Fotos: Lisa Reisch
Irgendwann an diesem Nachmittag fragte ich mich, was wohl ein Bauer denken müsste, wenn er uns hier entdecken würde. Die Sonne brannte vom Himmel. Wir hatten Durst und schon seit Stunden robbten wir durch dieses Maisfeld. Drei Deutsche, die in Militärklamotten auf dem Boden herumkriechen—in Polen. Da hätte man mit Sicherheit ein bisschen was klarstellen müssen, was wahrscheinlich nicht ganz so einfach geworden wäre. Allem voran die Frage: Wie bin ich hier eigentlich reingeraten?
Marcus Müller ist Tierschützer, Veganer und Aktivist. Seit 20 Jahren dokumentiert Marcus Missstände in der Massentierhaltung, Tierquälereien und sonstige Sauereien, die der Mensch mit Tieren anstellt. Damals in seiner frühesten Jugend schnappte er sich den alten Camcorder seines Vaters, setzte sich auf sein Fahrrad und fuhr los, um die Zustände in den Putenmastbetrieben der näheren Umgebung seiner bayrischen Heimat zu dokumentieren. Das Ergebnis war, dass aus dem passionierten Fleischesser von einem Tag auf den anderen ein radikaler Veganer wurde, der jede Form der Tierhaltung ablehnt. Bis heute arbeitet Marcus immer nach demselben Prinzip. Er geht dahin, wo Menschen Tiere aus gewerblichen Zwecken halten, macht Bilder davon und versucht diese Bilder einer größeren Öffentlichkeit zu zeigen. Bilder, die uns in den meisten Fällen vorenthalten werden, denn würden wir wissen, unter welchen Umständen unsere Steaks ins Kühlregal kommen und die Eier in die Kartons, dann würde uns der Appetit darauf schnell vergehen.
Auf der anderen Seite kann keiner von uns behaupten, diese Bilder noch nicht gesehen zu haben. Jeder von uns hat schon Aufnahmen aus den Mastbetrieben gesehen. Jeder von uns kennt die Missstände der Massentierhaltung und trotzdem ändern nur die wenigsten von uns ihr Verhalten. Immer wieder fallen wir auf die bunte Welt der Werbung rein, die uns das Märchen vom glücklichen Bauernhof suggeriert. Fröhliche Rinder auf saftig grünen Wiesen. Hühner in vollem Federkleid. Schweine, die sich zufrieden im Dreck suhlen—alles gelogen. Es ist ein eingespieltes System aus Propaganda und ignoranter Ahnungslosigkeit, welches die Lebensmittelindustrie am Laufen hält, und alle machen mit.
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Produzenten und Konsumenten sind gefangen in einem immer größer werdenden Hunger nach billigen Lebensmitteln, die dementsprechend billig produziert werden müssen. Tiere sind dieser Logik zufolge nur noch fleisch-, eier- oder milchliefernde Maschinen, und werden auch genau wie Maschinen behandelt. Wenn sie kaputtgehen, werden sie weggeworfen. So ist das halt. Als umso wichtiger empfindet Marcus Müller deshalb seine Arbeit, mit der er immer wieder versucht, uns ins Bewusstsein zu rufen, was unser Konsum tatsächlich anrichtet. Und offensichtlich geht er dabei weiter als normale Menschen. Wer 250 Tage im Jahr durch ganz Europa fährt, um alle möglichen Arten von Tierquälerei zu filmen, und das seit Jahren, der muss ein wenig irre sein. Irre oder konsequent oder radikal. Marcus Müller ist alles auf einmal.
Nachts in thüringischen Hühnerfarmen
Wir treffen uns mit Marcus und der SOKO Tierschutz, einer radikalen Tierschutzgruppe, am Rande einer Wiese. Die Sonne scheint, die Bienen summen, die Grillen zirpen, es ist Sommer. Als ich zu der Gruppe ins Auto steige, stelle ich fest, dass mit mir eine Pferdebremse in den Wagen gelangt ist. Ich finde Bremsen eklig. Sie stechen und saugen Blut. Sie greifen mich an. Bremsen sind meine Feinde. Als ausgleichende Gerechtigkeit hat Gott aber dafür gesorgt, dass Bremsen sehr langsam sind. Zumindest sind sie langsamer als Fliegen und deshalb kann man sie gut erwischen. Als meine Hand gegen die Scheibe klatscht, entsteht dort, wo die Bremse eben noch gesessen hat, ein schmieriger Fleck.
