Tage nach Brasilien aufbrach, hatte ich im Februar noch ausgiebig die Gelegenheit das Nacht- und Clubleben Wiens ein wenig zu analysieren, nachdem die Pratersauna und die Kantine ihre Pforten geschlossen haben. Fazit: Es verschwanden auf mysteriöse Weise einige tausend Clubgänger, die noch einen Monat zuvor die Illusion von „Wien, eine Stadt, die niemals schläft“ verbreiteten.
Es war nämlich keineswegs so, dass nun die Massen an „displaced partypeople“, über die sich ja schon die Tagespresse lustig gemacht hatte, über Wiens übrig gebliebene Events und Clubs verstreuen. Sie lösten sich (natürlich nicht wirklich aber doch zu einem beachtlichen Teil) in Luft auf.
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Nun, ich kann mich noch gut erinneren als die Meierei 2002 ihre Pforten schloss. Schon damals dachten viele, dass es nun zu einer großen Umverteilung kommen würde, aber auch damals musste selbst ich feststellen, ich hatte ja gerade das Crazy ins Leben gerufen, dass man ein Publikum nicht 1:1 mitnehmen kann. Der Kern blieb einfach zu Hause oder unternahm clubferne Dinge und wenn man dann einige Jahre später auf Stammgäste traf, dann hieß es „wir sind jetzt sowieso zu alt“.
Gut, in diesem Fall dürfte ich mich ja nicht mehr aus dem Haus trauen. Manche würden dies zwar begrüßen, aber mein Alters-ADS lässt das nicht zu. Auch als das Planetarium schloss, gab es viele Trauernde. Damals gab es ebenfalls gewisse Cliquen, die sich einfach nicht neu „einordnen“ ließen. Sie ließen einfach das Ausgehen sein. Warum ist das so, warum war das so?
Der Kern eines „Stammpublikums“ liebt und liebte eben diesen einen Club, sprach man sie auf den Grund an, warum es nicht auch mal ein anderer sein konnte, dann kamen oft die familiären Argumente: „Alle seien ja da“ und man kenne das Barpersonal etc. Das muss in den anderen Läden erst wieder neu erarbeitet werden.
Gut, die Grelle Forelle hat in jedem Fall etwas zugelegt, extremst gestümt wurde sie aber nicht. Sie hatte eben auch vorher ihr Stammpublikum und einige, die ich dort antraf, meinten, sie würden einfach „nicht warm“ damit. Nun, bis Sommer muss noch schwarze Wärme ausreichen, dann wird umgebaut. Die nächste Pause eines großen Clubs mit Stammpublikum steht an. Bis dahin kommt noch ein Gott—Ricardo Villalobos—und ein Halbgott—Josh Wink. Das Flex versucht zwar einige neue Freitagsformate a la „Hugo“ zu entwickeln, doch fehlt es auch hier am nötigen Zuspruch des Publikums, das man offenbar mit größeren Geschützen zurück an den Kanal locken muss. Das Fluc hat offenkundig einige neue Formate gestartet, hier galt aber immer schon das etwas seltsame Phänomen, dass „echte“ Pratersauna-Fans nicht ins Fluc gehen und vice versa. Trotzdem ist es auffällig, dass nun einige etwas breiter aufgestellten Partyformate dort aufschlagen. Die mit Spannung erwartete Neueröffnung des Hades lässt noch wenig Rückschlüsse zu, irgendwie ist es aber nicht ganz Fisch und nicht ganz Fleisch (also vegan) und vor allem befürchte ich, dass der Kellerclub, sobald es warm wird, nicht mehr ganz mithalten kann. Dennoch sind Bemühen und Ideenreichtum nicht wegzuleugnen, doch ein Stammpublikum kann man sich ohnehin nur über eine lange Periode aufbauen und auch das Marx Project hätte sicher seinem Namensgeber nicht gefallen, obwohl dort Das Kapital einiges auf die Beine gestellt hat, um den Proletariern zu gefallen. Aber auch dorthin gab es keine Pilgerströme.
