Karl Lauterbach hatte für Ende März etwas Großes angekündigt. Millionen Kiffer in Deutschland dürften gespannt darauf gewartet haben. Dann spätestens wollte der Gesundheitsminister einen Gesetzentwurf zur Cannabis-Legalisierung vorlegen. Daraus wird nun erstmal nichts.
“Eine umfassende Legalisierung ist aus europarechtlichen Gründen offensichtlich kurzfristig nicht umsetzbar”, zitiert der SPIEGEL aus einem Beschluss des SPD-Parteivorstands vom Mittwoch. “Daher unterstützen wir Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und die Bundesregierung bei praktikablen Schritten hin zur Legalisierung.” Ein Tiefschlag für die mindestens 4,5 Millionen Menschen in Deutschland, die Cannabis konsumieren – der aber nicht sonderlich überraschend kommt. Die EU-Kommission zu überzeugen, dass eine Legalisierung nicht gegen EU-Recht verstößt, war immer die größte Hürde. An der EU vorbei zu legalisieren, könnte aber teure Klageverfahren nach sich ziehen und zu einem Desaster ähnlich der gescheiterten PKW-Maut von Andreas Scheuer führen.
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Und jetzt?
Die SPD schlägt vier kurzfristige Alternativen vor. Diese könne man umsetzen, während man das langfristige Legalisierungs-Projekt weiterverfolgt, hieß es in dem Beschluss. Denn das will die SPD auch weiterhin durchziehen. Wie die Details dieser Alternativen in Deutschland aussehen würden, ist noch unklar. Aber wir geben euch hier schon mal einen Überblick.
Entkriminalisierung
Die schnelle, aber nicht perfekte Lösung: Die Bundesregierung könnte Cannabis auch ohne Zustimmung von EU oder Bundesrat entkriminalisieren. Der Besitz von kleinen Mengen wäre dann straffrei. Konsumierende müssten sich also keine Sorgen mehr um die Polizei machen. Über die Herkunft und Inhaltsstoffe ihres Weeds aber schon. Denn das käme weiterhin aus illegalen Quellen, weil Anbau und Handel weiterhin verboten wären.
Eigenanbau
Die Entkriminalisierung würde auch den Eigenanbau von Cannabis ermöglichen – und damit vielleicht auch gleich das Problem von gestrecktem Schwarzmarkt-Cannabis lösen. Zumindest für diejenigen, die dann wirklich zu Hause anbauen und ihre Ernte selbst konsumieren. Gras aus dem heimischen Schlafzimmerschrank mit Freunden zu teilen, bliebe höchstwahrscheinlich weiterhin verboten. Aber immerhin: Wenn man nach dem Eckpunktepapier zur Cannabis-Legalisierung geht, dass die Bundesregierung im Oktober 2022 veröffentlicht hatte, dürfte dann jede Person zu Hause drei Hanfpflanzen züchten. Carmen Wegge, im Rechts- und Innenausschuss der SPD zuständig für die Cannabis-Legalisierung, sprach sogar von fünf Planzen.
Modellprojekte
Die Niederlande erproben gerade, was jetzt auch Deutschland umsetzen könnte – nachdem ähnliche Vorhaben jahrelang an der Genehmigung gescheitert waren: Bei Cannabis-Modellprojekten kontrolliert der Staat in einer bestimmten Gegend die Produktion und den Vertrieb von Cannabis. So hatte zum Beispiel die frühere Berliner Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain/Kreuzberg ein Cannabis-Modellprojekt beantragt, um dem Handel im Görlitzer Park eine staatlich kontrollierte Alternative entgegenzusetzen. Modellprojekte sind zeitlich begrenzt und wissenschaftlich überwacht. Nach dem Ende der Projekte werden die Ergebnisse ausgewertet und untersucht, ob sie Argumente für oder gegen eine spätere Legalisierung liefern.
Cannabis-Social-Clubs (CSC)
In Verbindung mit Entkriminalisierung wären auch Cannabis-Social-Clubs (CSC) möglich. Hier ist Spanien das große Vorbild. Dort organisieren Mitglieder von CSCs in Vereinsräumen gemeinschaftlich den Anbau von Cannabis. Wichtig ist dabei, dass sie keine kommerziellen Interessen verfolgen und das Gras nicht an Außenstehende, ganz besonders Minderjährige, weitergeben. Jedem Mitglied steht dabei eine genau festgelegte und auf den Monat oder das Jahr begrenzte Menge zu. Auch dafür könnte die Bundesregierung relativ unkompliziert und schnell die rechtliche Grundlage schaffen.
Und wann wird Cannabis richtig legal? Das weiß im Moment wohl niemand. Aber trotz aller Hindernisse will Lauterbach laut SPIEGEL auch weiterhin an einer “umfassenden Legalisierung” festhalten.
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