Eigentlich müsste ich schon tot sein, ist sich Juan José Padilla sicher. Und tatsächlich, das Schicksal hat er in den letzten 25 Jahren schon oft genug herausgefordert. In dieser Zeit ist er zu einem der berühmtesten Toreros Spaniens aufgestiegen – nicht zuletzt dank seiner schwarzen Augenbinde. Die verdeckt sein linkes Auge, das er am 7. Oktober 2011 verlor, als ihn ein Stier schwer auf die Hörner nahm. Auch nach diesem schrecklichen Vorfall ist er in die Arena zurückgekehrt und trägt seitdem den Spitznamen “El Pirata”.
Für manche ist er ein Held, für andere das Aushängeschild eines Sports, der Jahr für Jahr für den Tod von tausenden Stieren verantwortlich ist. Ich habe Padilla kontaktiert, um mit ihm über Angst und Gewissensbisse zu sprechen. Außerdem hat er mir verraten, wie viele Tiere er schon auf dem Gewissen hat.
VICE Sports: Warum bist du Torero geworden?
Juan José Padilla: Ich war sieben, als ich zum ersten Mal einem Stier gegenüberstand. Mein Vater wollte immer Torero werden und er hat seine Leidenschaft für die Corrida (Stierkampf, Anm. d. Red.) mit uns geteilt. Meine drei Brüder haben ebenfalls versucht, eine Torero-Karriere einzuschlagen, aber am Ende wurden sie peón (Gehilfe des Toreros in der Arena, Anm. d. Red.). In der Region rund um Cádiz, wo ich aufgewachsen bin, gab es viele Bauernhöfe. Mein Vater hat mich dorthin häufig mitgenommen und so hat dann alles seinen Lauf genommen.
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Wie viel Stiere hast du schon getötet?
Ich würde sagen, dass ich als Torero schon rund 5.000 Stiere getötet habe, erst in meiner Ausbildung und dann in meinen 1.500 Corridas als Profi.
Hast du schon mal Traurigkeit verspürt, als du einen Stirn getötet hast?
Nun ja, wir lernen, dass der Stier geboren wird, um in einer Arena zu sterben, das ist Teil unserer Kultur. Manchmal will ich einen Stier nicht töten, wenn er Mut und Stärke bewiesen hat. Das passiert sogar recht häufig. Wenn der Arenadirektor mir die Anweisung gibt, es trotzdem zu tun, kann das schon frustrierend sein. Aber es ist halt Teil meiner Arbeit.
Liebst du Tiere?
Ja, ich liebe Tiere und ich besitze auch Haustiere. Ich betrachte den Stier als eine Art Mitarbeiter – ein besonderes Tier, das ich bewundere und respektiere. Der Stier ist mein Leben, meine Welt ist der Stier. Ich bewundere seinen Mut und sein Verhalten. Es ist eine einmalige Rasse. Das Spektakel Corrida gäbe es ohne dieses Tier nicht.
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Hast du Angst, wenn du dem Stier gegenüber stehst?
Ein Torero hat immer Angst, vor wie nach einer Corrida. Du weißt, dass du dein Leben aufs Spiel setzt. Und du weißt, dass du ein künstlerisches Spektakel zeigen musst, zusammen mit deinem Partner: dem Stier.
Du hast im Laufe deiner Karriere schon schwere Verletzungen erlitten. Du kommst auf 19 OPs, außerdem hast du sogar ein Auge verloren. Was verspürst du, wenn ein Stier auf dich losgeht und dich auf die Hörner nimmt?
Ich kann total verstehen, dass er angreift. Ehrlich gesagt hege ich überhaupt keinen Groll gegen den Stier, der ja auch nur seinen Job macht. Der Stier verteidigt sich, indem er uns attackiert, und dabei kommt es vor, dass sich ein Torero verletzt oder sogar sterben kann. Das ist der Preis, den ein jeder Torero zu zahlen hat.
Was empfindest du, wenn du einen Stier tötest?
Ich bin weder glücklich noch traurig. Ich mache nur meinen Job und der lautet, einen Stier zu töten.
Nach dem Kampf darfst du einen Teil des Stieres behalten, zum Beispiel seine Ohren oder den Schwanz. Was machst du damit?
Ja, ich darf mir ein Andenken nach Hause mitnehmen, das ich dann Freunden oder Verwandten schenke. Das sind Symbole des Stolzes, die zeigen, dass du als Torero erfolgreich warst.
Wie viel verdienst du an einem Kampf?
Ich kann nicht öffentlich machen, wie viel ich pro Kampf bekomme, aber ich kann euch sagen, dass die Krise leider auch vor dem Stierkampf nicht Halt gemacht hat. Es wird immer schwieriger, Zuschauer anzulocken, und das wirkt sich natürlich auch auf unsere Gehälter aus.
Würdest du mit einem Stierkampfgegner was trinken gehen?
Ja, warum nicht? Vorausgesetzt, die Person bleibt höflich. Ich respektiere die Ideale anderer Menschen und erwarte, dass sie auch meine respektieren. Ich kann sie verstehen, solange sie mir mit triftigen Argumenten kommen und wir eine vernünftige Diskussion führen können. Aber ich habe meine Prinzipien und natürlich verteidige ich die Corrida. Wenn du daran teilnimmst, wenn du es mit eigenen Augen anschaust, spürst du Emotionen – voll Leben und Sterben.