Es gibt Frauen mit Prostata, Männer mit Eierstöcken und Menschen, die sich geschlechtlich nicht einordnen. Das ist eine Tatsache, die jedoch bei vielen Ärztinnen und Ärzten noch nicht so richtig angekommen ist. Gerade ein Besuch beim Gynäkologen kann deshalb für Transmänner, intergeschlechtliche oder nicht-binäre Menschen zu einem Problem werden. Denn nicht nur das Personal in der Praxis reagiert überrascht, wenn ein Mann im Wartezimmer sitzt oder einen Termin ausmachen möchte, sondern auch Patientinnen.
In Deutschland ist es seit 2011 möglich, den Namen und Personenstand ohne körperliche Anpassungen zu ändern – davor war dies erst nach einer geschlechtsangleichenden Operation möglich. Das Gesetz glich Recht und Lebensrealität von Transmenschen ein wenig an und machte es für Transmänner möglich, ihre Zugehörigkeit zum männlichen Geschlecht auf offiziellen Papieren anzugeben – selbst wenn sie Vagina, Eierstöcke oder Gebärmutter haben. Seit 2017 können Behandlungen wie die Prostata-Untersuchung oder Mammografien unabhängig von der personenstandsrechtlichen Geschlechtszuordnung abgerechnet werden. Erst seit Juli 2019 ist es einfacher, die Behandlungen von Trans- und Intermenschen auf üblichem Wege über die Krankenkasse abzurechnen.
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Wir haben mit Transmännern über ihre Besuche beim Frauenarzt gesprochen und sie gefragt, wie sie sich dabei gefühlt haben.
Julian, 25: “Ich habe angefangen zu weinen.”
“Ich konnte mit meinen Geschlechtsorganen nichts anfangen und wollte dort auch nicht berührt werden. Genau deshalb wollte ich einen Besuch beim Gynäkologen vermeiden. Das war aber irgendwann nicht mehr möglich. Bevor ich meine Hormonbehandlung anfangen konnte, musste ich hin. Ich hatte große Angst und war panisch – auch weil es insgesamt eine ziemlich schwere Zeit für mich war.
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Weil ich wusste, dass ein Ultraschall gemacht werden muss, den der Arzt auch durch die Bauchdecke machen kann, habe ich vor meinem Termin so viel Wasser wie möglich getrunken. Der Ultraschall durch die Bauchdecke soll nämlich bei voller Blase besser funktionieren. Mein Arzt verlangte trotzdem, dass ich mich auf den Gynäkologenstuhl setzen und meine Beine spreizen soll. Dann hat er mir die Ultraschallsonde reingesteckt, und ich war wie erstarrt. In diesem Moment wurde mir klar, dass meine Geschlechtsorgane wirklich nicht zu meinem Körper gehören. Die Untersuchung hat das Verhältnis zu meinem Körper langfristig verändert. Es war so schlimm für mich und hat mein Problem viel größer und schlimmer gemacht, als es sowieso schon war. Ich habe angefangen zu weinen. Mein Arzt hat scheinbar nicht verstanden, was mit mir los war. ‘Deine Blase ist aber ziemlich voll’, sagte er noch. ‘Ja, ist sie, du Arschloch’, dachte ich mir nur.
Danach fing ich an, Hormone zu nehmen und musste noch ein zweites Mal zur Praxis, um meine Brust untersuchen zu lassen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen Bart – und saß zwischen all den Frauen im Wartezimmer. Alle haben mich angestarrt und waren verwirrt, wahrscheinlich, weil ich ohne weibliche Begleitung da war. Bei der Untersuchung haben dann zwei Ärzte an mir herumgetastet. Für mich fühlte sich das ziemlich rücksichtslos an.”
Damian, 23: “‘Ich glaube, sie sind hier falsch’, sagte die Arzthelferin.”
“Ich habe lange versucht, den Gang zu einem Gynäkologen oder einer Gynäkologin zu vermeiden. Ich wollte einfach nicht hingehen. Es war mir zu unangenehm, in die Praxis zu gehen, weil ich dachte, dort würden mich alle anschauen. Außerdem will ich nicht immer jedem erklären, dass ich trans bin. Nachdem ich meine Gebärmutter entfernt bekommen habe, musste ich aber für eine Nachuntersuchung zu einer Gynäkologin.
