Der Noisey Guide zu deiner eigenen Metalband

Früher einmal hieß, eine Metalband zu gründen, sich ein paar Kumpels mit Instrumenten zu schnappen, die gute Jeansweste mit Patches zu verschönern und sich für einige sexlose Tage oder Wochen im eigenen Schlafzimmer zu verkriechen, um bis zum Erbrechen Kiss und Van Halen-Songs zu üben. Leider sind diese unschuldigen und einfacheren Zeiten vorbei. Heutzutage ist Metal eine Riesensache mit tausenden Subgenres, die alle ihre eigenen Regeln (bzw. Regelverstöße) haben. Es sind überaus verwirrende Zeiten für Menschen, die einfach nur ein paar Ärsche treten, sich den Riffs hingeben und auf der Bühne literweise Schweiß verlieren wollen.

Wenn du also eine Metalband gründen möchtest, gibt es einige schwerwiegende Entscheidungen, die du vorab treffen musst. Auf dem Weg dahin, den Göttern Rock und Roll deine Seele zu Füße zu legen, gibt es einige Weggabelungen, an denen du dich für eine Richtung entscheiden musst, und jeder Pfad hat seine eigenen Regeln. Hier unten findest du nun einen Wegweiser durch das Genredickicht und wirst obendrein über die Gefahren aufgeklärt, die am Wegesrand auf dich lauern.

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Theatralisch oder Casual?

Als Metalband willst du entweder dieser übermächtige Behemoth sein, der von den Fans angebetet wird, oder eine Gruppe von Typen aus der Nachbarschaft, die allen zeigen, dass wirklich jeder das hier machen kann, so lange er genug Herzblut investiert. Welcher Kategorie möchtest du angehören?

Theatralisch: Darunter fallen Stadionbands wie Iron Maiden und Rob Zombie, aber auch so gut wie jede skandinavische Black Metal-Kapelle. Niemand will einfach irgendwelche 08/15-Flachpfeifen auf der Bühne sehen, stattdessen möchte man ein richtiges Erlebnis geboten bekommen. Am besten tragt ihr Lederklamotten mit ordentlich Nietenbeschlag, Umhänge mit tiefsitzenden Kapuzen und/oder Corpsepaint. Bei den Liveshows dürfen Feuer, Blut und irgendwelche Schädel auf der Bühne nicht fehlen. Wenn ihr diese drei essentiellen Elemente auffahren könnt, überzeugt ihr das Publikum vielleicht sogar davon, dass ihr nicht nur irgendwelche Spinner seid, die dank der martialischen Schienbeinschoner unter einem Hitzestau leiden.

Schlechte Idee: Halloween-Masken, die ihr im Laden gekauft hast. Versucht nicht, Slipknot zu sein.

Casual: Hervoragende Beispiele für diesen Stil sind frühe Thrashbands aus der Bay Area und die Mehrzahl amerikanischer Death Metal-Bands. Trag einfach das, was du auch sonst anhast—du bist schließlich kein Möchtegerndämon, sondern ein Musiker, der bereit ist, hier alles zu Kleinholz zu verarbeiten. Das Einzige, was sich neben deiner Band auf der Bühne befinden sollte, ist ein riesiger Banner mit eurem Bandlogo drauf. Mach den Kids klar, dass du einer von ihnen bist—so lange sie es nicht wagen, dich anzufassen, wenn sie zum Stagediven auf die Bühne kommen.

Schlechte Idee: Von der Bühne aus über imagebewusste Bands herziehen. So klingst du nur wie jemand, der neidisch auf das Show-Budget der Anderen ist.

Der Mittelweg: Thrasher mit Spikes. Nimm zum Beispiel Slayer oder Skeletonwitch. Nur, weil du keinen Zirkus veranstaltest, heißt das nicht, dass du dir nicht ein paar Patronengurte und Stulpen überstreifen darfst.

Traditionell oder progressiv?

Metal ist heutzutage ein ziemlich ausgeschlachtetes Genre. Wirst du den alten Göttern huldigen und in ihre Fußstapfen treten oder deine Kreativität dafür nutzen, deinen eigenen Pfad zu beschreiten?

Traditionell: Dazu gehören Bands wie Exodus, Manilla Road oder Holy Grail. Scheiß auf die ganzen Hipster—Denim und Leder sind alles, was du brauchst. Konzentriere dich voll und ganz auf geile Riffs, galoppierende Drums, abgefahrene Soli und eine ordentliche Headbang-Choreo. Du hast mindestens ein NWOBHM-Tattoo und ein Slayer-Cover—nur von den ersten vier Alben versteht sich—im Repertoire, das du jederzeit bringen kannst. Trinke Whiskey und bete alles mit Titten an.

