Sex

Wir haben Sexarbeiterinnen gefragt, wie sie bei der Hitze arbeiten

Ja, wir wissen: Es ist schrecklich heiß – und zwar so sehr, dass wir “der Boden ist Lava” nicht mehr nur in unserer Fantasie spielen und sogar Astronauten vom Weltall beobachten können, wie Europa gerade verdorrt. Halb Deutschland jammert analog und virtuell über nicht vorhandene Klimaanlagen und erkundigt sich im Stundentakt, ab wie viel Grad es hitzefrei gibt. Nicht gerade ideale Bedingungen, um seinen schwitzigen Körper an der nassen Haut eines Fremden zu reiben. Für Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen machen die Höchsttemperaturen den körperlichen Job oft zu einem Kraftakt.

Wir haben Prostituierte und Escortdamen gefragt, wie sie bei der Hitze arbeiten.

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Deria, 31, Straßenstrich Berlin, Kurfürstenstraße

Deria arbeitet seit 2006 selbstständig als Prostituierte auf dem Straßenstrich oder besucht als Domina Kunden zu Hause. Stammgäste können sie auch über ihr Handy buchen | Foto: Christina Hertel

VICE: Ändert die Hitze etwas an deiner Arbeit?
Deria: Es macht die Arbeit auf jeden Fall anstrengender. Die Gäste bleiben weg, weil die auch keinen Bock haben oder im Urlaub mit der Familie sind. Und man steht hier den ganzen Tag, schwitzt bei über 30 Grad und hat eigentlich selbst keine Lust. Aber viele von uns müssen Geld machen, weil sie Hunger haben oder Junkies sind oder der Zuhälter was will. Bei der Hitze wollen es viele Typen lieber im Freien machen. Im Auto ist es zu heiß, die Pension kostet und dann reizt der Park mehr.

Wie ist für dich Sex mit Kunden im Freien?
Ich guck immer, dass im Park keine Kinder sind. Ich bin selbst Mutter und habe drei Söhne und ich würde nie irgendwo mitgehen, wenn an dem Ort Kinder sein könnten, weil ich nicht will, dass die irgendwas sehen. Ich würde auch niemals ein Kondom liegen lassen. Dass mir auch heiß ist, lasse ich mir nicht anmerken. Beim Sex schalte ich ab, das ist ein Schauspiel für mich. Privat habe ich mit meinem Mann auch bei den Temperaturen Sex.


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Wie viel mehr oder weniger Umsatz machst du im Sommer?
Da besteht kein großer Unterschied zum Winter, es ist eigentlich immer gleich. Der Standard sind fünf Typen pro Tag und jeder zahlt einen Fuffie für eine halbe Stunde, das reicht mir schon.

Es heißt, dass Hitze aggressiver macht. Merkst du das bei deinen Kunden?
Nein, nicht wirklich. Viele sind gestresster und alles dauert ein bisschen länger – also der Akt an sich. Für mich ist das blöd, ich werde für eine halbe Stunde bezahlt, aber wenn der Typ dann etwas länger braucht, kann ich nicht mehr nehmen.

Mel, alias MelKingPoint, 43: selbstständig in England und Deutschland

Mel hat seit mehreren Jahren “erotische Dates” mit Kunden. Sie sagt, sie würde sich selbst nicht als Sexarbeiterin, Hure oder Prostituierte bezeichnen | Foto: Neo Sanchez

VICE: Ist es nicht super anstrengend, bei den Temperaturen Sex zu haben?
Mel: In Hotels gibt es meistens eine Klimaanlage, aber ich mache auch Hausbesuche, das kann sich jeder leisten. Im Idealfall ist das Date so gut, dass alles drumherum ziemlich egal ist. Es ist ja nicht so, dass Männer einfach nur platten Sex kaufen oder suchen. Erotik gehört in meinem Job zwar zu einem gelungenen Date, aber ich habe nicht immer mit den Männern Sex. Die meisten wollen eine angenehme Zeit, Nähe und Erotik erfahren. Manchmal erlebe ich aber auch heißen, schweißtreibenden Sex mit Klienten. Ich würde sogar zugeben, dass ich meinen besten Sex mit Klienten hatte.

Hast du in den letzten Tagen mal einen Tag freigemacht, weil es einfach zu heiß für Körperkontakt war?
Ich bin gestern erst aus England hier angekommen, dort war es nicht so extrem warm wie hier in Deutschland. Ich bin die letzten Tage aber tatsächlich etwas kürzer getreten, weil ich Halsschmerzen hatte – von der Klimaanlage in meinem Zimmer.