Da mein Namen auch auf offiziellen Dokumenten geändert ist, war die Person am Telefon verwirrt, als ich einen Termin ausmachen wollte. ‘Ich glaube, sie sind hier falsch’, sagte sie nur. Nachdem ich erklärt habe, dass ich trans bin, reagierte sie aber professionell. Das war beim Termin dann auch so. Die Praxis war glücklicherweise fast leer – Außerdem war sie in einem Ärztehaus. So konnte niemand nachvollziehen, zu welcher Ärztin ich gehe. Doch obwohl sich alle professionell verhalten haben, war der Termin für mich ziemlich unangenehm. Ich war aufgeregt und einfach nur froh, als ich es hinter mit hatte. Ich hoffe, ich muss in Zukunft nicht mehr hin.”
Alex, 33: “Ich merke, dass es Unruhe erzeugt, wenn ich im Wartezimmer sitze.”
“Ich werde zwar immer als Transmann gelesen, bezeichne mich aber selbst als nicht-binär und sehe mich eher außerhalb des Spektrums von Mann und Frau. Seit mittlerweile fünf Jahren nehme ich Testosteron und fühle mich seitdem viel mehr wie ich selbst, als jemals zuvor. Ich erkenne und fühle mich seitdem selbst. Vorher war ich wie taub.
Ich gehe einmal im Jahr zum Gynäkologen, um einen Abstrich machen zu lassen. Außerdem habe ich durch die Testosteronbehandlung Unterleibsschmerzen bekommen gegen die ich eine Östrogenkur verabreicht bekommen habe. Das ist bei vielen Transmenschen mit Gebärmutter so – die Forschung ist in diesem Gebiet aber noch nicht weit. Jedes Mal, wenn ich einen Termin ausmachen möchte, sind die Personen in der Sprechstunde verwirrt. ‘Machen sie einen Termin für ihre Partnerin?’, werde ich immer gefragt. In der Praxis muss ich mich doppelt ausweisen, weil das Foto und der Name auf meiner Krankenversicherungskarte nicht mehr passen. Ich merke, dass es Unruhe erzeugt, wenn ich im Wartezimmer sitze. Die anderen Patientinnen schauen mich immer verwirrt an, manchmal sogar abwertend.
Einmal wurden mir viele intime Fragen während eines Termins zu meiner Familie gestellt. ‘Du hast bestimmt ein schlechtes Verhältnis zu deinem Vater’, sagte der Arzt, während er seine Hand in mir hatte. Er ging wohl davon aus, dass Transmenschen immer eine schlechte Beziehung zur Familie haben. Außerdem wurde ich bisher immer nach meinem Sexualverhalten gefragt, und alle gingen davon aus, dass ich Sex mit Männern habe – vermutlich weil ich eine Vagina habe. Immer wieder wurde mir auch empfohlen, meine Gebärmutter entfernen zu lassen – obwohl ich das nicht möchte. Ich könne durch die Testosteronbehandlung angeblich sowieso keine Kinder mehr bekommen, bekomme ich dann zu hören.”
Markus*, 28: “Meine beste Freundin war meine Alibi-Begleitung.”
“Ich musste vor einigen Jahren zum Gynäkologen, um die Freigabe für meine Testosteronbehandlung zu bekommen. Ich hatte große Angst vor dem Termin und wollte nicht hin. Meine beste Freundin ist deshalb mit und war meine Alibi-Begleitung. Ich wollte, dass es so wirkt, als sei ich ihr Freund, um verwirrte Blicke zu vermeiden. Das hat mir geholfen.
Während des Termins bin ich dann total verkrampft und es war ziemlich schmerzhaft. Der Arzt war schnell, und ist nicht wirklich auf mich eingegangen. Zu Hause bin ich in Tränen ausgebrochen. Die Situation ist einfach schrecklich: Man wird gezwungen, irgendwohin zu gehen, wo man nicht sein möchte und wo man noch dazu einfach nicht hin passt. Was ich aber auch sagen kann: Je weiter ich in der Transition war, desto weniger Probleme hatte ich damit. Mittlerweile kann ich lockerer damit umgehen.”
*Name von der Redaktion geändert
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