Wir haben Mitarbeiter in veganen Restaurants gefragt, was sie von Veganern halten

Nirgendwo sonst wird dir so deutlich gemacht, dass Menschen Tiere sind, wie in der Gastronomie: Kunden, die zur Primetime absurde Sonderwünsche haben, ungeduldig rumjammern und auch sonst mit Hochdruck daran arbeiten, dir das Leben zur Hölle zu machen – das ist der Alltag von Restaurant-Servicekräften. Es sei denn, du hast Gäste, die besonders auf ihre Umwelt achten. Leute wie die etwa laut Statista 840.000 Veganer, die in Deutschland leben. Aber vielleicht ist das ja auch nur ein Klischee.

Mit mindestens 70 rein veganen Restaurants und unzähligen anderen, die vegane Gerichte auf ihrer Karte haben, ist Berlin wohl der beste Ort in Deutschland, um dem nachzugehen. Wir wollten von Angestellten in veganen Restaurants und Cafés wissen, ob ihre Gäste anders drauf sind als in anderen Läden:

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Paula, 23

VICE: Was ist das besondere an eurem Café?
Paula: Ich habe hier erst vor drei Wochen angefangen. Das hier ist ein Clean-Eating-Restaurant. Wir sind glutenfrei, zuckerfrei und eben vegan.

Wie sieht euer typische Gast aus?
Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt so Foodblogger. Das Erste, was sie tun, ist, ein Foto von ihrem Essen zu machen und dann warten sie. Ich wundere mich manchmal, wieso sie so lange warten. Das Essen wird kalt, aber es ist erstmal wichtig, ein gutes Foto zu schießen, und am besten bestellen sie dann noch einen Smoothie. Den trinken sie dann auch nur halb leer. Denn er muss ja mit auf dem Foto sein. Dann gibt es noch Kunden, die hundert Allergien haben, gegen sehr seltsame Dinge. Zum Beispiel hatte ich gestern einen Kunden, der eine Allergie gegen grünes Gemüse hatte. Und es gibt die richtigen Hippie-Veganer, sehr spirituelle Leute.

Und wie sind die so drauf?
Die sind sehr locker und fragen, ob alles Fair Trade ist und wie unsere Produkte hergestellt werden.


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Hattest du schon mal ernsthafte Probleme mit einem Gast?
Wegen des Essens nicht. Nur manchmal beschweren sich Kunden, dass wir etwas fürs Leitungswasser berechnen. Das liegt daran, dass wir einen speziellen Wasserfilter haben. Unser Wasser ist also “Premium-Wasser”.

Glaubst du, dass Veganer den Klischees, die es über sie gibt, gerecht werden?
Also mit “Ich bin Veganer”-Shirts kommt hier eigentlich niemand rein. Den Kunden ist eigentlich schon klar, dass alles vegan ist. Obwohl manchmal auch Kunden kommen, die Kaffee mit “normaler Milch” bestellen. Dann frage ich sie, was sie denn als normale Milch sehen. Die erwarten dann Kuhmilch, aber wir sind ja ein veganes Restaurant.

Wofür geben Veganer absurd viel Geld aus?
Ich mache mir morgens immer einen Smoothie und darin mixe ich alles, was ich nicht mag. Dazu gebe ich dann noch rohen Kakao, Maca-, Spirulina- und Chlorella-Pulver und manchmal auch noch Lupinen-Protein-Pulver. Es kommt immer ganz drauf an, ob ich Sport gemacht habe. Diese Pulver sind sehr teuer und dafür gebe ich das meiste Geld aus.

Was ist dein Statement an Nicht-Veganer?
Schaut euch den Film Cowspiracy an und informiert euch über das Thema. Also kommt selbst drauf. Ich möchte jetzt auch niemanden davon überzeugen, vegan zu leben.

Ruby, 23

VICE: Kannst mir ein bisschen über euren Laden erzählen?
Ruby: Ja, wir servieren Porridge und Kaffee. Wir haben zwei Läden, einen in Berlin und einen Pop-up-Store in Köln.

Ernährst du dich vegan?
Nein, aber ich esse vegetarisch.

Wie wäre der perfekte Gast?
Er würde einfach etwas von der Karte bestellen, ohne irgendwelche Extrawünsche und ohne sowas wie “Ich will meinen Long Black extra heiß” oder etwas anderes Dummes, was man einfach nicht machen kann.

Was meinst du mit “Long Black extra heiß”?
Ein schwarzer Kaffee wird ja mit kochendem Wasser gemacht. Und man kann ihn nicht noch heißer machen, als er ohnehin schon ist.

