Ein Still aus dem Film Dune. Ein Sandwurm taucht aus dem Sand auf. Davor stehen zwei Menschen in der Wüste.
Bild: Warner Bros. Pictures
Popkultur

Magie, Monster, Kolonialismus: 'Dune' wird das neue 'Game of Thrones'

Denis Villeneuves neuer Blockbuster ist langsam und verwirrend – und deswegen großartig.

Indigene Völker, politische Intrigen, Monster und Zauberei. Dune ist ein Film, der alles vereinen will. Er ist eine Art Game of Thrones in Space, nur viel sperriger, viel weniger Pop. Er überfordert sein Publikum mit seiner Melange aus Konzepten, Ideen und Strukturen, um es gleichzeitig optisch und akustisch so zu beeindrucken, dass es sich das alles gerne antut. Und anders als Game of Thrones ist Dune ein höchst politischer Film, der am Ende auch dazu dient, die neokolonialen Ideen des Westens zu entblößen.

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Dune ist ein Wüstenplanet. Eigentlich heißt er Arrakis und Dune ist mehr umgangssprachlich. Auf Dune, dem Wüstenplaneten, gibt es Spice. Spice ist eine Droge, die Menschen zum interstellaren Reisen brauchen. Spice ist also auch ein Rohstoff. Und zwar der wertvollste im Universum.


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Bislang hat das Herrscherhaus der Harkonnen, eine fiese Dynastie von Spice-Junkies, Dune für den Imperator kommissarisch verwaltet und dort das Spice abgebaut. Die Handlung setzt ein, als sie diesen Auftrag an die Dynastie der Atreides verlieren. Die Atreides kommen von einer Wasserwelt mit nebelverhangenen Hügel und saftig grünen Auen und ihre Zeremonien werden vom Dudelsack begleitet.

Nun gibt es auf Arrakis nicht nur fremde Herrscherhäuser, sondern auch eine indigene Bevölkerung: die Fremen. Die haben sich an das Leben in der unwirtlichen Wüste angepasst und wurden von den Harkonnen brutal verfolgt. Im Gegenzug sabotierten sie den Spice-Abbau und verübten Anschläge auf Harkonnen. 

Die Atreides wollen jetzt eine neue Art der Herrschaft etablieren. Kooperation und friedliche Koexistenz statt Verfolgung. Die Atreides sind die Guten. Die Harkonnen sind die Bösen. Das ist noch alles recht simpel. Der Imperator, das sehen wir bald, ist auch böse. Der Machtwechsel auf Arrakis basiert nämlich auf einem Komplott, das letztlich auf das Leben von Leto Atreides abzielt, den Patriarch der Familie. Den spielt Oscar Isaac – und zwar genauso großartig wie ausnahmslos alle anderen Schauspielerinnen und Schauspieler ihre Rollen. 

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Der Film begleitet die Familie Atreides bei ihrem Umzug nach Arrakis. Einen Anschlag auf die Atreides überleben schließlich nur ein paar Menschen. Darunter aber Paul, Letos Sohn und Thronfolger, und seine Mutter. Timothée Chalamet spielt Paul mit einer Mischung aus Weltschmerz und Grübelei. In der zweiten Hälfte des Films sehen wir dann, wie er versucht, nach dem Attentat in der Wüste zu überleben.

Die Wüste ist nämlich nicht nur sandig und trocken, sondern auch bevölkert von Sandwürmern. Das sind allerdings keine Würmer im herkömmlichen Sinne sondern riesige Monster, die die gigantischen Spice-Erntefahrzeuge mit einem Happs verschwinden lassen können.

Gerade als Paul erkennt, welchen Weg das Schicksal für ihn vorgesehen haben könnte – Dune ist auch voller Prophezeiungen, Visionen und Träume –, endet Dune. Den Rest der Geschichte wird ein zweiter Teil zeigen müssen.

Exposition, Exposition, Exposition

Dune ist gigantisch. Der Sound von Hans Zimmer ist ein einziger Bass, der das Herz zittern lässt – vor Regung und vor, nun ja, Vibration. Die Bilder sind ebenso erdrückend. Riesige Gebäude, vor denen die Menschen verschwinden, und Raumschiffe, die das gesamte Bild einnehmen. Das erinnert alles an die Nazi-Architektur, vor der das Individuum sich selbst vergessen muss und nur staunen kann. Dazu sehen wir Festungen, die in Bombenexplosionen vergehen, und immer wieder: die rot-glänzende Wüste, die so lebensfeindlich wirkt, weil es einfach kein Entkommen zu geben scheint. Immer wieder fliegen Helikopter, brummen schwere Erntemaschinen über sie hinweg. Und sie alle wirken genauso winzig und verloren wie schließlich Paul Atreides und seine Mutter.

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Weil die Welt von Dune so fremd ist, besteht der Film zu großen Teilen aus Exposition. Es muss viel erklärt werden in diesem Film, dessen Vorlage, ein Roman von Frank Herbert aus den 60ern, lange als unverfilmbar galt, weil sie so sperrig und komplex ist. David Lynch hat sich in den 80ern tatsächlich einmal daran versucht und ist, hier gehen Meinungen natürlich auseinander, aber die Mehrheit dürfte sagen: gescheitert. 

