Schuhe machen Leute … schon wieder

Wer in Wien ordentliche Schuhe kaufen will, geht zu F. Michael Macho

Während man rund um den Globus beschlossen hat, den ehrenwerten Beruf des Schuhmachers in Vergessenheit geraten zu lassen und stattdessen auf billigst produzierte Massenware setzt, hat man es sich mancherorts dankenswerterweise zum Ziel erklärt, diese Tradition so lange zu erhalten, bis der Rest der Welt wieder zu Sinnen kommt. Jetzt scheint es endlich so weit zu sein, dass die Menschheit aus einem kollektiven Albtraum voller Crocs/Uggs/FlipFlops erwacht und wieder Schuhe trägt, die diesen Namen auch verdienen. Auch wenn sich Österreich diesen globalen Entwick- lungen des Grauens nicht ganz widersetzen konnte, so weigerte man sich zumindest doch, den Wert von an- gemessener Kleidung als auch das dazugehörige Hand- werk gänzlich aus dem Blickwinkel zu verlieren. Für die standhaften Fackelträger eines gewissen Stils mag das hier keine Neuigkeit sein, aber der endlich wieder zu Sinnen gekommenen Großteil wird sich freuen, dass es mit F. Michael Macho jemanden gibt, der die verlorenen Schafe an der Hand nimmt und auf den Pfad der Gerech- ten zurückbringt.
Macho ist immer dann gerne zu Diensten, wenn jemand das notwendige Interesse für kunstvoll gefertigte Schuhe mitbringt. Das Besondere an seinem Stil—auch Macho Style genannt—ist die perfekte Mischung aus britischem Handwerk und dem österreichischen Sinn für das Detail und elegante Formen.
Diese einzigartige Kombination ist in Österreich un- übertroffen—und selbst für London ziemlich ungewöhn- lich. Also haben wir F. Michael Macho besucht, um uns über—ja, ihr habt es erraten—Schuhe zu unterhalten.

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Die rahmen- genähten Oxfords, Macho-Style, sorgen für zufriedene Kunden, die Zigarre fürs richtige Aroma im Geschäft.

VICE: Herr Macho, wie laufen die Geschäfte?

F. Michael Macho: Es ist schwieriger geworden. Als wir vor 35 Jahren zuerst mit den Trickers und dann mit unseren eigenen Schuhen im Macho Style angefangen haben, gab es keinen Lud- wig Reiter, kein Altwien, kein Handmacher. All diese Geschäfte in der Wollzeile haben erst viel später aufgesperrt. Es gab nur Church. Das waren klassisch englische Schuhe, sehr breit, sehr derb, und selbst die waren nur den drei oder vier Auskennern in Wien ein Begriff. Dann sind wir gekommen und wir haben es geschafft, dass die Kunden bei uns bleiben. Wobei man nie- manden zu seinem Glück zwingen kann. Aber wenn jemand mit dem Schuh zufrieden ist, den er bei uns kauft, und sich wohl fühlt, dann kommt er immer wieder. Deshalb kann ich mich auch nicht beklagen.

Das hat vermutlich auch mit Ihrem legendären Service zu tun, von dem man immer hört.

Richtig. Ein Kunde von uns kann sich sicher sein, dass ich dessen Leisten habe und weiß, welche Breite er hat. Der braucht dann nur zu kommen, schlüpft in seinen Schuh und fertig. Dazu kommt, dass Männer glücklicherweise nicht so sind, dass sie in jede Boutique rennen und alles Mögliche ausprobieren müssem. Stattdessen halten sie ihrem Geschäft die Treue, und das sind halt oft wir.
Darüber hinaus spielt die Atmosphäre im Laden eine wichtige Rolle. Die Einrichtung, das Licht, der Geruch, alles. Ich nehm es jetzt nicht mehr wahr, aber die Kunden, die hereinkommen, erwähnen so oft den wunderbaren Duft, den das Leder hier ver- strömt. Und die Zigarre tut natürlich auch das ihre fürs Aroma.

Ja, ich liebe diese herrlichen Aromen in Ihrem Geschäft.


Das eine ist der Geruch, und das andere ist natürlich die Auswahl. Ich stehe zu 100 % hinter jedem einzelnen Stück im Laden. Das sind meine Babys. Genau das spüren auch die Kunden.


Ich frage mich immer: Was macht einen guten Schuh eigentlich aus und wie viel darf er kosten?

Das ist eine wahnsinnig schwierige Frage, vor allem, weil es so viele Möglichkeiten gibt. Man kann ein besseres oder ein schlechteres Leder nehmen, die Sohle kann aus einer Leder- schicht bestehen, oder man macht eine doppelte Ledersohle, vielleicht sogar mit einer Kork-Zwischenschicht oder einem Holzgelenk, die Möglichkeiten sind schier endlos. Und dasselbe gilt für die Preisspanne. Sie können einen Schuh, der äußerlich was hermacht, auch schon um 200 Euro bekommen, aber die tatsächliche Qualität ist dann halt fraglich. Andererseits können Sie auch das Glück haben, dass Sie am Samstag am Naschmarkt einen Materna-Schuh um 50 Euro finden. Der kostet neu über 2 000, aber vielleicht ist der Besitzer verstorben und die Kinder lösen jetzt den Nachlass auf. Deshalb ist die Frage nach dem Preis so schwer zu beantworten.


