Sophie Hunger hat Max Herre angelogen

Sophie Hunger ist eine herausragende Künstlerin. Sie singt auf vier Sprachen und spielt die verschiedensten Instrumente, wenn sie auf der Bühne steht. Wenn sie in einer Talkshow zu Gast ist, bringt sie so viel Humor und Intelligenz mit, dass der Gastgeber auch mal ausversehen in den Schatten gestellt werden kann. Sie redet, wie ihr der Mund gewachsen ist, und man kann mit ihr von Politik bis Fußball über alles reden. Sie hat drei Alben veröffentlicht und kommt jetzt mit einem Live-Album. The Rules of Fire soll zeigen, wie die Songs eigentlich klingen sollten, wenn sie vor der Studioaufnahme schon hundertmal live gespielt worden wären.

Noisey: Wieso wolltest du so eine Doku machen?
Sophie Hunger: Ehrlich gesagt, weiß ich das gar nicht. Wir wussten gar nicht, dass wir das machen. Wir haben gesagt, film’ doch einfach die Konzerte und wenn die Live-CD kommt, können wir vielleicht noch ein, zwei Live-Videos als Bonus dazu geben. Das, was da jetzt bei rausgekommen ist, war absolut nicht geplant.

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War es komisch für dich, die ganze Zeit von der Kamera begleitet zu werden?
Der war gar nicht so oft da, nur so vier, fünf mal und er war auch nicht im Bus oder so.

Wie gefällt dir das Ergebnis denn jetzt im Nachhinein?
Ich finds total unangenehm.

Weil du dich selbst siehst?
Ja, wenn ich so was sehe, fange ich an mich zu verachten. Ich versuche, mich nicht zu sehr damit zu beschäftigen.

Was stört dich am meisten, wenn du das siehst?
Ich denke mir, das ist doch nicht wichtig und es gibt so viele Menschen, die ihre Zeit jetzt vergeuden, um sich das anzuschauen. Ich fühle mich da so überheblich. Wieso bin ich so wichtig, um einen 60-Minuten-Film über mich zu machen. Das spüre ich dann in diesen Momenten. Es ist einfach nicht für mich gemacht, ich kann das nicht gucken und es fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass das für andere Menschen im Leben eine Bedeutung hat. Es gibt diese dänische Band Kashmir, die haben diesen Film gemacht, Rocket Brothers, der war so ähnlich, viele Live-Moment und Eindrücke eingefangen. Diesen Film habe ich mit meinem besten Freund bestimmt 50 mal angeschaut und der Film war wichtig für uns. Wenn ich daran denke, dann kann ich unseren Film zulassen, aber wenn ich ihn selbst gucke, dann denke ich mir nur, hoffentlich guckt den meine Großmutter nicht. (kurze Stille)

Da kommt mir noch was, weißt du, seit dem ich spiele, seit sechs Jahren, bekomme ich fast jeden Monat eine mehrseitige Projektbeschreibung von irgendeinem Regisseur, der mitkommen möchte auf Tournee und das alles ganz authentisch filmen. Vielleicht ist der Film auch einfach ein Statement, aber wenn wir es machen, machen wir es selber.

Du hast ja auch mal in einem Film mitgespielt, wie war es da, dich zu sehen?
Das war so schlimm, ich musste mich mindestens fünf Jahre erholen. Ich war vollkommen überfordert damit, ich war sehr unzufrieden.

Eine Szene aus der Dokumentation ist mir besonders hängengeblieben. Man sieht, wie du Blumen von deinem Label bekommst und sie sich entschuldigen, dass keiner da ist. Du sagst dann sowas wie: Nie ist jemand da und jeden Monat sitzen da neue Gesichter. Wie ist dein Verhältnis zum Label?
Die sagen mir nichts. Es geht ja damit los, dass ich verschiedene Labels habe. Aber die trauen sich nichts zu sagen, ich bin wirklich ein Arsch im Umgang mit denen. Ich mache alles selber und finanziere auch alles selber, die schulden mir nichts und deswegen können sie mir auch nichts sagen.

Die Doku ist ja quasi nur ein Bonus zum Live-Album. Also die gleiche Frage noch mal, warum hast du dich entschieden, ein Live-Album zu machen?
Das kann ich besser beantworten. Seitdem ich spiele, habe ich gemerkt, dass die Songs erst richtig gut werden, wenn wir die live 100 mal gespielt haben. Wenn ich mir dann das Studioalbum anhöre, denke ich jedes mal, warum haben wir das so aufgenommen? In meiner Welt müssten die Bands Lieder schreiben, dann auf Tour gehen und dann zum Abschluss die Lieder aufnehmen. Und genau aus dieser Frustration haben wir das Live-Album gemacht. Wir können den Leuten jetzt sagen, so sollten die Lieder eigentlich klingen.

