Julia mag Designerkleidung und geht gerne auf Reisen. Während ihrer Ausbildung als Pflegefachfrau konnte sie sich das nicht leisten. Schon damals verdiente sich die 21-Jährige als Sugarbabe jeden Monat um die 2.000 zu ihrem Lehrlingslohn von 1.300 Franken dazu. Julia ist nicht ihr richtiger Name, sie möchte anonym bleiben, nur ihre beste Freundin weiss, dass sie ein Sugarbabe ist. Die Gefahren, die der Job mit sich bringt, nimmt sie in Kauf, um sich etwas Luxus leisten zu können, in diesem völlig überteuerten Land. Aber vor allem auch, um finanziell unabhängig zu sein. Das können wenige Lehrlinge und Studenten in der Schweiz von sich behaupten. Viele müssen ihr Geld gut einteilen, um über die Runden zu kommen. Kein Wunder, wenn 10 Franken für ein Sandwich ein völlig normaler Preis ist.
Wir treffen Julia am Bellevue in Zürich. Ihre beste Freundin ist mit dabei, sie wollen später gemeinsam ihren freien Tag geniessen und shoppen gehen. Mit freundlicher, sanfter Stimme stellt sich Julia vor. Ihre langen Haare fallen über ihr Gucci-Shirt, das sie von einem ihrer Kunden geschenkt bekommen hat.
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Unbeschwert erzählt Julia von Männern, die es anturnt beleidigt zu werden und die ihre alten Sneakers kaufen. Sie muss selbst immer wieder lachen, wenn sie solche Stories erzählt. Sie wirkt locker und aufgeschlossen, und trotz der absurden Erlebnisse sehr vernünftig. Besonders wenn sie sich mit neuen Kunden trifft, sei sie sehr vorsichtig, erzählt Julia. Sie verabrede sich nur im öffentlichen Raum und teile ihren Live-Standort bei Snapchat mit ihrer besten Freundin. Trotzdem sei sie auch schon in unangenehme Situationen gekommen: “Viele Männer lassen nicht locker, wenn ich ihnen sage, dass ich keinen Sex mit ihnen haben werde, dann beende ich das Treffen. Erst wenn ich weiss, dass ich einem Mann vertrauen kann, treffe ich ihn im privaten Raum.”
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Auf diversen Online-Plattformen lernt Julia ihre Kunden kennen. Das sind meistens ältere, reiche Männer, welche ihr für eine halbe Stunde Gesellschaft bis zu 400 Franken bezahlen. Sugarbabe zu sein, ist ein Beruf für sie: “Mit dem Geld, das ich damit verdiene, leiste ich mir grosse Anschaffungen, wie ein Auto oder eine schöne Reise mit meiner besten Freundin. Ich gehe aber sparsam damit um, wahrscheinlich ist deshalb noch niemandem aufgefallen, dass ich ein Sugarbabe bin.”
Julia bekommt nicht nur Bargeld von ihren Sugardaddys, sondern auch teure Geschenke. Und jedes Geschenk, das sie uns zeigt, hat eine Geschichte.
Den Gürtel von Off White bekam Julia von ihrem ersten Sugardaddy
“Diesen Gürtel wollte ich schon lange, also habe ich ihn mir von einem meiner Sugardaddys gewünscht. Der Mann der mir den Gürtel geschenkt hat, ist ein 65 Jahre alter Künstler aus Zürich. Ich kenne ihn schon sehr lange, unsere Beziehung ist so vertraut, dass er zu einer Art Vaterfigur für mich geworden ist.
Ich habe ihn schon vor einer ganzen Weile kennengelernt. Er suchte über ein Inserat ein Modell für ein Fotoshooting, also habe ich mich bei ihm gemeldet und ein Treffen vereinbart. In seinem Fotostudio angekommen, forderte er mich auf, meine Kleider auszuziehen. Völlig naiv habe ich mich bis auf die Unterwäsche ausgezogen und für ihn posiert. Ich hatte Glück: Er war überhaupt nicht aufdringlich und sehr freundlich. Seit diesem Shooting treffen wir uns immer wieder auf einen Kaffee. Pro Treffen bekomme ich um die 200 Franken.”
