Kiffer als verplante Dauerchiller, Kokser als dauerschniefende Partywütige und Meth-Süchtige als fertige Wahnsinnige mit schlechten Zähnen: Solche oder ähnliche Bilder sind Klischees von Drogenkonsumierenden. Aber wie soll man sich einen Menschen vorstellen, der 140 verschiedene Drogen genommen hat? Gestatten: Dominic Milton Trott, der Autor des Buches The Honest Drugs Book – ein Mann über 50 mit rundem Gesicht, schütterem Haar, Batik-Hosen und einer Haizahn-Halskette.
Vor knapp einem Jahrzehnt hat es sich Trott zur Lebensaufgabe gemacht, mit den vielen Vorurteilen rund um den Drogenkonsum aufzuräumen und über die Wirkung verschiedener Mittelchen aufzuklären. The Honest Drugs Book ist allerdings kein Handbuch für Hedonisten, sondern stellt laut Trott den ultimativen Guide zur Schadensbegrenzung beim Umgang mit Drogen dar. Denn so wie wir auch, so will Trott niemanden zum Konsum ermuntern. Sollten sich Menschen allerdings entscheiden, Drogen zu nehmen, sollten sie das so aufgeklärt wie möglich tun. Aber was hat jemanden wie Trott überhaupt dazu gebracht, sich auf ein solches Unterfangen einzulassen?
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VICE: Wie kamst du darauf, The Honest Drug Book zu schreiben?
Dominic Trott: Vor sieben oder acht Jahren fing ich an, meine Drogenerfahrungen schriftlich festzuhalten. Mir war klar, dass irgendjemand diese Informationen zusammentragen muss. Damals war das noch sehr tabellarisch. Erst nach 30 oder 40 Einträgen kam mir der Einfall, das Ganze in Buchform zu bringen, um es für Laien interessanter zu machen. Später erfuhr ich in Online-Foren, wie viele Menschen sterben, weil sie beim Drogenkonsum keine Ahnung von den Folgen haben. Da wurde mir klar, dass ich mit meinen Aufzeichnungen auch Leben retten kann.
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Bei den körperlichen Auswirkungen von Psychedelika bist du sehr ehrlich. Deine Ayahuasca-Erfahrung in Peru hat dich von Grund auf verändert.
Durch sie wurde ich viel weiser und selbstbewusster. Ich sehe die Welt jetzt mit anderen Augen. Bevor ich Ayahuasca trank, hatte ich Angst, dass die Boulevardzeitungen mein Buch als gefährlich verreißen würden. Auch heute mache ich mir deswegen manchmal noch Sorgen. Aber nach dem Ayahuasca war mir die Angst dann soweit egal, dass ich mein Projekt durchzog.
Bei Black Mamba, einem künstlichen Cannabinoid, war das anders: Du schreibst, durch die Droge hättest du “akute Angst” bekommen. Der Rausch war “absolut schrecklich”.
Ich lag in der Fötusstellung auf meinem Bett und durchlebte Höllenqualen. Aber ich wusste, dass dieses Erlebnis irgendwann vorbei sein würde. Ich hatte mich vorher ja umfassend informiert. Aber wer weiß, wie unbedarfte 16-Jährige bei einer solchen Erfahrung reagieren. Dieser Gedanke hat mich angetrieben, mein Buch fertigzustellen.
Auch Heroin ist dir nicht gut bekommen. Du hast dich deswegen übergeben.
Da war die Dosis zu hoch. Ähnlich wie beim Alkohol übergibt man sich, wenn man beim ersten Mal direkt ganz viel konsumiert. Der Kater am darauffolgenden Morgen war auch wie ein Alkoholkater. Insgesamt war die Erfahrung eher schrecklich. Beim eigentlichen Konsum wollte ich aber immer mehr, in den ersten Stunden ging es mir super. Ich hatte das Gefühl, dass ich am nächsten Morgen einfach weitermachen könnte. Natürlich tat ich das nicht, aber dadurch wurde mir bewusst, wie schnell man beim Heroin in die Sucht abrutscht.
