Ist es diskriminierend, dass man als Mann nicht in einen Club hereingelassen wird, nur weil man ein Mann ist? Viele Leser der Schweizer Gratiszeitung 20 Minuten sehen das so, und haben sich bei der Redaktion beschwert. Männer, die unter sich einfach Spass haben wollten, hätten dazu keine Chance mehr. Während Frauen vielerorts sogar gratis reinkämen, heißt es für die Männer: Bitte draussen bleiben.
Das hat wahrscheinlich jeder Mann schon einmal erlebt. Aber warum eigentlich? Steckt da die Annahme dahinter, Männer seien lauter, aggressiver, betrunkener als Frauen? Und ist das dann sexistisch – oder vielleicht einfach wahr? Und was bedeutet das für Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren? Wir haben bei drei Partyveranstaltern nachgefragt.
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Alexander Bücheli, Vorstand und Pressesprecher der Bar & Club Kommission Zürich
VICE: Ist es sexistisch, Männern den Einlass in Clubs nicht zu gewähren, nur weil sie Männer sind?
Alexander Bücheli: Fakt ist: Jeder Gast ist im Zürcher Nachtleben willkommen. Als Betreiber von Bars oder Clubs hat man aber natürlich das Hausrecht und darf entscheiden, wer reinkommt und wer nicht. Fakt ist aber auch: Zu viele testosterongeladene Männer sind tatsächlich schlecht für die Stimmung und vertreiben andere Gäste – insbesondere die Frauen. Ausser natürlich bei einem Gay-Anlass. Für eine gute Selektion braucht es viel Erfahrung und eine dicke Haut.
Wie entscheidet ein Türsteher, wer rein darf, und wer nicht?
Es geht darum, die richtige Mischung an unterschiedlichen Menschen für eine Nacht zu finden. Auch wenn wir keine Lehrer sind, diese Selektion hat durchaus auch eine erzieherische Funktion: Statt zu jammern, sollten sich die Betroffenen vielleicht mal besser überlegen, wieso eine Horde Männer Mühe hat, in einen Laden reinzukommen?
Die Männer müssen sich also einfach zusammenreissen?
Mit den meisten Männern im Ausgang haben wir keine Probleme. Grundsätzlich haben sich die Zürcher Ausgängerinnen und Ausgänger eh eine gute Note verdient. Liebe Männer, wer nicht in einer Gruppe unterwegs ist, seinen Pegel im Griff hat und nicht jedem Rockzipfel nachpfeift, der kommt in Zürich eigentlich in jeden Club rein – ausser es ist gerade full house. Von dem her hat das Ganze nichts mit Sexismus zu tun, sondern bei der Selektion geht es um die richtige Mischung für die perfekte Nacht!
Philipp Meier, Veranstalter beim Partykollektiv Motherland und Vorstandsmitglied des NachtStadtrats Zürich, der sich für das Nachtleben einsetzt
VICE: Warum kommen Männer manchmal einfach nicht rein?
Philipp Meier: Wir machen selten die Türe selber, sofern es überhaupt Türsteherinnen hat. Bei uns lautet die Devise: Alle werden gleich behandelt. Sprich: Wenn es voll ist, kommt niemand mehr rein. Und wenn es wieder Platz hat, dann geht es bei der Warteschlange der Reihe nach.
Inwiefern achtest Du bei deinen Veranstaltungen auf ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis?
Es ist ein bisschen klischiert – und vielleicht deshalb schon sexistisch –, aber Frauen stehen auf den Sound, der bei uns gespielt wird. Unsere haben einen überdurchschnittlich hohen Frauenanteil. Wir schauen uns manchmal erstaunt an, wenn uns das auffällt.
Ist es sexistisch, wenn Männer nicht mehr ohne weibliche Begleitung oder sogar gar nicht mehr in Clubs gelassen werden?
Das Nachtleben ist ein Spiegel der Gesellschaft und von Sexismus sind auch Männer betroffen.
Weil alle Männer in einen Topf geworfen werden?
Im Prinzip beisst sich hier die “Sexismus-Schlange” in den eigenen Schwanz. Dass gewisse Männer an der Tür abgewiesen werden, hat damit zu tun, dass sich gewisse Männer in Clubs sexistisch verhalten. Dass dabei Männer draussen bleiben müssen, die mit diesem Verhalten nichts am Hut haben, versteht sich insofern von selbst. An den Türen können keine vertieften Kontrollen stattfinden. Wobei ich hier diejenigen Männer, die sich nie sexistisch verhalten, in die Pflicht nehmen würde: Sie sollten aufmerksamer sein, und zum Beispiel sexistisches Verhalten dem Sicherheitspersonal melden. Oder wenigstens den Kollegen kurz an die frische Luft begleiten.
