​So missbrauchen Pegida & Co. das Attentat von Paris

Lest hier alles rund um den Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo in Paris: #JeSuisCharlie

Vorgestern wurden in Paris bei dem Anschlag auf Charlie Hebdo 12 Menschen ermordet und mindestens fünf schwer verletzt. Zwei der drei Täter sind immer noch auf der Flucht. Dieses furchtbare Ereignis wurde schon Minuten, nachdem die ersten Meldungen erschienen, auf zynischste Weise von deutschen Islamgegnern und Pegida-Gängern instrumentalisiert, die sich durch die Terrorattacke anscheinend bestätigt fühlen.

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Trotzdem scheinen sich die üblichen Verdächtigen des deutschen Reaktionismus berufen zu fühlen, den Anschlag für ihre eigene Agenda zu nutzen. Pegida und Pegida-Apologeten behaupten, sich vom Islamismus bedroht zu fühlen. Die Kritik, die von dieser Seite am Islam geübt wird, ist aber höchstens oberflächlich. Es geht um eine dumpfe Angst, die Stereotypen von „überfremdeten” Städten und „Kopftuchmädchen” rauskramt, um immer mehr Leuten genau dieselbe Angst einzuflößen. Während in Österreich die Pegida-Bewegung erst langsam ihren Anfang nimmt, steht sie in Deutschland auf der politischen Tagesordnung.

Erika Steinbach (CDU), Mitglied des Bundestages und bis vor Kurzem Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, ist kein Fettnäpfchen fremd. Unter anderen bestand sie darauf, dass die NSDAP eine sozialistische Partei gewesen sei, vermutlich um ihre Abneigung gegenüber all dem zu demonstrieren, was links ihrer politischen Meinung liegt. Gestern postete sie auf Twitter folgendes Statement:

Selbst wenn man den unsäglichen Zwinkersmiley ignoriert, zeigt sich hier die gleiche Geisteshaltung wie bei Pegida. Auch hier wird mit Angst gespielt. Weil jede Kritik am Islam führt nach dieser Logik zur Enthauptung oder eben einem Terroranschlag. Dass Steinbach so Millionen Menschen unter Generalverdacht stellt, scheint ihr komplett egal zu sein.

Pegida selbst äußerte sich natürlich ebenfalls.

Oder anders ausgedrückt: „Ich hab’s euch doch gesagt!” Und zusätzlich tut man das, was man am besten kann. Unbegründete Ängste schüren und gleichzeitig diejenigen angreifen, die sich gegen diese Form der Angstmacherei aussprechen. Natürlich werden am Montag wieder eine Menge Menschen gegen Pegida auf die Straße gehen. Weil es offensichtlich in Deutschland weit mehr Menschen gibt, die keine Angst vor Fremden haben als die paar Wenigen, deren größtes Problem das zu sein scheint. Besonders zynisch ist die Instrumentalisierung der 12 Toten, die zu einem Großteil zum anderen großen Feindbild der Pegida gehört haben: der „ Lügenpresse” nämlich. Genau die Leute, die sich zu Lebzeiten noch gegen Totalitarismus und extremistisches Gedankengut eingesetzt haben, werden schon Stunden nach ihrem Tod zu Märtyrern einer Bewegung, die sich dem genauen Gegenteil verschrieben hat.

Natürlich bleibt auch Jürgen Elsässer nicht leise und schreibt auf Facebook: „Der Terror in Paris zeigt, wie Recht Pegida hat! Protestiert gegen den Terror, und nicht gegen Pegida!” Der Terror in Paris hat nichts mit Pegida zu tun, genauso wie er nichts mit dem Islam zu tun hat, den Millionen Muslime in Deutschland und Frankreich jeden Tag leben. Es gibt nicht mal gesicherte Erkenntnisse über die Beweggründe der Terroristen. Elsässers Statement ist nur ein weiterer Beweis für sein einfaches Weltbild. Diejenigen, die gegen Pegida sind, sind für den Terror. Daneben gibt es nichts. Man könnte seine Sichtweise verstehen, würde es bei Pegida tatsächlich gegen den Terror gehen. Tut’s aber nicht. Es geht darum, dass Menschen Angst haben und versucht wird, denjenigen Angst zu machen, die noch keine haben. Und genau darum geht es auch den Terroristen.

