So könnte der Supermarkt der Zukunft aussehen

„So wird der Supermarkt der Zukunft aussehen”, sagt Luca Setti, der Coop-Manager des Future Food District, als ich das große, rechteckige Gebäude in Mailand betrete.

Es regnet und ich komme eine Stunde zu spät zu meinem Termin. „Es ist mitten auf der Hauptstraße der Expo, gleich beim spanischen Pavillon. Wenn du dort bist, kannst du es nicht mehr verfehlen”, höre ich jedes Mal, wenn ich nach dem Weg frage. So einfach ist es aber nicht. Die Ausstellungsfläche der Expo 2015 in Mailand erstreckt sich über 1,1 Millionen Quadratmeter. Dieses Jahr lautet das Motto: „Den Planeten ernähren, Energie für das Leben” und um mich herum scharen sich Schulkinder und Gruppen älterer Leute, die aufgeregt von einer zur anderen Seite drängen, vom sudanesischen Pavillon, der wie ein großes typisch sudanesisches Haus in der Wüste gebaut wurde, bis hin zur riesigen, mit einem LCD-Screen ausgestatteten Mühle am Eingang des thailändischen Pavillons.

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COOP, die größte Supermarktkette Italiens, baute als Installation für die Messe einen Prototypen eines Supermarktes der Zukunft. Für die Umsetzung der Idee arbeitete Coop mit Accenture, einem amerikanischen Management Consulting- und Technologie-Services-Unternehmen, und Carlo Ratti, dem Leiter des Senseable City Laboratory des MIT, zusammen.

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Alle Fotos von Fabio Sanna von Accenture Multimedia Agency, Accenture S.P.A.

Ratti hatte bereits eine Idee im Kopf, die er gerne realisieren wollte, als sein Studio von Coop mit dem Projekt beauftragt wurde. Die Inspiration dafür zog er aus der Literatur. Wie der Professor erklärt: „Mir gefiel das Bild von Herr Palomar von Italo Calvino immer schon gut. Der Protagonist taucht in eine Pariser fromagerie ein, die den Eindruck eines Museums oder einer Enzyklopädie erweckt”, sagt er. „Dieses Geschäft ist ein Museum: Herr Palomar spürt, wie wenn er den Louvre besucht, hinter jedem ausgestellten Objekt die Präsenz einer Zivilisation, die dem Objekt Form gibt und durch welches die Zivilisation Form annimmt.”

Die Inspiration mag vielleicht ein bisschen ungewöhnlich sein, das Ergebnis ist jedoch überraschend—und wunderschön. Für mich ging es beim Einkaufen gehen nie wirklich um das Erlebnis, es war einfach eine zweckdienliche Handlung fürs Überleben: rein, Lebensmittel, raus. Dieses Mal war es aber anders. Wenn ich Geld hätte, würde ich Stunden in diesem Coop verbringen und alles kaufen, was es gibt—vom Wein bis hin zu den Orangen, die direkt vor meiner Nase von Robotern mit mechanischen Händen eingepackt werden.

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Als ich das Geschäft betrete, stehe ich in der Obst- und Gemüseabteilung: Es fängt mit frischen Tomaten an und geht bis zu Tomatensauce in Dosen, oder von Trauben bis zu Weinflaschen.

Im Supermarkt der Zukunft gibt es außerdem keine Regale, mit gutem Grund. Lebensmittel kaufen, sollte ein Moment des Austauschs und der Interaktion sein, nicht die lästige Pflicht, die es für die meisten Leute darstellt. Wie Ratti mir erklärt: „Wir interessieren uns vor allem für menschliche Interaktionen, Interaktionen zwischen einer Person und einem Produkt und zwischen einer Person und einer anderen.”

Wenn Kunden in diesem Coop-Supermarkt Bananen kaufen, sehen sie also nicht nur die Person vor ihnen, die Ananas in der Dose kauft, sondern vielleicht entsteht auch ein Gespräch.

Diese Interaktion zwischen Kunden wird dadurch ermöglicht, dass Coop die normalen Supermarktregale durch lange, niedrige Holztische ersetzt hat. „Es ist wie wenn man einen regionalen Markt betritt”, sagt Alfredo Richelmi, Senior Manager bei Accenture, mit einem Lächeln und fügt hinzu: „Die Leute müssen sich gegenseitig sehen, deshalb haben wir so niedrige Tische gebaut.”