Warum verhalten sich gewisse Männer im Ausgang daneben?
Die Leute wollen sich an den Wochenenden gehen lassen, weil sie oft unter der Woche gefordert werden. Dazu zählen nicht nur Feiern, Tanzen, Alkohol und andere Drogen – sondern auch körperliche Nähe und Sex. Frauen gehen aus denselben Gründen aus. So gesehen ist es quasi ein Match. Aber im Nachtleben gibts einen “Überschuss” an Männern. Meines Wissens nach steht im Schnitt ein Anteil von 60 Prozent Männern einem Anteil von 40 Prozent Frauen gegenüber.
Was können Männer tun, die sich von dem Vorgehen mancher Clubs sexistisch diskriminiert fühlen?
Die Hintergründe dieser Massnahmen kennen, und es nicht persönlich nehmen. Sich mit Frauen anfreunden – das ist ja sowieso keine schlechte Idee. Und mit ihnen ausgehen. Oder sich mit Kolleginnen absprechen. Und: Als anständiger Stammgast kommst du immer in deinen Lieblingsclub rein.
Miram, eine Sprecherin des Veranstaltungskollektivs vom Frauenraum Bern
VICE: Inwiefern achtet Ihr bei Euren Veranstaltungen auf ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis?
Miram: Einige unserer Anlässe sind nur für FLINT* (Frauen*, Lesben*, Inter*, Non-Binary*, Trans*) offen, sprich Cis-Männer sind komplett ausgeschlossen. Die meisten Anlässe sind aber offen für alle Geschlechter, da haben wir keine Regulierung der Cis-Männer. Uns ist es wichtig, dass sich alle wohlfühlen. Der Frauen*raum soll insbesondere für FLINT* und queere Menschen einen Schutzraum bieten. Menschen, die sich übergriffig verhalten und zu viel Raum einnehmen, haben bei uns nichts zu suchen – sie werden des Raumes verwiesen.
Wie findet Ihr es, wenn Cis-Männer nicht mehr ohne weibliche Begleitung, oder sogar überhaupt nicht mehr in Clubs reinkommen?
Dass Cis-Männer ohne weibliche Begleitung nicht mehr reinkommen, finden wir schwierig, da es einem heteronormativen Denken entspringt. Es bedient den Stereotyp, in dem sexualisierte Gewalt vergeschlechtlicht ist, sprich: immer von Männern* gegen Frauen* begangen wird.
Problematisch in dieser Diskussion ist auch, dass queere Menschen nicht mitgedacht werden. Dieses Einteilen in Frau*/Mann* an der Türe kann sehr schwierig sein und Menschen, die sich nicht in diesen Kategorien sehen oder anders gelesen werden (z.B. Non-Binary*, Trans*, Inter*) in unangenehme Situationen bringen. Dieses Problem haben wir auch an FLINT*-Anlässen, wir versuchen aber, sensibel mit dieser Schwierigkeit umzugehen und unser Publikum, und insbesondere jene, die den Einlass machen, darauf zu sensibilisieren.
Dass Cis-Männer anderswo nach einer gewissen Uhrzeit nicht mehr reingelassen werden, um ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis zu haben, können wir nachvollziehen, weil das Nachtleben männlich dominiert ist. Für uns ist es aber nicht der richtige Weg. Wir setzen auf Sensibilisierung und bauen aktuell unsere Awareness-Struktur aus.
Ist es nicht ein bisschen sexistisch, alle Cis-Männer in einen Topf zu werfen?
Wir leben in einer patriarchalen Gesellschaft. Wenn wir keine Cis-Männer reinlassen, dann nicht weil wir männerhassende Feministinnen* sind, sondern da geht es um Empowerment und um einen Schutzraum – ein Gegenentwurf zu der Welt da draussen.
Was ist Eure Message an die Cis-Männer, die sich von diesem Vorgehen sexistisch diskriminiert fühlen?
Dass es eben nicht sexistisch ist. Solange wir in einer patriarchalen Gesellschaft leben und sich Cis-Männer ihrer Privilegien nicht bewusst sind, und diese nicht reflektieren, müssen Gegenentwürfe ausgebaut werden.