Wie bei so vielen Künstlern, hat auch Marilyn Monroes Verruchtheit mit der Zeit immer weiter abgenommen. Eigentlich war sie durch ihre sexuell aufgeladenen Filmrollen und ihre Nacktfotos im Playboy mal eine der kontroversesten Frauen des 20. Jahrhunderts – bis sie mit Hilfe des Internets zu einem Hintergrundbild für inspirierende Zitate degradiert wurde. (Mal abgesehen davon, dass Monroe von vielen ahnungslosen Nutzern auch Worte von Susan B. Anthony oder Konfuzius in den Mund gelegt bekommt.)
Einige ihrer Anhänger wollen das ändern und scheinen damit einen neuen Trend losgetreten zu haben: Unter dem Hashtag #ThugMarilyn verbreiten sie auf Pinterest und Instagram Bilder der Schauspielerin, auf denen sie mit Tattoos und moderner Streetwear zu sehen ist.
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“Sie sieht eigentlich immer heiß aus, aber so finde ich sie fast noch attraktiver”, erklärt die Instagram-Nutzerin @Emilyyyyaf.
#ThugMarilyn verleiht Monroe ein modernes Aussehen, das dem Saubermann-Image von handelsüblichen Postern und inspirierenden Spruchbildern widersprechen soll. Allerdings ist nicht ganz klar, warum die Nutzer Tattoos und Basketballtrikots mit Anrüchigkeit und gefährlicher Coolness in Verbindung bringen.
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Tatsächlich ließ das Image von Marilyn Monroe schon immer einen gewissen Raum für Spekulationen. Obwohl sie vor allem komödiantische Rollen spielte, litt sie privat unter Depressionen. Monroe wuchs im Schatten der Gesellschaft auf, verbrachte den Großteil ihrer Jugend im Heim und starb, ohne den Namen ihres Vaters zu kennen. Selbst am Höhepunkt ihrer Karriere füllte sie die Spalten der Klatschpresse vor allem mit Geschichten über Depressionen und schmutzige Affären. Laut dem Podcast You Must Remember This war sie letztendlich ihre Leben lang immer nur auf der Suche nach Anerkennung und holte sich die durch prestigeträchtige Rollen.
Nach ihrem Tod 1963 beschuldigten Verschwörungstheoretiker die Kennedys, die Schauspielerin ermordet zu haben. (Historiker und die Familie des ehemaligen Präsidenten wiesen diese Vorwürfe allerdings zurück.) Auch diese Information macht sich nicht so gut in einem pastelligen Motivations-Post, oder?
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Auf Pinterest gibt es mittlerweile unzählige Bilder, die Monroe mit Tattoos, Waffen und Bandanas über dem Mund zeigen. Auf Instagram stammen die ältesten Posts unter dem Hashtag #ThugMonroe aus dem Juli 2012. Damals teilte der Nutzer @ryanball ein Bild von einer Zeichnung, auf der die Hollywoodikone komplett mit Tattoos übersät war. “Mein erstes Bild für meine neue Wohnung”, lautete die Bildunterschrift.
In einem anderen Post steht der Instagram-Nutzer @iamdonn_e auf einem Parkplatz und präsentiert sein T-Shirt, auf dem ebenfalls eine tätowierte Marylin Monroe zu sehen ist. “#Parkinglot #Peace #ThugMarilynMonroe”, kommentierte er das Bild. Kurze Zeit später postete die Nutzerin @Thatcrazynerdyshortgirl ein Foto, auf dem sie ihren Mittelfinger in die Kamera hält, während sie ein T-Shirt trägt, auf dem Monroe ihrerseits zwei Waffen in den Händen hält.
Die meisten dieser T-Shirts wurden ohne Genehmigung der Authentic Brands Groups (ABG) hergestellt – dem Unternehmen, das die Rechte an dem Bild von Monroe besitzt. Instagram-Nutzerin @Emilyyyyaf hat ihr #ThugMarilyn-Shirt von einer Freundin bekommen. “Wir sind nicht mehr befreundet. Sie ist eine Hure, aber das T-Shirt werde ich immer behalten”, erklärt sie.
Sie glaubt, dass in den Bildern Monroes wahre Persönlichkeit sichtbar wird. Obwohl die Schauspielerin aus heutiger Sicht ziemlich brav erscheint, sorgte sie in den 50er-Jahren mit ihren Nacktfotos und ihrem offenen Umgang mit dem Missbrauch in ihrer Kindheit schließlich für jede Menge Kontroversen. “Man muss sich mal ihre Lebensgeschichte ansehen”, sagt @Emilyyyyaf. “Einige Menschen (Vollidioten) hielten sie für eine Schlampe, weil sie im Playboy war.”
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Laetina Burns glaubt auch, dass die Tattoos Monroes wahres Ich zur Geltung bringen. Die 42-Jährige hat den Hashtag entdeckt, als sie von New York zurück nach Los Angeles zog. Als sie ihre neue Nachbarschaft erkundete, stieß sie auf Läden, die Popkultur mit Streetwear paarten und T-Shirts mit Aufschriften wie “Commes Des Fuck Down” verkauften. Dort ist sie auf eine Decke mit einer tätowierten Marilyn gestoßen, auf deren Bauch “Never Stop Dreaming” stand. Natürlich hat sie die Decke sofort gekauft.
Obwohl die Zeichnungen unter dem Hashtag #ThugMarilyn auf fragwürdigen Stereotypen beruhen, glauben die Macher, dass sie Monroes Leben und ihrem Vermächtnis dadurch eine gewisse Authentizität verleihen. Letztendlich stecken die Bilder voller Widersprüche – genau wie das Leben von Marilyn Monroe: Während sie in der Öffentlichkeit das naive Blondchen spielte, kämpfte sie privat mit unzähligen Tragödien und den kontroversen Diskussionen über ihre Sexualität. Ein Leben, das zu widersprüchlich und facettenreich war, um es lediglich in eindimensionale Sinnsprüche zu pressen.