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Türkische Küche kann weit mehr als nur Kebab

Im Oklava, das im Herbst letzten Jahres eröffnet wurde, nimmt sich Chefköchin Selin Kiazim ganz selbstverständlich der klassischen zyperntürkischen Küche an, kombiniert mit den Street-Food-Trends aus Istanbul. Und widerlegt damit jedes Kebab-Klischee.

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Selin Kiazim. Alle Fotos von Liz Seabrook

Ihre Eltern kommen beide aus dem türkischen Teil Zyperns. Selin wuchs in Nordlondon in einem multikulturellen Umfeld auf und besuchte als Kind oft ihre Großeltern im ländlichen Norden der Insel. Kochen für und mit anderen gehörte immer zu ihrem Leben: Ihre Mutter hat oft das Essen für große Familienfeiern zubereitet, ihre Großmutter hat sich mit den Frauen im Dorf einen Lehmofen geteilt oder Selin hat am Strand gemeinsam mit ihren Freunden gegrillt.

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Dass sie ihr Leben dem Essen widmen würde, hätte Selin allerdings nie gedacht.

„Tief im Herzen wusste ich, dass ich das machen wollte, aber ich hatte auch ein bisschen Angst davor”, erzählt sie mir, als sich das Oklava gerade leert. „Allerdings hat mir nichts so viel Spaß gemacht wie das Kochen. Irgendwann war mir klar, dass ich ein eigenes Restaurant haben wollte.”

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Schon früh hat sie die ersten internationalen Wettbewerbe gewonnen, darunter auch die mittlerweile nicht mehr existente British Culinary Challenge der NZ-UK Link Foundation, wo unter anderem der berühmte neuseeländische Koch Peter Gordon in der Jury saß. Sokonnte sie eine Zeit lang in Neuseeland und in Peter Gordons Fusion-Restaurant The Providores and Tapa Room im Londoner Stadtviertel Marylebone arbeiten. Danach wurde sie Souschefin in Gordons nächstem Restarant, Kopapa, das vor allem für seine wagemutigen Aromen und Texturengefeiert wurde.

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Der ziemlich abenteuerliche Stil von Peter Gordon passte perfekt zu Selin.

„Seine Kreationen sind geschmacklich einfach unglaublich. Bis heute habe ich nichts Vergleichbares finden können”, meint sie. „Damals hatte ich noch keine Ahnung, was und wie ich kochen sollte, er war also ein idealer Mentor für mich, da er ein unglaubliches kulinarisches Wissen hat.”

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Kiazim bei der Arbeit im Oklava

Nach kurzer Zeit schafften es ihre Gerichte auf Gordons Karte—und bei einem hat sie sich von ihrer Kindheit inspirieren lassen.

„Ich habe eine neue Version von Köfte mit Bulgur kreiert, einem zyprischen Gericht, und die gingen weg wie warme Semmeln. Ich war total begeistert, dass es ein so einfaches Gericht, das meine Mutter und ihre Freunde in unserer Küche stundenlang gemeinsam zubereitet haben, auf die Karte eines Restaurants in London geschafft hat”, erinnert sie sich. „Da wurde mir klar, dass viele türkische Gerichte einfach noch nicht in der modernen Gastronomie angekommen sind.”

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Nach ihrer Zeit im Kopapa sammelte Selin Kiazim ein bisschen Erfahrung in diversen Pop-up-Restaurants und ergatterte schlussendlich einen festen Job beim TripSpace, einem Veranstaltungszentrum in einem alten Bahnbogen ganz in der Nähe des Regent’s Canal.

„Das war etwas vollkommen Neues: Ich konnte die Karte komplett selbst zusammenstellen und mich von meiner Kultur inspirieren lassen, ähnlich wie auch beim Oklava: Essen mit Gemeinschaftsgefühl”, meint Selin. „Einige Gerichte dort waren so beliebt, dass sie einfach auf die Karte mussten.”

Nachdem sie von Giles Goren, Restaurantkritiker bei der Times, in den höchsten Tönen gelobt wurde—„Absolut originell und der Geschmack haut einen um.”—, bekam sie wieder ein Angebot eines Pop-up-Restaurants, wo sie ihre jetzige Geschäftspartnerin Laura Christie kennenlernte. Gemeinsam haben sie die perfekte Location gesucht, wo die wichtigsten Dinge Platz hatten: ein Lehmofen, ein Holzkohlegrill und eine offene Küche.