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Die Logistik, die einer solchen Umgebung zugrunde liegt, ist keine einfache Aufgabe. „Das da drüben”, erklärt Setti, „sind Lifte, die beim Nachfüllen helfen sollen. Dadurch können wir weniger Produkte auf die Tische stellen, was einladender aussieht.”

Über den Tischen mit den Produkten befinden sich „die Segel”, wie Richelmi sie mit einem Lächeln und ein bisschen Stolz nennt, eine Reihe von schwarzen Bildschirmen, die nebeneinander angebracht sind und über der gesamten Produktionskette schweben. Als ich mich auf sie zu bewege, leuchten sie auf. Ich nehme eine Tomate in die Hand und plötzlich erscheinen auf dem Screen vor mir Informationen über die Herkunft der Tomate, ihre Nährwertangaben und sogar ihre CO2-Bilanz.

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Am Vorabend meines Besuchs hatte ich Radicchio gegessen. Ich wollte mehr über mein Abendessen erfahren und suchte nach dem violett-weißen Chicorée. Als ich davor stehe, nehme ich ihn in die Hand und lese, dass er Vitamin B1, B2, B3, B5, C, E, K, J und P enthält und dass er eine sehr niedrige CO2-Bilanz hat. Das erkenne ich durch die leuchtend grüne Silhouette eines Fußabdrucks mit einer Prozentskala. Umweltfreundliche Vitamine—ein richtiges Schnäppchen.

„Sehen Sie die hier?”, fragt mich der Retail Lead Alberto Pozzi und zeigt dabei auf drei kleine rote Punkte am unteren Ende des Bildschirms. „Das ist eine Kinect, eine Technologie zur Gestenerkennung. Um die interaktiven Tische und die vertikalen Regale zu schaffen, verwendeten wir einfach eine ausgereifte Gaming-Technologie und wendeten sie auf einen anderen Zweck an.”

Der Supermarkt der Zukunft kommt einem wie das Paradies eines jeden Gesundheitsfreaks vor. Die Kunden können eine App herunterladen, in die sie ihre bevorzugte Ernährungsweise eingeben können (zum Beispiel vegetarisch oder kohlenhydratarm), woraufhin die App mit Hilfe eines Algorithmus die besten Produkte im Angebot des Supermarkts vorschlägt. Wer wissen möchte, was alle anderen im Supermarkt so kaufen, kann sich die Infografik auf der großen Wand beim Ausgang ansehen, die alle Daten des Supermarktes visualisiert und ein Ranking mit den meist gekauften Produkten anzeigt. Als ich gerade den Supermarkt besuche—an einem Donnerstag Mittag, ist Bier das am zweitmeisten gekaufte Produkt. Die Tabellen und Infografiken auf der Wand des Supermarkts lassen die Vanilla Sky-Technologie im Vergleich ziemlich alt aussehen, trotzdem kommt mir das Feature recht sinnlos vor mit dem einzigen Zweck, zu beeindrucken.

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Direkt hinter mir befindet sich eine Kühlzelle, in der sich Fleisch und Fisch befindet—in Prototypen von Verpackungen wie sie 2020 oder 2050 aussehen könnten. „Die Idee dahinter”, erklärt Setti, „ist Verpackungen zu schaffen, in denen das Essen im Interesse der Kunden sowie der Umwelt viel länger hält. Wir müssen nur daran denken, wie viele Lebensmittel weggeworfen werden, weil sie abgelaufen oder schlecht sind. Weniger Müll, weniger Emissionen, weniger Verpackungen.”

Ich frage Pozzi, ob das hier der Supermarkt der Zukunft für Reiche oder für alle ist. „Sehen Sie sich die Preise an”, antwortet er. Und die Preise entsprechen in der Tat denen normaler Supermärkte. Was wirklich teuer ist, ist der Supermarkt selbst: Nach anfänglicher Zurückhaltung erfahre ich, dass er 15 Millionen Euro gekostet hat.

Derzeit gibt es noch keinen fixen Plan, den Prototypen in einen realen Supermarkt zu verwandeln. Wie Ratti am Ende unseres E-Mail-Austausches so schön zusammenfasst: „Es ist ein Experiment, von dem wir alle wichtige Lektionen lernen können, von denen manche später vielleicht in der echten Welt umgesetzt werden. Alan Kay sagte immer, ‚Die beste Methode, die Zukunft vorherzusagen, besteht darin, sie zu erfinden.’ Wenn das stimmt, dann ist es unerlässlich, dass wir alle zu diesem Bestreben beitragen: eine Zukunft zu schaffen, die uns allen gehört.”