Während ihres Urlaubs in Monaco schenkte ihr ein Sugardaddy das Gucci-Shirt
“Ich wollte schon immer ein Gucci-Shirt, aber nicht das klassische, das jeder hat. Das habe ich auch dem Sugardaddy gesagt, der es mir geschenkt hat. Er ist ein sehr reicher, 60-jähriger Geschäftsmann. Ich habe ihn diesen Sommer an einem Luxus-Strand in Monaco kennengelernt. Ich lag mit meiner besten Freundin am Pool, da kam er auf uns zu und fragte uns, ob wir einen goldenen oder silbernen Shot möchten. Wir lachten nur über diese absurde Frage und haben die Einladung angenommen.
An diesem Tag blieb es nicht nur bei einem Blattgold-Shot, dieser Man hat tausende Franken für uns ausgegeben. Als ich die Preise sah, war ich schockiert: Eine Flasche Champagner kostete 69.000 Franken. Für einen Mann wie ihn ist ein Gucci-Shirt für 650 Franken ein Schnäppchen. Trotzdem habe ich mich sehr gefreut, als er das Geschenk am nächsten Tag bei der Rezeption meines Hotels für mich hinterliess.”
Ein 55-jähriger CEO einer grossen Schweizer Firma schenkte Julia diese Schuhe von Bally
“Diese Schuhe sind so teuer, dass ich mich fast nicht traue, sie anzuziehen. Ich habe sie von einem Sugardaddy bekommen, als ich meine Lehre abgeschlossen habe. Er ist ein 55 Jahre alter CEO einer Schweizer Firma. Mittlerweile verstehe ich mich ganz gut mit ihm. Das war aber nicht immer so.
Nach unserem ersten gemeinsamen Abend in einer Bar in Zürich, legte er 1.000 Franken auf den Tisch und sagte fordernd: ‘Wenn du jetzt mit mir nach Hause kommst, gebe ich dir 5.000 Franken.’ Ich war eingeschüchtert und versuchte ihm ruhig zu erklären, dass ich keinen Sex mit meinen Kunden habe. Eigentlich hatte ich das schon vor dem Treffen mit ihm vereinbart.
Er ist ein grosser starker Mann und hat mir Angst eingejagt. Ich blieb höflich, nahm die 1.000 Franken und habe ihn damit vertröstet, dass ich mich wieder bei ihm melden würde. An diesem Abend habe ich zwar 1.000 Franken in einer Stunde verdient, aber es war verdammt unangenehm.”
Der Sugardaddy, der Julia diesen Gürtel geschenkt hat, ist ein 73 Jahre alter Rentner
“Den Gucci-Gürtel bekam ich von einem sehr alten, dementen Mann. Wahrscheinlich hat er schon wieder vergessen, dass er mir einen Gürtel für 330 Franken geschenkt hat. Ehrlich gesagt, nutze ich seine Vergesslichkeit manchmal aus und frage ihn immer wieder nach Geld. Manchmal tut er mir etwas leid, aber er geniesst die Zeit mit mir.
Als ich das erste Mal seine Wohnung betrat, traute ich meinen Augen nicht: Es hing ein Foto von mir in Postergrösse an der Wand. Er hatte mein Whatsapp-Profilbild ausgedruckt und in seinem Wohnzimmer aufgehängt. Ich war schockiert, habe mir aber nichts anmerken lassen.
Er himmelt mich so sehr an, dass er mich jedes Mal fragt, ob ich mit ihm Sex haben würde. Das werde ich aber nie, ich musste mich schon überwinden, ihn zu umarmen. Ich weiss aber, dass er mit anderen sehr jungen Frauen Sex hat. Das bedrückt mich, weil ich weiss, dass diese Frauen auf das Geld angewiesen sind und nicht anders können.”