“Blasen war unterirdisch und danach ist sie auf mir herumgeritten wie auf einem Schaukelpferd”, lässt sich ein Freier im Lusthaus-Forum über eine Berliner Sexarbeiterin aus. “Hab sie nach 20 Minuten rausgeschmissen.” Ein anderer Mann suchte sie trotz schlechter Berichte auf, da er ihrem 20-Euro-Sonderangebot nicht widerstehen konnte. Er rät den anderen Freiern: “beim blasen ihren kopf runter drücken damit sie ihn komplett in den Mund nimmt.”
Falls du zu den Menschen gehörst, die sich ihren Sex nicht mit Geld kaufen und du auch keine 150 Euro bezahlst, damit dich eine junge Frau ins Kino begleitet, bleibt dir dieser dunkle Teil des Internets vermutlich für immer verborgen. In Foren und auf Buchungsportalen tummeln sich Freier, Prostituierte und Sex-Party-Veranstalter in einer Parallelwelt ohne Tabus und Scham. Hier kaufen und verkaufen sie Sex, Freier verfassen aufwendige “Testberichte”, in denen sie wie beispielsweise im AO-Forum beschreiben, eine Frau “in alle Löcher blank” zu ficken und ihr “die Ladung in die Mundvotze” zu jagen. Klingt das für dich widerlich? Ist es auch.
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Niemand weiß, wie viele Sexarbeiterinnen es in Deutschland wirklich gibt. Laut einer Studie des Familienministeriums steigen die meisten Frauen wegen Schulden in die Prostitution ein, aber auch Drogenabhängigkeit und erlittene sexuelle Gewalt seien Faktoren. Fakt ist, dass Prostitution in Deutschland nicht mehr nur in Bordellen und auf dem Straßenstrich angeboten wird, sondern selbstverständlich großteils im Internet. Offizielle Zahlen gibt es dazu nicht. Im Netz findet man Seiten, auf denen Sexarbeiterinnen ihre Dienste anbieten – und Seiten, auf denen Freier diese Dienste bewerten. So läuft das Geschäft.
Wo Sexarbeiterinnen im Netz ihre Dienste anbieten
Die Berliner Sexarbeiterin Chrissy steht auf “französisch, lecken, schönen Girlfriendsex”, sie mag Pralinen und Orchideen, auch Analverkehr geht, wenn es vorher mit ihr abgesprochen ist. Was sie nicht mag: Natursekt, SM und Männer, die “Pornosex” erwarten. Sie kostet 150 Euro die Stunde. All das weiß ich über Chrissy, obwohl ich ihr nie begegnet bin.
Auf Portalen wie Kaufmich, Escort 77 oder Fetischspace legen sich Sexarbeiterinnen Profile an. “Kaufmich ist auf jeden Fall eine der wichtigsten Seiten für Sexarbeit”, erklärt uns die 24-jährige Sexarbeiterin Tara, die auf mehreren Seiten gleichzeitig angemeldet ist. Dort laden die Frauen Fotos von ihren Beinen, von ihren Brüsten und selten auch von ihrem Gesicht hoch. Sie benennen ihre Vorlieben und Tabus – und welche Dienste sie anbieten. Auch die Freier haben Profile, oft bildlos und anonym, und können mit wenigen Klicks eine Frau in ihrer Stadt anchatten und einen Termin mit ihr ausmachen.
Das Prinzip ist ähnlich zu Airbnb oder anderen Online-Plattformen. Einer sucht nach einer Dienstleistung, der andere beschreibt sein Angebot. Am Ende geben sich beide Parteien eine Bewertung. “Wir nutzen doch alle das Internet, um uns oder unsere Dienstleistung zu vermarkten. Genau das machen die Frauen auch”, sagt uns eine Sozialarbeiterin, die anonym bleiben möchte.
Für die Frauen hat Kaufmich durchaus Vorteile gegenüber Bordellen oder dem Straßenstrich – hier können sie vor dem Treffen vereinbaren, was geht und was nicht, und den Freier mit einem Klick ablehnen, falls er komisch rüberkommt. Die 27-jährige Sandra war früher selbst sechs Jahre Sexarbeiterin. Sie war nie auf Kaufmich angemeldet, glaubt aber, dass viele der Frauen von ihren Zuhältern ins Internet gestellt werden.
Auf Kaufmich können sich Frauen und Freier gegenseitig bewerten. Doch die Vergabe von 5-Sterne-Bewertungen scheint ziemlich inflationär zu sein. Sandra glaubt, oft würden die Zuhälter der Frauen dort Bewertungen schreiben. Auch eine junge Sexarbeiterin in Berlin, die ihre Leistungen auf Kaufmich anbietet, bestätigt: “Viele Frauen vereinbaren vorher mit den Männern, was sie schreiben sollen, da stehen viele Lügen.”
