Wir deutschen Besserwisser

Zurzeit fällt den ausländischen Medien vor allem ein Trend in Deutschland auf—die Schadenfreude hier im Land. In der New York Times steht: „Im Land der Schadenfreude spiegelt der Eifer, akademischen Betrug zu entlarven, auch gewisse teutonische Charakteristika wider, zum Beispiel die rigide Einhaltung von Prinzipien und eine Tendenz zur Besserwisserei“.

Irgendwie haben sie ja auch Recht. Theoretisch könnten die allgegenwärtigen Plagiatsjäger doch auch mal gute Nachrichten verkünden („Nichts zu beanstanden! Sehr interessante Doktorarbeit!“). Stattdessen sind heute die Breaking News: Gegen Gregor Gysi wird wegen Stasi- Kontakten ermittelt. Das ist ja mal was ganz Neues. Patrick Kurth, der Chef der Bundestagsfraktion der FDP für den Aufbau Ost sagte der Mitteldeutschen Zeitung: „Stimmen die Vorwürfe, ist Gysis Rücktritt unausweichlich.“ Klingt auch irgendwie vertraut, oder? 

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Kein Wunder, Rücktritte sind dieser Tage schließlich große Mode (sogar der Papst tritt zurück). Anscheinend muss man als deutscher Politiker heutzutage den Rücktritt zumindest einmal angeboten haben. Da hat Herr Rösler alles richtig gemacht. Rainer Brüderle wurde die Amtsaufgabe zwar nahegelegt, aber erstens sind die Deutschen nicht so streng, wenn es um Dirndl geht und zweitens ist er in seiner Laufbahn ja schon einmal brav zurückgetreten. 

Martin Heidingsfelder, der Plagiatsjäger du jour verkündete jetzt, er wolle auch die Doktorarbeit der Schavan- Nachfolgerin Johanna Wanka überprüfen, und sogar die akademischen Ergüsse der Bundeskanzlerin höchstselbst sind nicht sicher vor ihm. Auch innerhalb der Plagiatsjäger- „Szene“ gibt es schon Zwietracht. Martin Heidingsfelder wird zwar immer wieder als Gründer von VroniPlag bezeichnet, anscheinend wurde er dort aber schon 2011 ausgeschlossen, das heißt, ihm wurde der sogenannte „Bürokratenstatus“ aberkannt. Dass der Mitarbeiterstatus auf dieser Seite so heißt, ist natürlich auch schon wieder eine Steilvorlage für Witze über die Deutschen, aber das nur nebenbei. Auf dieser Seite heißt es über Heidingsfelder unter anderem: „Offensichtlich ist […], dass GG ‚sein eigenes Ding’ durchziehen will und sich dazu der Reputation von VroniPlag bedienen (sic), zu der er selbst kaum beigetragen hat“. Skandal! Deutschlands wichtigster Plagiatsjäger schmückt sich selbst mit fremden Federn! Das ist deutsche Narc- Kultur auf der Metaebene. Leider ist hier kein Rücktritt rauszuholen. Oder vielleicht doch? Siehe da, Martin Heidingsfelder ist Bundestagskandidat für die Piraten. 

Vielleicht beantwortet das auch die Frage, wer nach der Rücktrittswelle zur Bundestagswahl überhaupt noch übrig bleibt. Ist das ganze gar ein Coup der Piraten, nach dem Motto: „Wenn euch das Urheberrecht so wichtig ist, lassen wir euch jetzt erst mal darunter leiden“? Verschwörungstheorien hin oder her, es wird nicht einfach werden, bis zum Herbst den Überblick über das Personal der deutschen Parteien zu behalten.