Warum du deine eigenen Graffiti zerstören solltest

In einer seiner Serien eliminiert der Zürcher Künstler Thierry Furger seine und fremde Werke, indem er mit grauer Farbe darüberstreicht. Nennen tut er das dann „Schöns Züri”.

Es erschien mir mir suspekt, dass man Dinge übermalt, ausstellt und dann als Kunst bezeichnet. Ich wollte wissen, warum er das tut und habe mich darum mit ihm über Vergänglichkeit, Kommerz und Geschmier unterhalten:

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VICE: In der Serie „Schöns Züri” übermalst du Graffitis. Warum zum Teufel tust du das?
Thierry Furger: Wenn man sonst im öffentlichen Raum malt, hat man ja auch kein Problem damit, dass es überstrichen wird. Ich wollte zeigen, wie kurzlebig Graffitis im öffentlichen Raum sind. Ein Bild ist meistens schon innerhalb von einer Woche wieder überstrichen. Dadurch, dass ich das mit meinen eigenen Werken tue, will ich die Vergänglichkeit und Schnelllebigkeit herausstreichen.


Alle Bilder zur Verfügung gestellt von Thierry Furger

Dich fasziniert also die Vergänglichkeit von Graffitis. Hat deine Arbeit für dich an Wert verloren, seit du sie in Galerien ausstellst?
Im Gegenteil. Seit ich meine Arbeit ausstellen kann, sehen sie mehr Leute und dadurch wird sie für mich bedeutungsvoller.

Also findest du Vergänglichkeit etwas Negatives?
Nein. Das Leben ist vergänglich, das gehört einfach dazu. Ich finde Vergänglichkeit etwas Faszinierendes, weil man sich immer weiterentwickeln muss. Wenn etwas weg ist, muss man etwas Neues produzieren. Man kann sich nie ausruhen, das finde ich cool. Vielleicht ist nicht jedes Werk sehr ausgefeilt und wertvoll, aber so sind Graffitis eben: Sie sind keine Werke für die Ewigkeit.

Hat dich das auch in deinem Schaffensprozess als Künstler, der ausstellt, beeinflusst?
Die ganze Inspiration für meine Arbeit beziehe ich von der Strasse. Wie Zürich und andere Grossstädte mit Graffitis umgehen inspiriert mich in meiner Arbeit. Es herrscht ja praktisch eine Nulltoleranz-Strategie. Das Graffitis muss immer gleich weg: das finde ich schon noch interessant.

Im Titel „Schöns Züri steckt aber schon auch Sarkasmus drin?
Ein Anti-Graffiti-Team der Stadt Zürich heisst „Schöns Züri”. Die tragen Uniformen mit diesem Schriftzug, daher der Name. Das sind so Arbeitslosenprojekte bei denen die mit Velos in der Stadt herumfahren und neue Graffiti gleich überstreichen. Das ist schon witzig.



Gibt es spezifische Merkmale von Graffitis in Zürich?

Ein Graffiti in Zürich ist sehr schnell gemacht. Man sieht ihm an, dass nicht viel Zeit zur Verfügung stand. Die Polizeipräsenz auf der Strasse ist relativ gross. Die Graffitikünstler haben auf eine Art resigniert, sie denken sich: warum soll ich etwas Aufwendiges machen, wenn es eh bald wieder weg ist.

Hat dich das auch in deinem Schaffen beeinflusst?
Ich werde in der nächsten Ausstellung sehr flüchtige Werke zeigen, die extra schnell umgesetzt worden sind. Früher habe ich sehr aufwendige Bilder hergestellt, um sie dann zu putzen. Jetzt lege ich mir einen fixen Zeitrahmen fest, um nicht zu sehr an einem Werk herumzufummeln. Es soll ein wenig rough aussehen.

Es gibt Menschen, die sehen Graffitis nur als Geschmier. Ist es dir wichtig, dass Graffitis einen ästhetischen Anspruch erfüllen oder geht es um das Medium an sich?
Es ist auf jeden Fall reizvoll, auf der Strasse eine Botschaft zu hinterlassen, aber ich finde natürlich auch nicht jedes Graffiti ästhetisch. Vieles ist wirklich Mist, aber etwa eine Handvoll unter hundert Graffitis ist cooles Zeugs. Ich denke nicht, dass jeder Sprayer an sich den Anspruch stellt, ein Meisterwerk zu schaffen

Woher hat deine Serie „buffed paintings” ihren Namen?
„Buff” ist Graffiti-Slang und bezeichnet den Ort, an dem Züge gereinigt werden. Es heisst eigentlich polieren. Den Begriff habe ich dann für meine Kunst übernommen.



Noch eine Serie zu den Leuten, die Zürich am liebsten grau und sauber sehen würden! Du scheinst dich ja richtig dafür zu interessieren. Zieht sich dieses Thema auch durch deine weitere Arbeit?

Eine Serie habe ich „Clouds” genannt. Das sind Sachen mit Filzstift. Früher konnte man die in den Zügen ziemlich schlecht wegbringen. Wenn sie versuchten, sie wegzumachen, gab es immer so wolkenähnliches Geschmier. Das blieb einfach so zurück. Das mache ich nun schon seit Jahren auf verschiedenen Materialien und versuche es so weiterzuentwickeln.



Du verdienst um die 3000 Franken pro Werk. Lassen sich Street-Art und Kommerz vereinbaren?
Was soll ich sagen … Also entweder man ist Künstler und verdient sein Geld oder man macht auf andere Art Geld und bleibt im Untergrund. Das ist eine Grundsatzfrage. Ich verbiege mich nicht, um mit kommerziellen Sachen Geld zu verdienen. Ich stelle mir diese Frage momentan gar noch nicht, weil ich noch nicht an dem Punkt bin, an dem ich von meiner Kunst leben kann. Ich bin erst am Anfang meiner Kunstkarriere und verdiene mein Geld noch hauptsächlich mit der Arbeit als Grafiker.

Thierry Furger zeigt seine Werke in der Gruppenausstellung „Past & Future” noch bis zum 15. Februar in der „Kolly Gallery” im Zürcher Seefeld.

Hier findet ihr mehr von Thierry Furgers Arbeit

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