Ich bin zufrieden, doch dann höre ich ein leises „Oh“. Betroffen blicken die Mitarbeiter von SOKO Tierschutz zu Boden. Ich glaube, ich habe einen Fehler gemacht. Diese Leute hier töten keine Tiere. Nie. Sie sind wie die Mitglieder dieser indischen Sekte, die vorsichtig den Boden vor ihren Füßen kehren, aus Angst, sie könnten einen Käfer tottrampeln. Peinlich berührt beeile ich mich, den schmierigen Fleck mit einem Taschentuch wegzuwischen. Es ist mir tatsächlich unangenehm, obwohl Marcus und seine Mitstreiter mich nicht verurteilen. Sie verurteilen niemanden, weil sie wissen, dass die Menschen dumm und einfältig sind. Und trotzdem meine ich ihre Missbilligung spüren zu können und ich fühle ich mich klein und schäbig. Eine Bremse töten. Ein Geschöpf Gottes. Nur weil sie mich stechen will.
Das Gefühl der moralischen Überlegenheit ist allbeherrschend in Gesellschaft der SOKO Tierschutz. Marcus Müller hat ja auch recht, wenn er darauf hinweist, dass es unvernünftig ist, 200 Liter Wasser für ein Ei aufzuwenden (laut einer Studie des Water Footprint Networks von 2010), oder so und so viele Kilo Mais und Soja für ein Steak. Natürlich hat Marcus recht, aber auf der anderen Seite ist es auch furchtbar unsympathisch, immer recht zu haben. Niemand fühlt sich wohl in der Gegenwart eines notorischen Rechthabers, der einem beim ersten Bissen Eier-Butter-Milch-Kuchen ein süffisantes „Wohl bekomm’s!“ zuraunt. Natürlich hat die SOKO Tierschutz recht. Natürlich haben Veganer recht und trotzdem, vielleicht auch nur aus Trotz, möchte man hin und wieder ausrufen: „Steak?—Leider geil!“ Doch solche Witze bleiben einem im Halse stecken, ist man mit jemandem wie Marcus Müller zusammen. Alles ist ernst, und Humor so überflüssig wie ein Paar Schuhe aus Leder. Trostlos.
Marcus Müller ist ein Asket. Sein Körper ist hager und durchtrainiert. Er wirkt willensstark und kompromisslos. Vielleicht wird man so, wenn man den Großteil seiner Zeit im giftigen Staub von Massentierhaltungsställen verbringt und seine Gesundheit aufs Spiel setzt. „Das ist der Preis, den wir bezahlen müssen, für unsere Arbeit“, meint er lapidar auf die Frage, ob er keine Angst vor ansteckenden Krankheiten hat, wenn er tote Tierkadaver untersucht oder ohne Mundschutz in der Hühnerkacke steht. Vielleicht wird man so, wenn man kaum Zeit für ein Familienleben hat, keine Zeit für Partnerschaften, Privatleben, Hobbys, Freizeit.
Vielleicht wird man so, wenn man sich einer Sache mit Haut und Haaren verschreibt, dafür kämpft, dafür lebt und sich im wahrsten Sinne des Wortes aufopfert: hart, humorlos, gnadenlos und unerbittlich. Jäger sind für ihn menschlicher Abschaum und für die etablierten Tierschutzgesellschaften hat er nur noch Verachtung übrig. Sesselpupser seien das, Sachverwalter und Bürokraten, die mit der Industrie unter einer Decke stecken und sich von den Lobbyisten Honig ums Maul schmieren lassen. Bis vor Kurzem hat Marcus noch für die österreichische Tierschutzorganisation Vier Pfoten gearbeitet, doch nach schweren inhaltlichen Differenzen und einer sehr persönlichen Enttäuschung hat er die Organisation verlassen, um sich wieder voll und ganz auf sein eigenes Projekt, die SOKO Tierschutz zu konzentrieren. Basisarbeit. Material sammeln und Kampagnen organisieren. Im Laufe dieses Jahres konnten auf diese Art die Drogeriemarktketten Rossmann und dm dazu gebracht werden, Produkte, die Nerzöl enthalten, aus dem Handel zu nehmen. Nerzöl wird aus den Kadavern toter Nerze gewonnen, die in teilweise unzumutbaren Verhältnissen gezüchtet werden. Kaum jemand weiß davon. Vielen ist es noch nicht einmal bewusst, dass ihre Haarkur Nerzöl enthält. Marcus und sein Team ändern das und sie haben Erfolg damit. Die SOKO Tierschutz besitzt keine aufwendigen Büros und keine repräsentativen Liegenschaften.