Wie sind die Rückmeldungen, die du von Veganern bekommst?
Sie lieben es. Sie sind froh, dass sie einen Kuchen essen können, in dem keine Eier, Milch oder Butter drin sind.

Maren, 36

VICE: Weißt du manchmal schon im Voraus, was die Leute bestellen werden?
Maren: Ne, manchmal bin ich sehr überrascht. Es gibt Leute, die schon um elf Uhr morgens einen Burger bei uns essen und andere, die abends ein Frühstück bestellen.

Gibt es Gäste, die dir besonders in Erinnerung geblieben sind?
Höchstens Leute, die reinkommen und gern ein Wurstbrötchen hätten. Sonst sind das Kunden wie etwa ein Straßenbauarbeiter, der nicht zu unseren Standardkunden zählt. Wenn so jemand hier reinkommt, und wirklich bewusst bei uns isst, ist das wirklich was Besonderes.

Würdest du auch Menschen bedienen, die im Pelzmantel in dein Café kommen?
Ich fände es überraschend, wenn Leute im Pelzmantel in vegane Läden gehen, aber ich würde sie nicht rausschmeißen. Unsere Philosophie ist, dass wir für alle offen sind.

Will, 23

VICE: Erzähl mir was über euer Café.
Will: Es basiert auf der Idee, dass es “vegan-friendly” ist. Alles, was wir servieren, ist vegan, aber wir haben trotzdem noch Milch und Honig für den Kaffee. Wir wollen nicht, dass es ein veganes Café ist, in dem groß steht, das alles vegan ist, weil das Leute oft abstößt. Es ist besser, die Leute einfach nach drinnen einzuladen und ihnen gutes veganes Essen zu servieren.

Wie sind eure Kunden so drauf?
Ich finde, dass wir eine wirklich gemischte Kundschaft haben, weil wir in Neukölln direkt an einer Hauptstraße sind. Es kommen alte Deutsche, Türken, coole junge Leute, viele Expats und Touristen. Es ist eine coole Mischung aus Leuten, die nebenan wohnen und dem Bäcker oder Friseur von der anderen Straßenseite. Es kommen auch total politische Veganer, die uns anscheißen, weil wir Kuhmilch und Honig im Kaffee anbieten. Oder weil die Seife im Bad die Geruchsrichtung Milch und Honig hatte. Es kommen aber auch “Punk-Veganer” zu uns. Mit Tattoos und Piercings und sowas. Ich glaube, das ist so ein Berlin-Ding.

Glaubst du, dass viele Veganer-Klischees wahr sind?
Ich weiß es nicht. Ich glaube, viele unserer veganen Gäste wollen einfach eine politische Identität haben. Ich finde, Veganer zu stereotypisieren ist schwer, weil sie alle so unterschiedlich sind. Ich kenne zum Beispiel einen Typ, der Metzger war und jetzt vegan lebt. Oder einer unserer besten Kunden, ein lieber alter Mann, Günther heißt er, ist 84 und isst hier jeden Tag vegan.

Haben Leute bei euch Dates?
Ja, am lustigsten war es, als wir ein Schild vor der Tür hatten, auf dem “This is the perfect café for your next Tinder date” stand. Die Leute fanden es so lustig, dass sie wirklich angefangen haben, ihre Tinder-Dates zu uns zu bringen. Ein paar Gäste kommen jeden Tag mit einem anderen Mädchen.

Habt ihr schon mal Probleme mit Extrawünschen von Kunden gehabt?
Nicht wirklich. Es ist immer irgendwie humorvoll, auch wenn sie sich beschweren. Wir lachen dann einfach. Man darf sich nicht so sehr darüber aufregen. Manche beschweren sich, dass fast alle unsere Gerichte eine Toast-Basis haben. Wenn sie sich glutenfrei ernähren, können sie es nicht essen. Wirklich kompliziert sind Essens-Trends auf Instagram, die wir nicht anbieten. Zum Beispiel “Matcha-Latte” oder “Rote-Beete-Latte”. Bei solchen Sachen müssen wir immer auf dem Laufenden bleiben. Und manchmal wollen die Leute ihren Kaffee Americano extra heiß. Der wird mit kochend heißem Wasser gemacht, es geht nicht wärmer. Mein Trick ist kochendes Wasser über den Henkel zu schütten. Wenn sie die Tasse dann anfassen, verbrennen sie sich fast die Finger und denken “Wow, der ist echt extra heiß!”

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