Schlechte Idee: Abstraktes Artwork. Deine Alben ziert nur ein gehörntes Tier oder irgendetwas mit martialischen Waffen—gerne auch in Kombination.

Progressiv: Darunter fallen die neueren Enslaved, Wolves In The Throne Room, Deafheaven. Jungs, wir sind keine Höhlenmenschen mehr. Wir können sehr wohl verkopft sein und kurze Haare tragen. Deine Musik sollte dissonant sein, über ruhige Passagen verfügen und in emotionalen Crescendos aufgehen. Schreibe Songs über philosophische Theorien, die mentalen Auswirkungen von Sex und den unaufhörlichen Verfall der Umwelt.

Schlechte Idee: Homophobie. Du weißt schon, dass die Typen von Cynic schwul sind, oder?

Der Mittelweg: Death Metal in der Schuldiner-Tradition. Du kannst durchaus brutale Musik machen, auch wenn der Basslauf deutlich zu hören ist und du in deinen Texten Psychologie-Konzepte behandelst.

Satanisch oder nordisch?

Seit dem ersten Black Sabbath-Album hat der Teufel seinen angestammten Platz in der extremen Musik. Ist es aber nicht langsam an der Zeit, den Beelzebub links liegen zu lassen und sich etwas wirklich Bösem zu widmen?

Satanisch: Nur zu: Pentagramme, umgedrehte Kreuze, Baphomet-Bilder—davon gibt es reichlich und du kannst dich an einem bunten Strauß sinistrer Zeichen und Symbole bedienen. Verwende in deinen Texten Worte wie „qlippoth“, „Ghenna“ und „blasphemic“ und schreibe für jede Art, auf die du Jesus gerne umbringen würdest, einen eigenen Song. Wenn man dich in Interviews zu dem Thema befragt, sollte deine Antwort beinhalten, dass Satan nicht nur diese Kreatur mit Hufen ist, sondern auch der Gott der Freiheit, eine Lebenseinstellung oder einfach dieses Gefühl, das in uns allen schlummert.

Schlechte Idee: Später in der Karriere deinen Satanismus als bescheuerte Jugendsünde abzutun. Es gibt wohl keine drastischere Art, sich jeglicher Aura zu entledigen.

Nordisch: Das ist der haarigere Pfad. Satanisten sind im Endeffekt eigentlich auch nur eine andere Form von Christen. Odin und die Asen hingegen haben den ganzen Scheiß schon lange davor gemacht. Trage Mjölnir-Kettchen und hör nie auf, andere Menschen über die korrekte Aussprache von Mjölnir zu belehren. Lass dir einen langen Bart wachsen, trage irgendwelches Zeug mit geflochtenem Leder und trinke Met aus einem Horn. Außerdem solltest du fleißig Folk-Metal hören, aber nur das harte Zeug. Stell sicher, dass du deine Terminologie im Griff hast—es heißt nicht Apokalypse sondern Ragnarök und statt der Hölle gibt es Hel.

Schlechte Idee: Shorts. Wenn dir zu heiß ist, dann trägst du gefälligst einen verdammten Kilt, du Arschloch!

Der Mittelweg: Lovecraft’sche Misanthropie. Keine Haare, keine Trinkhörner, einfach nur das Verlangen, gigantischen Tintenfischen dabei zuzuschauen, wie sie sich gegenseitig mit magischem Feuer an die Gurgel gehen.

Technisch oder schlampig?

Die Haupteinflüsse von Metal sind bluesiger Rock und barocke Klassikmusik, aber wenn wir mal ehrlich sind, war es eine ziemlich öde Angelegenheit, bis Punk auf der Bildfläche erschienen ist. Verschreibst du dich dem totalen Chaos oder achtest du lieber auf die korrekte Fingerstellung?

Technisch: Children of Bodom, Meshuggah, Brain Drill, Origin. Sei kein fauler Sack—schließ dich ein und spiel Tonleitern bis deine Finger bluten. Solos müssen minutiös ausgearbeitet sein und die Produktion so klar und knackig klingen wie frisch geernteter Salat. Darum geht es doch beim Metal: Kunstfertigkeit und perfekten Sound. Punk ist doch eh nur dieses Ding mit den Frisuren, oder?

Schlechte Idee: Einen Malmsteen hinlegen. Niemand interessiert sich einen feuchten Furz dafür, wie schnell deine Fingerchen über das Griffbrett gleiten, wenn du keinen vernünftigen Song schreiben kannst.