Marcus Müller geht raus. Er schont sich nicht, wenn Demos organisiert, Kampagnen mobilisiert, Ställe und Zuchtanlagen besucht werden müssen, um zu filmen. Die SOKO Tierschutz verschafft sich Zutritt, unangemeldet und ohne Zustimmung der Lebensmittelproduzenten. Erst letzte Nacht haben wir zusammen eine Hühnerfarm in Thüringen besucht und Aufnahmen von schrecklich zugerichteten Freilandhühnern gemacht. Am Ende ihres Lebens sehen die Vögel aus wie der lebendige Tod. Ohne Federn, verbraucht und krank hocken die Tiere zu Tausenden auf Stahlgerüsten. Was daran Freilandhaltung sein soll, weiß wahrscheinlich nur der Gesetzgeber. Das erdartige Einstreu auf dem Boden vielleicht? Oder die Luken, die den Hühnern Auslauf auf den platten, schutzlosen Hof bieten sollen? Um vier Uhr morgens waren wir dann endlich fertig mit den Dokumentationsarbeiten, danach ging es sofort weiter nach Polen und nun liegen wir hier in diesem Maisfeld. Kaum Schlaf. Immer auf Achse. Dazwischen noch die neuesten Filme sichten und auf die Website laden. Marcus Müller kennt keine Pausen.
Ein Nerz, der unter anderem für Nerzöl gezüchtet wird
Hier in Polen will er uns Gänse zeigen, die das Opfer von Lebendrupf wurden. Wir haben uns militärische Tarnkleidung angezogen und schleichen uns an die Gänsefarm heran. Unter Lebendrupf versteht man das Rupfen der Gänse bei lebendigem Leibe, was für die Produzenten den Vorteil hat, die Tiere bis zu vier Mal „ernten“ zu können, im Gegensatz zum Rupfen nach dem Tod, was naturgemäß nur einmal möglich ist. Marcus weist darauf hin, dass der weltweite Bedarf an Daunen für diverse Jacken und Schlafsäcke aber mittlerweise so groß sei, dass die Anzahl der geschlachteten Gänse gar nicht ausreichen würde, um diesen zu decken. In der EU ist Lebendrupf eigentlich verboten, aber in Ländern wie Polen und Ungarn wird er trotz allem praktiziert.
Dass die Bauern dabei eigentlich nicht gefilmt werden wollen, versteht sich von selbst. Zu imageschädigend wären die Bilder der blutüberströmten Tiere mit der aufgerissenen Brust. Zu schädlich für den Handel mit Gänsefleisch. Besonders, wenn diese Bilder in Deutschland Verbreitung finden würden, immerhin gehört die Bundesrepublik zu den größten Abnehmern für ausländische Mastgänse. Dementsprechend aggressiv reagieren die Gänseproduzenten dann auch auf die Aktionen der SOKO Tierschutz und so kam es schon vor, dass ihre Mitglieder mit dem Traktor übers Feld gejagt wurden oder Marcus plötzlich einem maskierten Mann mit Schlagstock und Machete gegenüberstand. Von rechtsgerichteten ungarischen Milizen wurde er zuletzt sogar offen mit dem Tod bedroht und von ungarischer Regierungsseite massiv angegriffen, da dort wohl eine enge Verflechtung der ungarischen Gänsebarone mit der Führungselite des Landes besteht.
Offensichtlich ist die Einmischung in ungarische Gänseangelegenheiten gleichbedeutend mit einem Angriff auf den Nationalstolz der Magyaren. Entsprechend vorsichtig verhält er sich auch bei seinen Recherchen, was auch die Tarnkleidung und den beachtlichen paramilitärischen Aufwand erklärt, mit dem die SOKO Tierschutz arbeitet. Alle Mitglieder der Crew sind mit einem leistungsstarken Militärfunkgerät ausgestattet, bedienbar über ein Headset. Die Funksprache ist ebenfalls militärisch: Es wird in Codes wie „rot“, „grün“ und „Ampel“ gesprochen, um die verschiedenen Gefahrenlagen zu beschreiben.
