Street Food ist meine Schwester und ich schütze ihre Ehre. Für MUNCHIES bin ich deswegen ab sofort regelmäßig auf geheimer Mission in Berlin unterwegs, um genau die Spots ausfindig zu machen, die für kleines Geld perfektes Essen bieten. Unprätentiös, kostengünstig und schmackhaft–das wahre Street Food Berlins. Dieses Mal in Kreuzberg, um mich mit scharfem Ahornsirup und kanadischer Pizza in der Mittagshitze unter einem zwei Meter großen Elchkopf aus Plüsch beerdigen zu lassen.
In Berlin kann man nun wirklich nicht über das Angebot und die reine Massenpräsenz an Pizzaläden klagen. Einige der Shops sind lediglich gähnend langweilig, andere sind orientalisch und aufregend in der Quantität an getrockneter ALDI-Oregano-Würze und wieder andere bringen matschige Aufbacklappen zuverlässig von Tür zu Tür, immer genau dann, wenn man zu faul ist eine straßentaugliche Hose anzuziehen, aber trotzdem dinieren möchte wie ein 14-jähriger Serienfreak an einem Sturmfreiwochenende, dem die Eltern zwanzig Euro und eine ZEWA-Rolle daheim gelassen haben. Wir haben hier in Berlin eine Menge amerikanische Pizzen. Zwar keine Chicago Deep Dish Styles, aber daran arbeiten wir ja hoffentlich noch in dieser verdammten Hauptstadt. Berlin beglückt seine Touris und Einwohner also mit reichlich Backpulverböden, italienischen Schinkencollagen und mit Holzofenpizzen bis zum Erbrechen, mit thin Slices, mit Goudaabdeckung, mit Ekel und Genuss. Pizza ist gut. Pizza ist überall und wenn ich Pizza sehe, dann will ich auch welche haben. Fuck! Bei Ron Telesky gehe ich am liebsten shoppen.
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Ob nun aber türkische oder Artisanal Pizza mit „Büffelmozza” und Bio-Basilikum aus den Prinzessinnengärten, wenn Ron die Bildfläche betritt, wird alles andere erstmal zweitrangig. Und genau hier findet ihr meine absolute Lieblingspizza. Weltweit. Im kleinen, beschaulichen Kreuzberg, bei so einem Typen, der nicht mal echter Kanadier ist, vermute ich. Aber eine gute Idee hatte Ron und sein Handwerk beherrscht er wie kein Zweiter. I love you, Ron, auch wenn du bestimmt eigentlich ganz anders heißt. Vielleicht Walter oder so. Ich komme also wöchentlich und möchte euch nun auch für kanadische Pizzaliebe in meiner Genussarmee rekrutieren.
Der Laden erinnerte mich bei meinem ersten Besuch vor zwei Jahren an meine frühkindlichen Erfahrungen mit Polly Pocket. Sehr klein, sehr puppig, aber dadurch auch irgendwie angenehm vertraut und man weiß gleich wo alles Wichtige ist: Pizza, Saucen, gemütliche Tische und der verlockend leuchtende Getränkekühlschrank mit den erfrischenden Limos und Softdrinks aus den exotischsten Regionen Kanadas. Man muss sich nur erstmal die paar Stufen in den Pizzakeller runterwagen, wie so jemand mit Mut und Bärenhunger, seinen massigen Körper durch die Klapptüren quetschen und nicht davor zurückschrecken, mit Fingern in die mehlige Auslage zu zeigen und „Das! Das! Und davon noch eins!” zu rufen.
Ron verkloppt also kanadische Pizza an seine werten Kunden. Was genau ist aber eine kanadische Pizza, fragen wir uns in unserer grenzenlosen Kartoffelheit und werden zum Glück vom lieben Ron genau an der Stelle abgeholt, an der wir uns befinden: Kartoffeln nämlich. Es gibt also Pizza mit Süßkartoffeln, mit Kartoffelscheiben, Crème fraîche und der absoluten Geheimzutat und dem eigentlichen Star des Pizzatempels: dem scharfen Chili-Maple Syrup, auf den ich in allen Lebenslagen schwöre wie auf einen treuen Bruder. Als Beautyprodukt, als Lebensmittel und als Berater in seelischen Notlagen. Dieser Sirup ist mein Krisenmanager und Therapeut. Nichts bringt meinen Bobbes auf der Tanzfläche so fein zum Wiggeln wie dieser Sirup. Get it!