Denis Villeneuve, der Regisseur des aktuellen Films, scheitert nicht. Aber er lässt sich auch doppelt so viel Zeit wie Lynch. Das einzige, was man ihm vorhalten kann, ist, dass er Dune zwar für Erwachsene inszeniert – der Film ist sperrig und komplex, ruhig und langsam erzählt, er ist kein Star Wars und eben auch kein Game of Thrones – gleichzeitig aber auch für ein jüngeres Publikum. Es gibt kaum Blut, kaum Gewalt, kaum Ekel. Bei David Lynch waren die Harkonnen noch so böse, dass ihnen die Eiterbeulen im Gesicht platzten. 

'Dune' und der Neokolonialismus

Ernsthafter wird Villeneuves Dune allerdings in seiner Aussage, seinen Assoziationen. Die Fremen sind nämlich ein Wüstenvolk voller People of Colour, das kämpft wie Partisanen und sich wehrt gegen die weitgehend weißen Eindringlinge aus fremden Welten, die in ihrer Heimat Militärbasen und Raffinerien installieren, um ihre Rohstoffe abbauen zu können. Am Anfang des Film fragt eine Fremin aus dem Off, wer wohl als nächstes kommen wird, um ihren Heimatplaneten zu unterdrücken.

Wir sehen im Film Helikopter, die durch die Wüste gleiten und im Profil ein bisschen an Blackhawks erinnern, wir sehen die Dekadenz der neuen Herrscher, die sich Bäume in ihre Festung setzen, obwohl die mehr Wasser verbrauchen als jeder Mensch, und an einer Stelle wird erklärt, dass Arrakis ein Paradies sein könnte, wenn die Mächte aus der Ferne nicht lieber dessen Rohstoffe plündern würden. Die fremden Herrscher sprechen von den Fremen als "gefährlich und unzuverlässig".

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Kurz: Villeneuve scheint hier zeigen zu wollen, wie der westliche Imperialismus die Länder des Nahen Ostens ausbeutet. Die Parallelen zu Afghanistan sind besonders deutlich. Dass Dune jetzt ins Kino kommt und nicht, wie ursprünglich geplant, im letzten Winter, macht diese Analogie noch deutlicher. Arrakis ist der Nahe Osten, die Fremen sind diejenigen, die von den Invasoren als Terroristen gelabelt werden, die sich gegen die Eindringlinge wehren. In Afghanistan haben sich die Supermächte historisch gegenseitig die Klinke in die Hand gegeben. Zwischen dem Abzug der Sowjetunion und dem Einmarsch der westlichen Allianz lagen keine 15 Jahre. In Dune sind es nun die Harkonnen und die Atreides.

Das ist teilweise schon etwas sehr offensichtlich, aber schafft auch einen Bezug zu diesen Menschen – sowohl den Fremen als auch den Menschen im Nahen Osten, die ja immer noch im Krieg gegen den Terror sterben. Und so wird sich Villeneuve auch vorwerfen lassen müssen, dass er Sympathien für Terroristen erzeugt. Er stellt die Frage: Was würdet ihr denn tun, wenn jetzt Leute aus der Luft kämen, die euch unterdrücken wollen, eure Kultur beseitigen, eure Schätze rauben? Der Westen kommt nicht gut weg in Dune.

Erwachsen und langsam

Am Ende funktioniert der Film aber auch aus anderen Gründen. Er funktioniert, weil er sich genug Zeit lässt, die ganze magische Schwurbelei zu erklären, gleichzeitig die Story voranzutreiben und glaubhafte und sympathische Figuren aufzubauen. Die Kosten dafür sind natürlich hoch: Die Hälfte der Geschichte, die Frank Herbert sich damals ausgedacht hat, fehlt.

Aber auch das verzeiht man Villeneuve. Dafür sind die Bilder einfach zu überwältigend. Jede Szene ist ein Kunstwerk. Das klingt womöglich nach einer Floskel, aber es ist nun einmal so. Jede Szene könnte als Trailer für den Film funktionieren. 

Dune ist ein erwachsener Film. Ein Film, der seinem Publikum etwas zumutet. Dune will kein Pop sein. Wer Bock auf Action hat, auf Schießereien, One-Liner und Drachen, der wird enttäuscht sein. Wer aber Lust auf einen Film hat, in dessen Welt man sich für zweieinhalb Stunden verlieren kann, bei dem man mitdenken muss und trotzdem durchgehend gebannt auf die Leinwand schaut, der wird happy sein.

Wenn Dune nun so erfolgreich wird, wie die ersten Kritiken vermuten lassen, wird diese Welt dennoch Teil des Mainstreams werden. Dann wird Dune trotzdem Pop. Ein zweiter Film, der diese erste Geschichte abschließt, ist recht sicher. Eine Serie befindet sich in Vorbereitung. Frank Herbert hat selbst sechs Romane über die Dune-Welt veröffentlicht. Sein Sohn und andere haben noch viele weitere geschrieben. Dune wird das neue Game of Thrones. Aber wenn Villeneuve weiter ein Auge darauf behält, wird es noch viel geiler.

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