Die Mitglieder der Gruppe tragen Decknamen wie „Eule“ oder „Fuchs“ und während wir uns an die Farm anpirschen, merke ich an, dass ich beim Funkverkehr gerne „Tiger“ sein würde. Marcus findet das doof. Tiger sei uncool und ein bisschen peinlich, erklärt er mir. Das verstehe ich jetzt nicht. Was bitteschön soll an Tiger uncooler sein als an Fuchs? Und außerdem ist das mein alter Rappername: „Terrortaiga!“—„Na gut“, zähneknirschend akzeptiert Marcus meine Argumentation. Um näher an die Farm heranzukommen, müssen wir eine Strecke von 300 Metern auf dem Bauch robbend zurücklegen. Da der Mais ungewöhnlich niedrig steht für diese Jahreszeit, bietet er uns nur unzureichend Schutz. Wir müssen wirklich sehr tief bleiben. An einer gewissen Stelle im Feld sollen wir warten und Marcus robbt in Richtung des Zauns der Farm. Die ganze Zeit hören wir die Gänse schreien und aus einiger Entfernung konnten wir beobachten, wie mehrere Personen auf der Gänseweide die Tiere gepackt und an eine Maschine gehalten haben.
Marcus ist davon überzeugt, dass wir gerade Lebendrupf mit Rupfmaschinen beobachten, was eine Steigerung der Brutalität darstellen würde, da diese Maschinen eigentlich nur für tote Tiere gedacht sind. Marcus will diese Straftat unbedingt dokumentieren, doch dazu müssen wir näher ran, was schwierig ist. Irgendwann erhalte ich den Funkspruch „Fuchs an Tiger. Position halten. Ende.“ Das heißt warten und ich antworte mit einem knappen: „Verstanden. Ende.“ Funkdisziplin! Marcus sichert das Gelände und ich liege unter der prallen Sonne und starre in den blauen Himmel. Der Schweiß läuft mir in die Augen, und dem Kameramann, der mich begleitet, geht es nicht besser. Wir haben kein Wasser dabei. Warum liegen wir jetzt eigentlich hier und nicht an einem See? Irgendwann knackt das Funkgerät. „Fuchs an Tiger. Aufrücken! Ende.“ Das Signal für uns zum Aufbruch, das wir mit einem schwachen „Tiger an Fuchs: Wir kommen. Ende“ beantworten, bevor wir weiter durch das trockene, staubige Maisfeld robben. Wir orientieren uns in die Richtung, in die Marcus verschwunden ist, als uns ein plötzliches Motorengeräusch stoppt.
Ein Bauer auf einem Traktor kommt auf uns zu, auf einem Feldweg, der knapp 50 Meter rechts von uns liegt. Lange bevor wir ihn sehen können, können wir ihn hören. Köpfe runter. Stillhalten. Was, wenn er uns bemerkt? Was, wenn er die anderen Arbeiter auf der Farm verständigt? Was, wenn er uns mit seinem Traktor übers Feld jagt? Als er fast an uns vorbei ist, riskiere ich einen Blick. Unbeteiligt und ohne die geringste Ahnung, dass da drei Männer in seinem Maisfeld liegen, sitzt der Mann auf seinem Trecker. Er bemerkt uns nicht, die Tarnung scheint wunderbar zu funktionieren, und lange nachdem er verschwunden und das Motorengeräusch verklungen ist, robben wir endlich weiter. Wir sind voll im Film und ich will jetzt endlich diese Bilder von diesem beschissenen Lebendrupf einfangen und dann abhauen, ansonsten lohnt sich das alles hier doch gar nicht, das ist doch scheiße hier. Doch als wir nach einigem Suchen Marcus zwischen den Maispflanzen entdecken und tatsächlich zu ihm „aufrücken“, sind wir ein wenig enttäuscht. Die Gänse, die wir sehen, sind vollkommen intakt. Keine lebend gerupften Gänse. Nirgends. Was ist das los? Marcus kann es sich auch nicht erklären. Vielleicht im nächsten Gatter. Vielleicht in einem anderen Teil der Farm.