Schlampig: Darkthrone, Midnight, Impaled, Pig Destroyer. Sei kein verdammter Nerd. Wenn interessiert schon, ob du jeden Ton triffst, so lange du wirklich alles gibst? Behandle dein Instrument so, wie männliche Pornodarsteller mit Sasha Grey umgehen. Sauf in rauen Mengen und wirf dir ordentlich Drogen ein—oder sei militanter Straight Edger. Auf der Bühne rastest du komplett aus. Wirf dich auf den Boden, schneid dir die Arme auf und kotz durch die Gegend. Darum geht es doch beim Metal: ungezügelte Energie. Classic Metal ist doch eh nur dieses Ding mit den Frisuren, oder?

Schlechte Idee: Voll Discharge gehen. Deine Schlampigkeit soll weder etwas Künstlerisches noch etwas Glamouröses sein.

Mittelweg: Stoner und Sludge. Es ist auch technische Musik, wenn du alle dreißig Sekunden diese eine Note anschlägst, die bei allen die Eingeweide vibrieren lässt.

Lustig oder ernst?

Beim Metal geht es doch nur darum, ein paar Bier zu trinken und mit den Kumpels abzuhängen, oder? Falsch. Es geht um die Erhabenheit des Universums, du Arschloch. Bist du bloß der Klassenclown oder ein ernstzunehmender Künstler?

Lustig: The Black Dahlia Murder, Gama Bomb, GWAR. Du singst vielleicht über Dämonen und Düsternis, aber, Hand aufs Herz, eigentlich bist du nur ein ganz normaler Typ mit einer ordentlichen Schicht Eichelkäse. Du hängst mit deinen Fans ab, nimmst dich in deinen eigenen Videos nicht zu ernst und hattest schon mal jemanden in einem Tacokostüm auf der Bühne stehen. Du lebst für Bier und Gras, also solltest du auch sicherstellen, dass Gras und Bier ein fester Bestandteil deiner Ikonografie sind. Falls dich jemand zu ernst nehmen sollte, machst du einfach eine Wichsgeste in seine Richtung.

Schlechte Idee: Ironie. Metal kann lustig sein, aber es ist und bleibt die geilste Musik da draußen—für immer.

Ernst: Triptykon, Unleashed, Danzig (!). Wenn du unbedingt lachen willst, dann lass dich durchkitzeln. Das hier ist Metal. Auf Bandfotos wird definitiv nicht gelächelt. Weigere dich zu lachen oder in Interviews irgendwelche Touranekdoten zu erzählen. Falls du jemals in deiner Karriere Teil eines lahmen oder nicht ganz ernst gemeinten Projekts warst, bestreite das aufs Heftigste. Trag Militärklamotten oder wenigsten Zeug, das danach aussieht. Schreibe Texte über historische Themen und Aleister Crowley. Lass dich niemals dabei sehen, wie du dich besäufst.

Schlechte Idee: Dich öffentlich gegenüber den ganzen Spaßvögel auslassen. Für denn Fall, dass du das doch tust, solltest du dich mental besser auf eine Menge Wichsgesten vorbereiten.

Der Mittelweg: Sozialbewusst. Du kannst total locker sein und dich über die meisten Sachen lustig machen, aber nicht über Tierrechte. Nie-mals.

Bei einigen dieser Punkte wird man schon ein paar Kompromisse eingehen können, oder? Die Antwort lautet: Nein! Kompromisse sind so wenig Metal, wie sonst kaum etwas auf der Welt. Egal aber, für welchen Weg du dich entscheidest—den der coolen, biersaufenden, aufs Wesentliche reduzierten Band mit den Jungs von nebenan oder den der durch und durch bösen leibhaftigen Ausgeburt der Hölle, die auf der Bühne Feuer spuckt und keine Miene verzieht—wir hoffen, dass du besorgten Eltern auf der ganzen Welt das Fürchten lehrst und dir deine Patches mit Zahnseide auf deine Kutte nähst. Du musst nur sicherstellen, dass sich der Drogenkonsum eures Drummers in Grenzen hält, die Bandcamp-Seite ab und an mal auf den neuesten Stand gebracht wird und niemals vergessen: Falls die Band scheiße ist, dann ist sie nur ein Nebenprojekt.


Chris Krovatin hat einmal Kerry King auf einer Party einen geblasen. Weil er dabei aber laut „SLAYER“ geschrien hat, ist er nicht schwul. Folge ihm bei Twitter.

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