Collage aus Fotos von: Gage Skidmore | Wikimedia 1/2 | CC BY-SA 2.0/3.0
Théoden: “Was kann der Mensch gegen solch tollkühnen Hass ausrichten?”
Aragorn: “Reitet raus mit mir. Reitet raus und kämpft.”
Der Herr der Ringe – Die zwei Türme
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Seien wir mal ehrlich: So richtig ist es immer noch nicht angekommen. Fast jeden Tag bekommen wir eine neue Dosis Irrsinn aus dem Weißen Haus unter Trump aufgetischt, jeden Tag regen wir uns darüber auf und wundern uns, mit welcher Geschwindigkeit der neue Präsident alle Regeln über Bord wirft. Wir sehen das, wir sind verstört – aber tief drin glauben viele von uns immer noch nicht, dass uns das wirklich etwas angeht.
Das ist ein Fehler, den wir irgendwann bereuen könnten. Denn wenn Trumps Sieg für die einen wie ein lähmender Schock gewirkt hat – für die anderen war er eine Adrenalinspritze direkt ins Herz. Rechtspopulisten in ganz Europa wittern gerade eine echte Chance. In Frankreich und den Niederlanden könnten sie im Frühjahr sogar an die Macht kommen; in Deutschland ist es gut möglich, dass die AfD mit zweistelligem Ergebnis im Bundestag landet. Wenn das passiert, werden die Folgen für uns alle plötzlich ziemlich real.
Aber hier die gute Nachricht: Bis zur Bundestagswahl am 24. September bleiben noch über sieben Monate. Zeit genug, um sich gegen den populistischen Bullshit zu wehren. Zum Beispiel mit der ersten von fünf Möglichkeiten aus dem VICE-Guide zu demokratischen Selbstverteidigung: die besten Widerworte, um Streit zu gewinnen.
So ticken Populisten: Und so verwendest du es gegen sie
Populistinnen und Populisten spielen die mutigen Kämpfer gegen die böse Macht, die sich am “guten Volk” vergeht. Nur: “Das Volk”, das Böse, von dem sie reden, gibt es nicht. Und dein Ziel ist es, ihnen das nachzuweisen. Nur wie?
Zum Beispiel, indem du verstehst, wie sie ticken. Und es dann gegen sie verwendest.
Einer, der sich mit der Denkweise der Populisten beschäftigt, ist der Neurologe Thomas Grüter. Er hat auch ein Buch über Verschwörungstheorien geschrieben. Der erste Trick der Populisten sei es, sagt er zu VICE, ihre eigene Anhängerschaft zu einer Gruppe – zum Volk – zu erklären. Sie geben sich als vermeintliche Retter und Repräsentanten der Bevölkerung, die unterdrückt werden vom Establishment und den Systemparteien. “Marine Le Pen macht das mit ihren Anhängern sehr geschickt. Auch Trump hat darin viel Übung.”
Der Slogan des Front National für 2017 lautet: “Au nom du peuple” (Im Namen des Volkes). Und auch laut Le Monde inszeniert sich Le Pen als eine Kandidatin aller Franzosen “jenseits unserer Meinungsunterschiede und Parteipräferenzen”. Trump versammelt seine Fans in einem Flugzeughangar und sagt, er wolle direkt zu ihnen sprechen und nicht über die “Fake News”-Presse.
Damit ihre Anhänger sich als Gruppe auch nach außen abgrenzen, ziehen die Populisten Feindbilder hoch: die Ausländer, die Politik, die Presse. Und dann profitieren sie von der selbstgemachten Angst und Wut. (“Jetzt geht es euch noch gut, aber wenn” – füge beliebigen Bösewicht ein – “kommt, wird es euch nicht mehr gut gehen. Wählt uns, dann verschwinden eure Probleme von selbst.”)
Es ist ein so uralter Schalter: Der Trick hat einen Bart. Einen Hitlerbart.
Der Historiker Timothy Snyder zieht einen Vergleich zwischen den USA heute und Deutschland in den 30ern: “Man nimmt eine ungefährliche, gesellschaftlich integrierte Minderheit heraus und macht sie verantwortlich für eine globale Bedrohung. Was damals die Juden waren, geschieht heute mit den Muslimen.” Sowohl Trump als auch die Nationalsozialisten instrumentalisierten Anschläge zum eigenen Vorteil. Damals war es der Reichstagsbrand, heute sind es terroristische Anschläge – zur Not auch erfundene in Schweden. Ist dann wirklich was passiert, können die Machthaber den Ausnahmezustand nutzen, um Macht an sich zu reißen.