Bist du also mit den Live-Versionen zufriedener als mit den Studioaufnahmen?
Jetzt sage ich natürlich ja, aber in dem Moment, in dem wir im Studio waren und die Sachen aufgenommen haben, war ich schon zufrieden. Vielleicht bin ich auch einfach nicht talentiert genug, um mir vorzustellen, wie die Lieder klingen sollten. Es gibt Musiker, die können sich direkt am ersten Tag vorstellen, wie der Song klingen soll, und dann ist der auch schon groß. Ich muss die Songs erst 30-40 mal spielen und dabei wachsen sie noch.

Du singst auf vier verschiedenen Sprachen, wie schwer ist es für dich zwischen den Sprachen zu wechseln?
In der Musik fällt mir das gar nicht schwer, aber im Alltag habe ich manchmal meine Probleme. Auf der Bühne ist das für mich, wie verschiedenen Personen zu sein.

Du trittst in den verschiedensten Ländern auf. Spielst du immer Songs auf allen Sprachen?
Ja, und die Franzosen lieben die deutschen Lieder sehr. Die Menschen wirken aufmerksamer, wenn sie Songs auf einer anderen Sprache hören. Ich kann mir das auch nicht genau erklären.

Es gibt nicht so viele Künstler, die auf einem Album so viele Sprachen unterbringen. Siehst du dich auch ein bisschen als Sprachbotschafterin?
Nein, ich glaube einfach, ich bin eine sehr normale Person aus dem 21. Jahrhundert. Je mehr Globalisierung es gibt, umso mehr Sprachen werden die Menschen zur Verfügung haben, und sich in verschiedenen Kulturen zuhause fühlen. Es ist einfach nur eine Tendenz, dass man verschiedenste Einflüsse zusammenmischt.

Wie ist das beim Songs Schreiben, was schreibst du auf welcher Sprache?
Das kann ich nicht sagen, das passiert intuitiv. Ich improvisiere an den Instrumenten und dann kommt es einfach raus. Mir kommt ein Wort oder ein Satz in den Sinn, der ist dann auf der Sprache und dann wird dieser Song auf der Sprache gesungen.

Würde es für dich in Frage kommen, ein Album mal nur in einer Sprache zu machen?
Ja, aber nur wenn es sich so ergeben würde, ich würde es nicht erzwingen.

Auf der Bühne singst du nicht nur, sondern spielst auch verschiedenste Intrumente. Brauchst du das oder würdest du dir manchmal wünschen, nur zu singen?
Ich brauche die Instrumente, ich muss ja auch Einfluss auf meine Band nehmen können. Ich muss die Chance haben, Sachen zu betonen oder ihnen zu zeigen. Es kann halt passieren, dass man einen Abend erwischt, an dem das Tempo immer ein bisschen zu langsam ist, und jeder aus der Band hat dann die Möglichkeit, die anderen wach zu rütteln.

Du hast jetzt schon den zweiten Song mit Max Herre gemacht, was ist das Besondere für dich, mit ihm zusammen zu arbeiten?
Ich war noch ein Kind, als ich die Musik von Max gehört habe. Er und der Freundeskreis waren wie Idole, ich konnte alle Texte auswendig. Als sich Max dann aus dem Nichts bei mir gemeldet hat, hat mich das sehr berührt. Die Arbeit mit ihm war super unkompliziert, er hat mir den Song geschickt und ich habe das noch am selben Abend geschrieben und eingesungen. Der ist ja ein Profi und ich hatte dann ein bisschen Angst und habe ihm erzählt, ich gehe morgen ins Studio und nehme das auf. Ich habe mich nicht getraut zu sagen, ich nehme das morgen in meiner Küche auf. Ich habe noch nie eine Zusammenarbeit erlebt, die so einfach war. Als er mich dann für den zweiten Song gefragt hat, dachte ich mir, das war so einfach, natürlich mache ich da noch mal mit. Ich finde den Track natürlich auch gut.

Gibt es eine Frau, bei der du sagt, so möchte ich auch mal werden?
Es gibt so Figuren, Gräfin Dönhoff ist zum Beispiel so eine. Sie kommt aus Preußen und war eine Herausgeberin von Die Zeit. Als nach dem zweiten Weltkrieg in Preußen viele von den Russen enteignet wurden, ist sie ganz alleine mit dem Pferd geflohen, sieben Wochen lang. Sie hat dann für die Zeit geschrieben und wurde später Herausgeberin. Diese Figur imponiert mir sehr.

The Rules Of Fire ist ab heute im Handel. Holt euch die DVD bei Amazon.

Sascha auf Twitter: @DeutscheWorte

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