Matthias Matussek ist einer von Deutschlands alten weißen Männern. Der ehemalige Spiegel-Redakteur meldet sich gern zu Wort, wenn es darum geht, Minderheiten zu bashen oder sich generell gegen eine von ihm und seinen Leidensgenossen (ebenfalls in der Mehrzahl alte weiße Männer) imaginierte politisch korrekte Meinungsdiktatur zu stellen. Im Dezember hatte er Pegida-Gegner noch als HJ-Pöbel bezeichnet, nach dem gestrigen Terroranschlag legt er erneut nach und beschimpft auf Facebook nicht nur zwei (ebenfalls eher konservative) Journalisten, die seine Meinung nicht teilen, sondern geht noch weiter: „Nun, ich finde schrecklich, was in Paris passierte, doch ich habe es erwartet, denn ich bin ein ,Pegida-Versteher’, ich verstehe die Angst vor dem Islamismus nicht nur, ich teile sie …” Er fährt fort, dass der Anschlag seine Befürchtungen und die der Pegida nur bestätigen. Natürlich passt Pegida sehr gut zu Matussek und seinem Weltbild, denn bei der Islamismus-Kritik der Pegida geht es ja eben darum eigentlich nicht. Es geht nur um ein Gefühl. Das Gefühl, bald vielleicht nicht mehr Weihnachten feiern zu dürfen oder das Gefühl, vor Islamisten Angst haben zu müssen.

Natürlich darf auch die AfD nicht fehlen, Alexander Gauland lässt gestern dieses Statement verbreiten: „Vor [dem Terroranschlag] erhalten die Forderungen von Pegida besondere Aktualität und Gewicht. Die Altparteien sollten sich sehr gut überlegen, ob sie bei ihrer Haltung, die Menschen von Pegida weiterhin zu diffamieren, bleiben wollen.” Man weiß noch nicht sehr viel über die Attentäter in Frankreich, was man aber weiß, ist, dass zumindest zwei von ihnen einen französischen Pass haben. Selbst wenn man davon ausgehen muss, dass es einen islamistischen Zusammenhang gibt, handelt es sich doch eher um ein Problem im Umgang mit Immigranten und deren Kindern, wovon im Positionspapier von Pegida keine Rede ist. Was wäre denn die Forderung von Pegida in diesem Fall? Abschiebung ins Heimatland? Also nach Frankreich?

Dass von Pegida und den Kommentatoren nicht ein Gedanke an die Toten und ihre Verwandten verschwendet wird und man lieber die Schuld an einem sinnlosen Massaker bei Menschen sucht, die rein gar nichts damit zu tun haben, zeigt einmal mehr, wie hasserfüllt und traurig Pegida und seine Anhänger sind. Die „Ich hab’s euch doch gesagt”-Haltung, wie sie von diesen Menschen an den Tag gelegt wird, ist nicht mehr als ein Beweis für das eigene angsterfüllte Weltbild, in dem nur Schwarz und Weiß existieren. Und in dem jeder Muslim ein Massenmörder ist. Als wir zum letzten Mal nachgeschaut haben, gehörte zu diesem sogenannten „christlichen Abendland”, das offensichtlich dringend der Verteidigung in den Kommentarspalten bedarf, doch eigentlich eher, dass man mit Trauer und Mitgefühl den Toten und ihren Angehörigen gegenüber reagiert, statt aus dem Stand heraus Hass zu schüren.

Stefan ist auf Twitter.

Foto von Grey Hutton