Gibt es nun gültige Rückschlüsse auf dieses Verhalten? Warten die Saunafans, obwohl sich alle „irgendwie kritisch“ (also mit Halbwissen ausgestattet) über die Neuentwicklung äußern nun doch alle, bis die „Pratersauna 2.0“ öffnet, um sich dann trotz unendlichem „Kritischäußern“ sofort wieder heimisch zu fühlen?
Warten alle Kantinefans auf das neue Projekt und geben sich derweil mit Specials wie Afterhours, Classics oder Hypnotic zufrieden? Also Schönsaufen und Erinnern, wie es damals war, als man sich auch schon schön soff. Es sieht so aus, denn wirklich profitiert von den Clubschließungen hat meines Erachtens nur das Sass, das durch kluge Programmierung beinahe jedes Wochenende aus allen Nähten platzt—von der Afterhour sowieso einmal abzusehen. Alle anderen kleineren Läden waren ja auch schon davor gut besucht, wie das ganz und gar mainstream- und beatportbefreite Celeste oder das Gönner.
Vielleicht wollen aber einige Clubs auch nicht erkennen, dass der Partygänger des Jahres 2016 gerne auch etwas mehr will, als ein Bier aus einem Plastikbecher, einen schlechten Wein oder einen warmen Eristoffvodka. Zumindest geht es mir ab und an auch darum, was es abseits des DJs und des LineUps gibt.
Wie sieht nun die Zukunft aus? Ein paar Informationen, die über den Status des Gerüchtes hinausgehen, sollten doch noch erwähnt werden. Die Sauna wird ihren, anfangs sicher zu ehrgeizig propagierten, Eröffnungstermin wohl nicht ganz halten können, Ende April soll es nun aber endgültig losgehen. Was sonst noch sein wird, darüber wurde und wird noch viel geschrieben werden, die Sonntage wird es aber in jedem Fall wieder geben.
Aus dem Kantine-Umfeld hört man, dass es nun doch nicht so schnell zu einer Neueröffnung kommen wird, wie es ursprünglich geplant war. Es ist eben offenbar nicht so einfach gewesen, ein so ambitioniertes Projekt, das im 3. Bezirk ja eigentlich Narrenfreiheit besaß, 1:1 in einen anderen inneren Bezirk zu verlagern. Es gibt immer noch Optionen, doch konzentriert man sich nun auf den Aufbau und die Etablierung der „Kantine Linz“, in der ehemaligen Tischlerei, wo sich nun das bewährte Team austoben darf und wird und hoffentlich, hoffentlich der einstigen Technometropole wieder Leben einhauchen kann. Denn, man möge mir verzeihen, aber außer ein paar kleinen netten Bars war Linz zuletzt tot. Klar, die megafeine Klinge wird man anfangs nicht führen können, dafür fehlt das Publikum, aber es hört sich mal alles sehr gut an was dort geplant ist.
Darüber hinaus will man nun in Wien zuwarten und nicht wieder einen neuen, heißen Konkurrenzkampf mit der neuen Sauna führen. Halte ich für klug, halte ich für sehr klug. Es wird ohnehin bald Sommer, dann werden die Karten wieder neu gemischt, dann werden sich nämlich wieder alle um jene Menschen reißen, die Fussball lieber draußen sehen. Obwohl man mittlerweile mit den besten HD Fernsehern zu Hause alles besser sieht, sich nicht mit lauter Besoffenen eine Holzbank teilen muss und dann ohenhin keine Analysen von „Schneckerl“ hört, weil immer weggeschalten wird. Spätestens dann, wenn alle Deutschen wieder zu Feinden der Österreicher werden (schon allein, weil sie zur Hermanns Srandbar gehen) werden die Dosenbiere wieder leergekauft und die schwarzen Löcher wieder weiß.
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