“Hurenforen” wie Lusthaus – Wo Freier die Frauen bewerten
Was die Freier wirklich über die Prostituierten denken, lassen sie in den sogenannten “Hurenforen” wie “Lusthaus”, “BW7, “Poppreport” oder dem “AO-Forum” raus. Wenn Kaufmich so etwas wie das Airbnb der Branche ist, sind die Foren das Tripadvisor. Das größte von ihnen, das “Lusthaus”-Forum, wirbt mit dem Slogan: “Huren, Escorts und Bordelle im anonymen Ficktest”. Das Forum brüstet sich damit die “Stiftung Hurentest” zu sein, ganz “ohne Zensur”. Hinter Nicknames wie “mr.cock27” oder “luigibigdick” versteckt schreiben Freier “Testberichte”. Zwei noch harmlosere Beispiele:
“Für mich ist die Frau perfekt gewesen: Groß, schlank, schöne Naturboobs, sehr nettes Gesicht, blond, damals Anfang 20 … handwerklich wußte sie bereits genau, was sie tat … geiler Blowjob ,und – ich war so fickrig und wollte ihn gleich reinstecken – eine sehr geile, ausdauernde Fickerei bzw. Stellungskrieg.”
“Im Stehen ergoss ich mich dann in ihren Mund, während sie meinen Hintern umkrallte und meinen Schwanz fest in ihren Mund drückte – und sie hat fast eine Minute lang “nachgeblasen”. Selten zuvor wurde ich oral so umfassend befriedigt. Eigentlich hatte ich eine zweite Runde geplant, doch ich war so leergesaugt, dass diese ausfiel.”
Oft sind die Berichte sehr ausführlich, mit korrekter Rechtschreibung, manchmal fast poetisch und immer ziemlich bildhaft beschrieben. “Es ist schrecklich, zu lesen, was diese Männer da schreiben”, sagt uns Sandra, “und einfach nur menschenverachtend, wie sie uns Frauen als Objekte wahrnehmen.” Während die Freier in den Foren anonym bleiben, beziehen sich ihre Berichte immer auf identifizierbare, reale Frauen. Meistens stellen sie sogar Fotos ohne Erlaubnis von den Frauen ins Netz – die Betreiber stört das nicht.
Ein Freier klagt zum Beispiel über “diesen Lange-Nichts-Gegessen-Mundgeruch” einer Frau, und dass “dazu passend dann auch die Mumu nicht neutral schmeckte, weil sie die nach dem letzten Pipi offenbar nicht nochmal gewaschen hat.” Über eine andere Frau schreibt ein User: “Das Gesicht ist für meinen Geschmack etwas mau, aber durchaus akzeptabel.” Sandra sagt uns: “Es gibt keine guten Freier. Sie behandeln einen immer wie ein Objekt, egal aus welcher Gesellschaftsschicht sie kommen. Das verstößt gegen die Menschenwürde.”
Für ihre “Testberichte” haben Freier ein ganzes Abkürzungs-Lexikon entwickelt, mit dem sie “das Angebot” beschreiben. “NS” steht nicht für “Nationalsozialismus”, sondern für Natursekt, also dem Trinken von Urin, “AV” für Analverkehr und “FT” für “Französisch total”, Oralverkehr ohne Kondom mit abschließendem Schlucken des Spermas. Sie sprechen von “Naturschönheiten”, wenn die Frauen keine Schönheits-OP hinter sich haben, und jeder gute “Testbericht” muss am Ende mit der Angabe des “Wiederholungsfaktors” enden, der aussagen soll, wie sicher der Freier die Sexarbeiterin wieder besuchen wird.
Während man im “Lusthaus” noch relativ selten Wörter wie “Nutte” oder “Fotze” liest und die User sich möglichst sachlich auszudrücken versuchen, geben sich die Freier im “AO-Forum” gar keine Mühe mehr, ihre frauenverachtenden Ansichten zu verstecken. “AO” steht für “alles ohne”. Hier tauschen sich Männer darüber aus, welche Prostituierten ihre Dienstleistungen ohne Kondom anbieten und wo man sie findet:
“War kürzlich bei der tabulosen Hure Eva in Berlin. Sicher schon um die 60J. aber total tabulos und geil. Fickte sie in alle Löcher blank und jagte ihr die Ladung in die Mundvotze und pisste ihr noch rein. Sie gurgelte den Sperma-Pisse Cocktail und schluckte dann alles runter in den Magen. Alles in allem gut angelegtes Geld.”
Man könnte meinen, dass Männer, die für ihren Sex bezahlen, nicht besonders stolz darauf sind. Doch in den Freier-Foren entpuppt sich ein regelrechter Kult um den bezahlten Sex. Im “Lusthaus” können Freier “Schon-Gefickt-Alben” mit Bildern von Sexarbeiterinnen anlegen und damit den anderen zeigen, mit wem sie schon bezahlten Sex hatten – sozusagen das Panini-Sammelheft des stolzen Freiers.
Im Juli tritt das neue Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Dann gilt eine Kondompflicht für Freier, Gangbang-Veranstaltungen und Flatrate-Sex-Angebote dürfen nicht mehr beworben werden und für Sexarbeiterinnen und Bordellbetreiber gilt eine Anmeldepflicht. All das wird Frauen wohl nicht davor schützen, dass Männer so über ihre Körper und ihre Arbeit schreiben. “Was in den Foren steht, ist schlimm”, sagt Sandra, “aber die Realität ist noch schlimmer.”