Nach oben ist die Skala vermulich offen.


Natürlich. Im Luxussegment spielt vor allem die Art des Leders eine Rolle. Sehr exklusiv ist Straußenleder. Aber ab und zu trifft man sogar noch auf Freaks, die kommen mit einem Schuh aus Elefantenhaut und haben das dazugehörige Tier vielleicht sogar selber geschossen. Verstehen sie mich nicht falsch, das soll gutes Leder sein, aber so was muss man halt auch mögen.

LINKS: So sieht Dekoration im Laden von F. Michael Macho aus. RECHTS: Mit Trickers im klassisch englischen Stil hat alles begonnen.

Worin genau zeichnet sich Ihr Schuh aus? Was macht den Macho Style so besonders?

Dafür muss ich etwas ausholen: Ursprünglich haben wir nur Trickers verkauft, also klassische englische Schuhe. Dann kamen Modelle mit einer etwas dünneren Sohle dazu. Die waren im Vergleich zu den Trickers schon eleganter. Aber wir hatten noch einen Leisten vom Großvater und aus dem ist dann im Trial- and-Error-Verfahren der Macho Style entstanden.

Aber ein Leisten ist ja noch lange kein fertiger Schuh.

Nein, weit davon entfernt. Aber mit unseren Leisten, also ei- ner Art Modell, wie der fertige Schuh aussehen soll, und der Manufaktur, die auch die Trickers herstellt, haben wir unseren eigenen Schuh kreiert. Wir haben natürlich Lehrgeld bezahlt. Bei der Produktion des Macho Style gab es—wie bei jedem neuen Produkt—viele Anläufe. Wir haben laufend Verbesserungen durchgeführt, bis der Schuh perfekt war. Mein Macho Style ist rahmengenäht, doppelsohlig und er hat eine viel elegantere Schuhform, als das bei den Engländern der Fall ist. Das merkt man auch an unzähligen, kleinen Details. Zum Beispiel ist der Körper vorne bei den Zehen höher, die Sohlen sind durchgenäht und die Naht ist verkleidet, nicht nur versenkt. Und was essen- tiell für den Macho Style ist: die versenkten Eisen in der Sohle.


Ah, das wusste ich nicht. Diese Eisen sind obligatorisch?


Ja, die Eisen sind ein essentieller Bestandteil unserer Schuhe—mit Ausnahme der Modelle mit Gummisohle. Aber mittlerweile ist dieses Klappern der Schuhe auch etwas, das die Kundschaft manchmal stört. Trotzdem gehört es einfach dazu und ich sehe diese Eigenschaft auch als Asset.
Wozu dient das eigentlich? Halten die Schuhe so länger oder ist das Eisen eher dazu da, sich bemerkbar zu machen? Wissen Sie, wenn man 1965 auf der Kärntner Straße oder am Graben gegangen ist und es hat geklappert, dann wusste man, es ist ein moderner Schuh, der qualitativ sehr hochwertig ist. 20 Jahre später hat man das Klappern zwar immer noch gehört, aber wenn man sich den Schuh, von dem das Geräusch gekommen ist, genauer angeschaut hat, konnten das plötzlich auch dünne Schlüpfer sein. Die Leute haben einfach angefangen, sich von Mr. Minute ein kleines Eiserl um zehn Schilling auf die Schuhsohle schlagen zu lassen, um den Eindruck eines teureren Schuhs zu erwecken. Das hat halt dann auch 14 Tage lang geklappert. Aber früher war das Eisen ein Qualitätskriterium, das nur die Nagy Schuhe oder artverwandte Modelle hatten.


Zum Abschluss eine Frage, bei der es ums Essen und Trinken geht—das tun wir ja alle gerne und Sie haben ursprünglich sogar Koch gelernt. Welche Lokale besuchen Sie in Wien am liebsten?

Da haben Sie recht, ich bin eigentlich kein gelernter Verkäufer. Ich war früher Hotelkaufmann und gelernter Koch, ohne diesen Beruf jedoch jemals ausgeübt zu haben. Außer natürlich zur eigenen Verköstigung und leider auch beim Bundesheer. Aber worauf ich eigentlich hinaus wollte: Ich muss Ihnen sagen, ich bin ein sehr bodenständiger Mensch, auch wenn es um Lokale geht.
Das hab ich mir schon gedacht, weshalb ich auf das Gasthaus Pöschl getippt hätte. Wo ist der? Ahh, Sie meinen das ehemalige Immervoll? Nein, dort ist es mir ehrlich gesagt zu viel Schickimicki-Publikum und zu wenig Platz. Lässig neben einer Platin-blonden Dame an der Theke zu stehen, das brauch ich nicht.
Ich bin eher für Die drei Hacken in der Singerstraße. Das ist ein altes Beisl in dem die Kellner noch weiße Schürzen tragen und das Essen dort ist hervorragend. Ich glaub, ich hab es schon ein paar Mal gesagt: ich bin zehn Jahre zu spät auf die Welt gekommen.

Fotos: Kurt Prinz

Assistenz: Magdalena Vukovic