Für alle, die es irgendwie eher hot und wurstlastiger mögen, hat Ron auch Fleischiges im Angebot: Eine köstliche Salamipizza oder seine Bacon-Variationen, die an Flammkuchen erinnern. Nur saftiger und geschmacklich intensiver. Flach und lappig. Im Steinofen gebacken und dann schnell neben den Kassen noch mit einem Kilo scharfer Chilliwürze verfeinert.
Ron ist bekannt für seine fancy Variationen: Seine Pizza ist immer wie ‘ne Schachtel Pralinen. Man weiß nie was man bekommt. Und dann steht man mitten im Laden und die Auslage ist manchmal erschreckend leer oder eben zum Bersten gefüllt mit unterschiedlichen Pizzen und man freut sich oft wie ein König, wenn man das letzte Stück der Gorgonzola-Pizza noch vor dem Typ hinter einem in der Schlange abgegriffen hat, der jetzt enttäuscht und mit traurigem Gesicht nach Hause gehen muss.
Wie selbstverständlich stehen die veganen Variationen den anderen Pizzen in nichts nach und sind in der Regel (das meine ich ernst) sogar oftmals noch interessanter und leckerer. Übliche Variationen sind hier Funghi, Summer of 69 mit Korianderpesto, Süßkartoffeln und schön saftiger Mango sowie Flaming Quebec mit Crème fraîche, Mozzarella, Cheddar, Zwiebeln und Speck. Couchpotato mit Sweet Potatos, Kartoffeln, intensivem Rosemarin und Cheddar sowie mein zweiter Favorit: Cronenberg Crash mit Cilantro Pesto, frischer Mango, Tandoori Tofu, Erdnüssen und Paprika.
Dazu findet man immer passende Dips zum Selbstgarnieren: Sweet Mustard, Rucola, hausgemachten Tabasco oder die besagte Hot Maple Sauce.
Wenn ich eines Tages mal heirate, lege ich meine Hochzeitsgeschenkliste bei Ron in der Auslage aus.
Der Ort:
Ein Keller, in dem man sich auch irgendwie den Beginn des neuen Saw-Films vorstellen könnte. Jemand hat einen riesigen Plüsch-Elch an die Wand gehangen. Daneben ein Flipper und ein Miniaturnachbau des Restaurants aus Lego. Hinter der Theke fuhrwerkt Ron mit dem vermutlich besten Pizzateig Berlins und belegt seine veganen Pizzen mit geilem Scheiß wie Mango, Süßkartoffeln, Bacon und mixt Sirup. Der Ofen ballert wie ein Bekloppter.
Vor dem Laden stehen Bänke im Halbschatten der Bäume und man munkelt, es wäre der schönste Ort in Kreuzberg für eine erholsame Lunchpause.
Die Klientel:
Ganz klassisch treffen sich hier schöne Menschen, die kein Problem damit haben, mit den Händen zu essen und sich Sirup aus Flaschen über ihre Pizzen zu schütten. Dresscode ist ein Lachen und glänzende Siruplippen.
Das Gericht:
Ein Root Beer, ein Stück Back to the future mit Marinara, Mozzarella, Cheddar, Gorgonzola und gerösteten Erdnüssen sowie ein Slice Cronenberg Crash. Mehr braucht kein Mensch zum Glücklichsein.
Tipps:
Mein Tipp ist eher der Befehl, alles stehen und liegen zu lassen und diesen Ort unverzüglich aufzusuchen.
Preis:
Slices starten bei 2,50 Euro. Man muss dabei aber immer im Hinterkopf behalten, dass die Teile echt nicht gerade klein sind, was eine gute Sache ist. Außerdem kann man sich Rucola und hausgemachte Dips dazupacken. Ich, zum Beispiel, bin waghalsige 1,74 m groß („Na, wie ist die Luft da oben?”) und habe die riesigen Hände eines grobschlächtigen Bauarbeiters, die (wie auf dem Foto unschwer zu erkennen) unter der Masse des Slices eher klein und grazil wirken. Toll für Fotos! Gut für den Hintern!
Man munkelt es gäbe auch „Lunch-Offers” für 6 Euro mit 2 Slices und einem Softdrink.
Dieffenbachstrasse 62
10967 Berlin Kreuzberg