Du stehst Amphetaminen aufgeschlossen gegenüber, während viele Menschen diese Art der Drogen hassen. Sie gelten als der zwielichtige Cousin in der Familie der Aufputschmittel.
Das liegt wohl daran, dass Amphetamine anders wirken als zum Beispiel Kokain. Ein Amphetamin hält viel länger. Man vergisst schon fast, dass man voll auf Drogen ist. Bei Speed war ich nach ein paar Tagen wieder normal drauf. Bei Crystal Meth war das nicht der Fall. Ich glaube, das liegt daran, dass das intensive Meth-High die Dopamin- und Serotonin-Ausschüttung ankurbelt. Deshalb dauert es viel länger, wieder auf ein normales Level zu kommen.
In deinem Buch rätst du Jugendliche davon ab, Drogen zu nehmen. Aber manche Leute sind bestimmt der Meinung, dass The Honest Drugs Book junge Menschen genau darauf vorbereitet.
Es ist absurd, jungen Menschen nur einzutrichtern, dass man stirbt, wenn man Drogen nimmt. Das funktioniert nicht. In meinem Buch schreibe ich, dass Jugendliche noch keine Drogen konsumieren sollten, weil ihre Gehirne noch nicht voll entwickelt sind. Ich hoffe, dass diese Botschaft bei ihnen ankommt. Wenn sie trotzdem gewisse Mittelchen ausprobieren wollen, dann sollen sie sich vorher zumindest umfassend über die Sicherheit und die Folgen informieren können. Alles andere ist unvernünftige Drogenpolitik.
Du bist Familienvater. Wie hast du das mit dem Drogenkonsum für dein Buch in Einklang gebracht?
Meine Kinder sind schon lange erwachsen und studieren. Und ja, ich weiß, wie sich die Leute meine Recherchen vorstellen: “Der Typ hat 140 verschiedene Drogen genommen, der war bestimmt rund um die Uhr drauf.” So war das aber nicht. Ich habe immer nur alleine konsumiert und vorher genau geplant, wie ich vorgehe. Bei aufputschenden Drogen wusste ich vorher schon ungefähr, wie sich mein Verhalten ändern würde.
Wie hat sich diese Art des Konsums von aufputschenden Drogen auf die Erfahrung ausgewirkt – also im Vergleich zu normalen Konsumenten, die so etwas zum Beispiel nur im Club unter vielen Leuten nehmen?
Ich weiß, dass solche Leute ihren Rausch in einer ganz anderen Umgebung erleben. Noch während der euphorischen Phase ging ich in meinem Kopf dazu über, das Ganze als akademische Prozedur zu dokumentieren. Mein Ziel war immer eine Chronologie der Erfahrung, damit die Leute wissen, was sie erwartet, wenn sie eine bestimmte Droge nehmen.
Bei den Auswirkungen auf deinen Körper hast du auch auf deine Libido geachtet. Warum ist das relevant?
In diversen Erfahrungsberichten wird oft das Thema sexuelle Erregung angesprochen. Für viele Menschen ist Sex ein wichtiger Aspekt beim Konsum von aufputschenden Drogen. Sie diskutieren zum Beispiel häufig darüber, dass Sex auf Meth total unbefriedigend sei und zu Beziehungsproblemen führe. Auch mit solchen Dingen wollte ich mich auseinandersetzen.
Du hast einen Tag Urlaub und nichts zu tun, welche Droge nimmst du?
Wahrscheinlich keine. Inzwischen konsumiere ich nur noch ganz selten. OK, in Amsterdam würde ich wahrscheinlich kiffen. Oder an irgendeinem exotischen Ort ein interessantes Psychedelikum ausprobieren. Aber bei den meisten Drogen habe ich mittlerweile keine Lust mehr auf die zwei bis drei Tage, die ich mich nach dem Konsum scheiße fühle. Und ich weiß nicht, ob es einen guten Eindruck macht, wenn ein so alter Typ wie ich Drogen nimmt.
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