Wir müssen weiter. Weiter robben durch den Staub. Mittlerweile ist es still geworden auf der Weide. Nach einem Blick auf die Uhr entscheiden wir, dass die Arbeiter wohl Feierabend gemacht haben müssen, immerhin es ist schon kurz vor sechs. Nach 100 Metern erreichen wir den nächsten Abschnitt der Weide, der durch einen Zaun abgetrennt ist, doch auch hier werden wir nicht fündig. Die Gänse, die wir filmen können, sehen zwar nicht glücklich aus, aber wir können keine Verletzung erkennen. Marcus ist ratlos. Weiter. Vielleicht beim nächsten Abschnitt, und so geht es weiter und weiter. Nach vier Stunden sind wir um das ganze Gehöft herumgekrochen, doch gefunden haben wir nichts. In einem ausgetrockneten Bachbett, zwischen mannshohen Brennnesseln versucht Marcus eine Erklärung. Vielleicht hat der Farmer die Gänse in einen Stall getrieben, was aufgrund der Infektionsgefahr eher selten gemacht wird, angesichts der Schwere der Straftat allerdings möglich sei. Vielleicht habe Marcus sich aber auch ganz einfach nur getäuscht und das, was wir da beobachtet haben, war gar kein Lebendrupf, sondern unter Umständen nur eine ganz normale Impfaktion. Mit letzter Sicherheit können wir das allerdings nicht klären und außerdem haben wir noch gute 200 Meter bis zur Straße, wo uns das Auto der SOKO Tierschutz wieder aufpicken soll.
Über Funk teilt Marcus den anderen mit, dass wir in Kürze beim vereinbarten Treffpunkt sind und dann geht es los. Geduckt und im Laufschritt spurten wir los. Wir suchen Schutz hinter den immer lichter werdenden Büschen und schließlich rennen wir die letzten 100 Meter über offenes Feld. Jetzt kann uns jeder sehen. Die Leute in den Autos auf der Landstraße, die verbliebenen Arbeiter auf der Gänseweide, die Leute vom Bauernhof. Drei Typen in Tarnklamotten, die über eine Wiese rennen. Was machen die denn da?
Gänse nach dem Lebendrupf. Fotos von SOKO Tierschutz
Mein Herz rast, mein Atem geht stoßweise und ich bin glücklich, als ich aus dem Kopfhörer meines Headsets das Wort „Sichtkontakt“ höre. Die anderen haben uns also entdeckt und mit dem Auto rasen sie auf uns zu, halten am Straßenrand und wir springen hinein. Später, als der Kameramann anmerkt, dass es wahrscheinlich unauffälliger gewesen wäre, wenn wir unsere Tarnklamotten ausgezogen hätten und einfach wie normale Spaziergänger übers Feld gewandert wären, muss ich ihm recht geben. Das stimmt, doch diese Idee kam mir gar nicht. Ich war nur froh, keinem polnischen Bauern mit Schrotgewehr zum Opfer gefallen zu sein. Ich war froh, dass wir nicht entdeckt wurden. Dank unserer perfekten Tarnung, auch wenn ich aussah wie ein wandelnder Baum.
Noch Tage später muss ich lachen, wenn ich daran denke, welchen Aufwand wir betrieben haben. Und wofür das alles? Für nichts. Doch auch wenn wir an diesem Tag nicht die Bilder gefunden haben, die wir suchten und mir das ganze Abenteuer im Nachhinein wie ein verrücktes Cowboy- und Indianer-Spiel vorkommt—diese Art von „Misserfolg“ gehört offensichtlich auch zur Arbeit der SOKO Tierschutz. Denn dass wir nichts gefunden haben, bedeutet ja nicht, dass es diese Tierquälerei aus reinem Profitinteresse nicht gibt. Sie findet statt, und die Leute sind erfinderisch, wenn es darum geht, auch noch das Letzte aus dem Rohmaterial Tier herauszupressen. Man braucht einen langen Atem, um alle diese Praktiken aufzudecken, doch die Ausdauer von Menschen wie Marcus Müller ist ungebrochen.
Kaum hatten wir uns nach unserer Maisfeldaktion aus den verschwitzten Klamotten gequält und das Rohmaterial der Filmaufnahmen ausgetauscht, verabschiedete sich die SOKO Tierschutz auch schon wieder, um zum nächsten Einsatz zu fahren und die nächsten Bilder einzusammeln. Bilder, die wir eigentlich nicht sehen sollten, denn sie könnten unser Leben verändern, oder, was noch schlimmer wäre—unser Konsumverhalten.
Hier könnt ihr die dazugehörige Doku schauen.