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Das war die Geburtsstunde des Oklava. Heute finden sich auf der Karte sehr simple Gerichte, wie frittierte Zucchini, Feta und Minze—und eben Dinge wie Pide mit Tintenfisch.

„Das Besondere daran ist, dass wir denn Tintenfisch erst dünsten, dann auf den Grill legen und dann marinieren. Das Ganze wird verfeinert mit Ricotta, grünen Oliven, Honig und Kapernzweigen”, erklärt Selin. „Ich versuche ein gutes Gleichgewicht zwischen süß, salzig und sauer hinzubekommen, aber das ist nicht jedermanns Geschmack. Da passiert einfach geschmacklich sehr viel.”

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Zu ihren persönlichen Favoriten gehört şeftali kebabı, Fleisch vom Spieß umhüllt mit einem Fettnetz vom Lamm, unddie in Lammfett gebackenen Ofenkartoffeln mit Haloumi, Enten-Spiegelei und einer Karamell-Sherryessig-Sauce.

„Ich habe mich von meiner Mutter inspirieren lassen, die als schnelles Abendessen immer Bratkartoffeln gemacht hat”, erzählt sie.

Gegrillter Seeteufel gehört auch zu ihren Lieblingsgerichten—und ist außerdem eine Reminiszenz an ihre Zeit mit Peter Gordon.

„Zuerst grillen wir den Fisch über Holzkohle, dann kommt noch ein Dressing aus urfa biber, getrockneten Chilischoten aus der Türkei, drüber—klassisch mit Zitrone, Honig und Sojasauce und Fischsauce. Also ein kleiner asiatischer Touch, den man aber auch in Istanbul findet”, erklärt sie mir. „Fischsauce gab es schon bei den Byzantinern, die nannten sie garum.

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Natürlich gibt es auch zyperntürkische und türkische Klassiker wie lahmacun und imam bayildi, gefüllte Aubergine, und natürlich scharfes kofte lavash mit Lammfleisch.

„Das zyprische Essen ist etwas simpler als das türkische, hier wird mit mehr Gewürzen und mehr Butter gekocht”, meint Selin. „Weil Zypern eben eine Insel ist, kocht man mit den Zutaten, die es im Überfluss gibt: Petersilie, Olivenöl und Zitronen. Die Produkte von dort sind einfach fantastisch.

Obwohl sie die zyprischen Zutaten liebt, versucht sie, keine Produkte zu importieren, wenn es auch Alternativen aus britischem Anbau gibt.

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„Ich möchte mit regionalen und saisonalen Zutaten kochen, allerdings müssen einige Dinge einfach importiert werden, weil hier nicht so viel Sonne scheint”, erklärt sie und fügt hinzu, dass sie ab und zu auch Obst und Gemüse verwendet, das ihre Großeltern in Zypern anbauen. „Sie haben einen Olivenhain und stellen ihr eigenes Olivenöl Extra Vergine her, und auch eines, das sie aus gekochten Oliven machen. Das habe ich bisher nirgendwo finden können. Es hat einen ganz eigenen Geschmack.”

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Selin Kiazim will den Londonern nicht nur die Küche ihrer Heimat näherbringen, sondern auch die Weine der Region: Jeder Wein auf der Karte des Oklava kommt aus der Türkei.

„Die Weine haben sich erstaunlich entwickelt, das hat mich richtig überrascht. Ich wollte unbedingt etwas Neues mit den Weinen aus der Region probieren, also hat Laura sich genauer damit beschäftigt.”

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Am Wochenende gibt es im Oklava traditionellen türkischen Brunch.

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„Wir machen ihn genauso wie in Istanbul. Es gibt alles, was es auch sonntags immer bei mir zu Hause gab: Eier, Gurken, Tomaten, Käse, etwas Süßes und frisches Brot”, erzählt sie. „Man sitzt stundenlang beisammen und chillt einfach. Und das machen die Leute hier auch. Wenn man so viel isst, hat man es einfach nicht eilig.”

Manchmal muss man an Traditionen einfach festhalten.

Alle Fotos von Liz Seabrook.