Dass das Vorgehen der Populisten immer noch so gut funktioniert, hat evolutionäre Gründe, sagt Grüter. Über Millionen Jahre zogen Menschen und ihre Vorfahren in Gruppen durch die Steppe: Und weil das Überleben des Einzelnen vom Überleben der Gruppe abhing, ist es noch heute grundsätzlich so, dass sich Mitglieder einer Gruppe uneigennützig helfen. Aber bei fremden Gruppen gilt: “Anfängliches Misstrauen war ein evolutionärer Vorteil.”
Die populistische Argumentation beruht also darauf, dieses uralte Gefühl des Misstrauens gegenüber Fremden zu manipulieren. “Das Wichtigste in einer Diskussion ist deshalb, dieses Gefühl aufzubrechen, dass man es mit Angehörigen einer fremden Gruppe zu tun habe”, sagt Grüter. “ Damit zieht man den Rechtspopulisten den Teppich weg.”
Besonders schwungvoll gelinge das erzählerisch, sagt Florian Hartleb. Er ist Politikwissenschaftler und Autor des Buches Die Stunde der Populisten. Wie sich unsere Politik trumpetisiert und was wir dagegen tun können. “Empathie erreiche ich dann, wenn ich persönliche Erfahrungen gemacht habe”, sagte Hartleb zu VICE, “zum Beispiel im Flüchtlingsheim. Dagegen kann mein Gegenüber schwer was sagen.”
Aus eigener Erfahrung zu erzählen, ist kein neues Mittel in Diskussionen. Populisten machen das auch – nur eben mit Gerüchten, und um unzählige Ecken (“Der Bruder der Freundin einer Bekannten der Kollegin meiner Schwester wurde von den Flüchtlingen verprügelt!!11!!”). Ja, was soll man dagegen sagen?
“In einer Diskussion sollte man sich auch klarmachen, dass Misstrauen gegenüber Fremden im Kern immer da ist”, sagt Thomas Grüter. “Jemand, der so fühlt, ist nicht automatisch rechts.” Was da fehle, sei im Zweifelsfall nicht Empathie, sondern Erfahrung. Denn so funktioniert das nun mal: Gegen unbestimmte Ängste helfen nur konkrete Erfahrungen. Was übrigens auch erklärt, warum Rechtspopulisten ausgerechnet dort besonders erfolgreich sind, wo die wenigsten Einwanderer leben.
Das angeborene Misstrauen ausbrechen zu lassen, sei einfach, sagt Grüter. Das müsse man im Kopf haben: Es ist menschlich. Anders sei das, wenn man die Leute dazu bekommen will, zusammenzuarbeiten: “Die Zusammenarbeit verschiedener Gruppen ist eine andauernde Arbeit. Das Misstrauen schläft immer im Hintergrund, es kann leicht geweckt werden. Unser Problem ist aktuell, dass viele entdeckt haben, dass sie dieses Misstrauen im eigenen Interesse hochziehen können.” Zum Beispiel, indem sie die Schuld an Missständen bei den Flüchtlingen verorten.
Wenn man sie lässt.
Denn es gibt noch ein Argument, das gegen Rechtspopulismus hilft: die Logik der Willkommenskultur, die Logik der vielen Gruppen. Ein Mensch, sagt Grüter, könne gleichzeitig Sachse, Pakistaner, Deutscher und Europäer sein; Zocker und Mitglied im Anglerclub.
Was Populisten machen, ist Menschen auf ihre Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu reduzieren (“Die JUDEN!” “Die MUSLIME!” “Die FLÜCHTLINGE!”). “Aber Menschen sind Mitglieder in mehr als einer Gruppe”, sagt Grüter. Und sie wachsen auch schnell zu neuen Gruppen zusammen: In Studien wurden einander völlig Unbekannte zufällig in Gruppen eingeteilt. Das allein reichte schon, um Zusammenhalt zu erzeugen. Wie gut das funktioniert, zeigt dieses Video, das zum viralen Hit wurde:
Menschen wollen zusammengehören. In vielen Gruppen: Damit lässt sich arbeiten . Wider denen, die meinen, sie zum eigenen Profit gegeneinander ausspielen zu dürfen. “Diskutieren mit Populisten ist nicht einfach”, sagt Grüter. Eine Frage der Übung ist, dass die richtigen Argumente im richtigen Moment kommen. So wie dem CNN-Journalisten Jake Tapper, der kürzlich Trumps Beraterin Kellyanne Conway in einem Interview dazu brachte, sich öffentlich für Trump zu entschuldigen.
Also: Widerworte.
Im zweiten Teil des VICE-Guides zur demokratischen Selbstverteidigung heißt es: So beeinflusst du die Entscheidungen des Bundestags.