Mit welchen Tricks machst du die Arbeit bei dem Wetter körperlich erträglicher?
Ich habe immer ein feuchtes, leichtes Tuch griffbereit, trinke koffeinfreien Kaffee, Wasser und spare nicht am Eis.

Kommen bei der Hitze weniger Kunden?
Menschen machen ihr Verlangen nach Nähe nicht vom Wetter abhängig. Ich bemerke keinen Unterschied.

Larissa, 34, Straßenstrich Berlin, Kurfürstenstraße

Larissa arbeitet seit neun Jahren auf dem Straßenstrich in Berlin | Foto: Flora Rüegg

VICE: Wie hart ist der Job für dich in der Hitze?
Larissa: Es ist gerade eine Katastrophe. Es ist einfach zu warm, es kommt keiner. Vor zwei, drei Jahren war allgemein viel mehr los.

Wie viel Umsatz machst du zur Zeit weniger?
Normalerweise kann ich zwischen 8 und 12 Uhr 150 bis 200 Euro machen. Jetzt sind es vielleicht 40 Euro. Dieses Wetter ist scheiße. Ich gehe jetzt auch gleich und komme später wieder, so um 23 Uhr. Da ist hoffentlich mehr los. So bringt das nichts.

Wie unterscheidet sich der Sex? Wollen Männer etwas anderes?
Mehr Männer wollen Französisch, aber sonst ist es wie immer.

Wo arbeitest du? Gibt es eine Klimaanlage?
In der Kabine [im Sexkino um die Ecke, Anm. d. Red.] nicht, da läuft mir das Wasser nur so runter. Da ist es ganz schlimm, da kommt nicht mal Luft rein. Es hat bestimmt 40 Grad. In der Pension gibt es zumindest einen Ventilator, aber der hilft auch nichts. Manche kommen mit dem Auto, da gibt es eine Klimaanlage, das ist besser. Aber manche haben Angst, dass die Leute was mitbekommen. Dann machen sie das Auto aus und das Fenster zu. Das ist auch eine Katastrophe.

Wie geht es dir am Ende eines solchen Tages?
Ich bin richtig kaputt und müde.

Hast du einen Trick, um Arbeit bei der Hitze erträglicher zu machen?
Sonst stehe ich immer auf der anderen Straßenseite, dort in der Sonne. Das geht jetzt nicht. Und ich trinke viel Wasser.

Anna, 40, Escortservice, Berlin

Anna ist seit 2014 im Business und fährt für Kunden auch nach Leipzig oder Dresden. Sie sagt, sie treffe Männer, die auch mal nur kuscheln und quatschen wollen | Foto: mit freundlicher Genehmigung von Anna

VICE: Wie viele Kunden hast du im Schnitt?
Anna: Wenn ich in Berlin bin, habe ich pro Woche circa fünf Kunden, meist in meiner eigenen Wohnung. In einer anderen Stadt habe ich 15 bis 20 Typen, weil ich dann ausschließlich dafür dort bin und eine diskrete Wohnung auf Zeit anmiete. Nicht alle wollen Sex, manche auch nur Französisch, Massagen oder ein erotisches Date.

Gibt es eine Klimaanlage in den Wohnungen?
Ich suche mir die Wohnungen bewusst so aus, dass man es dort gut aushalten kann und mein Standard gehalten wird. Ich kann nicht 150 Euro pro Stunde verlangen, aber dann eine überhitzte Billig-Spanholz-Bude anbieten. Man hängt auch nicht nur drinnen ab, sondern unternimmt was spontan. Mein nächstes Treffen ist in einem Spa und wir gehen schwimmen.

Hast du im Sommer weniger Kundschaft?
Ja. Dieses Jahr macht die große Hitze schon was aus, aber ich arbeite eh nur dann, wenn ich Lust drauf habe. Und ich teile mir meine Arbeit so ein, dass ich im Sommer weniger mache. Wenn es sehr heiß ist, dann wollen mehr Typen ins Hotel, weil es dort kühler ist. Mein Umsatz ist im Winter definitiv höher, aber im Sommer habe ich dann halt mehr Freizeit.

Sind deine Aufträge auch mal kürzer, weil es zu warm ist?
Nein, eher weil die Ehefrau anruft und fragt, wo er bleibt oder er wieder zur Arbeit muss. Das Wetter spielt nicht so eine große Rolle.

Ist der Sex anstrengender bei den Temperaturen?
Sex ist für mich eine Zugabe. Ich habe keine Berührungsängste, egal wie warm es ist. Dass Sex länger dauert, ist bei mir eh nicht drin und ewig langes Rumrödeln auch nicht. Das mache ich von Anfang an klar.

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