Der Plan war einfach: Kurz nach 8 Uhr sollte die Streife bei der Berufschule vorfahren, den 20-jährigen Afghanen einsammeln und ihn in “Abschiebegewahrsam” nehmen. Eigentlich Routine, das hatte die Polizei in Nürnberg jetzt schon ein paarmal so gemacht, und außer ein paar Protesten danach hatte es nie Probleme gegeben. Bis zum heutigen Mittwoch.
Keine drei Stunden später herrschte vor der Schule Chaos. Nachdem spontan Hunderte Schüler beschlossen hatten, die Mitnahme ihres Schulkameraden mit Sitzblockaden vor dem Streifenwagen zu verhindern, holten die Polizisten mehrmals Verstärkung, irgendwann riefen sie sogar die Bereitschaftspolizei herbei. Mit Schlagstöcken, Pfefferspray und roher Gewalt (“unmittelbarer Zwang”, wie es in der Polizeimeldung heißt) versuchten die Beamten, die Schüler aus dem Weg zu schaffen.
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“Es gab Tränen, es gab Gewalt”, erzählt Barbara Fraass, die Sozialpädagogin der Schule, gegenüber VICE. “Die sind mit Schlagstöcken und völlig aufgehetzten Hunden gegen die Schüler vorgegangen.”
Videos von den Vorgängen sehen dramatisch aus. Die Polizei hat mittlerweile gemeldet, bei den Handgemengen seien insgesamt neun Polizisten verletzt worden, die Beamten seien “mit Fahrrädern und Flaschen beworfen” worden. Drei Demonstranten wurden vorläufig festgenommen.
Nachdem der Streifenwagen mit dem darin eingeschlossenen afghanischen Schüler bereits mehrere Stunden festgesessen hatte, entschloss sich die Polizei, ihren Gefangenen zu Fuß in ein anderes Fahrzeug zu transportieren – und konnte ihn so schließlich vom Gelände bringen, berichtet eine lokale Nachrichtenseite. Die Demonstranten zogen daraufhin vor die Nürnberger Ausländerbehörde, um weiter gegen die Abschiebung zu demonstrieren.
Seine Lehrer beschreiben den abzuschiebenden Schüler als “sehr gut integriert” und einen “fleißigen Schüler”, der bereits seit vier Jahren in Deutschland lebe. “Wir waren alle geschockt, als er heute aus dem Unterricht abgeholt worden ist”, sagt Barbara Fraass. Die Sozialpädagogin ist über die Vorgehensweise der Polizei empört. “Die Schule ist ein Ort der Sicherheit. Die Leute sollen hier lernen, die wollen sich integrieren. Das geht nicht, wenn sie immer Angst haben müssen.”
Schon im April sei ein Schüler um sechs Uhr morgens aus seiner Unterkunft heraus verhaftet und abgeschoben worden, erzählt Fraass. “Die Klasse war danach zwei Wochen nicht beschulbar, die hatten nur noch Angst”, sagt Fraass.
Abschiebungen nach Afghanistan sorgen immer wieder für heftige Proteste – auch, weil der Status Afghanistans als sicheres Herkunftsland heftig umstritten ist. Knapp zwei Stunden bevor die Polizisten in Nürnberg den Berufsschüler zu seiner Abschiebung abholten, explodierte in Kabul vor der deutschen Botschaft eine Autobombe, die bis zu 80 Menschen in den Tod riss – darunter einen Mitarbeiter der Botschaft. Das Botschaftsgebäude wurde bei der Explosion schwer beschädigt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat deswegen eine für heute geplante Massenabschiebung von abgelehnten Asylbewerbern nach Afghanistan ausgesetzt – allerdings nur, um die “Botschaftsmitarbeiter zu schonen”. Am Schicksal des verhafteten Berufsschülers ändert das wohl nichts.