​Erste Gemeinde wechselt von der Bundesrepublik ins Königreich Deutschland – Fast

Spätestens seit Xavier Naidoos Auftritt auf einer obskuren Demonstration vor dem Reichstag haben wohl die meisten Menschen etwas von den sogenannten „Reichsbürgern” gehört. Hierbei handelt es sich um eine sehr heterogene Szene, in der es unter anderem „staatliche Selbstverwalter”, diverse Exilregierungen und kommissarische Reichsregierungen gibt. Eine der schillerndsten Persönlichkeiten ist aber sicherlich der Wittenberger Peter Fitzek (49)—bekannt aus diversen MDR-, SpiegelTV-, BILD- und auch VICE-Berichten. Der ehemalige Koch, Videothekenbesitzer und Karatelehrer ist selbsternanntes Staatsoberhaupt des „ Königreich Deutschland“. In einer feierlichen bis schwülstig-pathetischen Zeremonie wurde dieses Königreich am 16. September 2012 in Wittenberg gegründet. Fitzek und seine Anhänger glauben wirklich, sie hätten einen souveränen Staat gegründet und sich völkerrechtlich legitim von der Bundesrepublik Deutschland abgespalten.

Staatsgebiet ist ein altes verfallendes Krankenhaus in Wittenberg. Hier residiert der König mit seinen verbliebenen rund zehn Anhängern. Es gibt eine eigene Verfassung, eigene Pässe, Ausweise und Führerscheine. Sogar eine eigene Reichsbank gab es, die eigenes Geld herausgegeben hat. Ebenso gab es eine Kranken- und Rentenversicherung. Dummerweise will das böse System der Bundesrepublik seinen Staat nicht anerkennen. Dies führte dazu, dass Fitzek am 07. Januar 2015 in erster Instanz durch das Amtsgericht Dessau-Roßlau wegen unerlaubter Versicherungsgeschäfte zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 35,00 Euro verurteilt wurde. Das Urteil ist allerdings bisher ebenso wenig rechtskräftig wie die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten ohne Bewährung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (sein Fantasieführerschein zählt nicht) durch das Amtsgericht Neustadt am Rübenberge vom 17. Oktober 2013. Vorbestraft ist Fitzek dennoch, unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis.

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Jetzt wurde Peter Fitzek, der König der Reichsbürger, Opfer einer Trollaktion reichsbürgerkritischer Internetaktivisten.

Nachdem die Abwicklung der Bundesrepublik Deutschland durch das „Königreich Deutschland” bisher auf sich warten lässt und auch die Massen nicht ins „neue Deutschland” strömen, kam Fitzek auf die tolle Idee des „Gemeindewechsels“. Er wirbt darum, dass ganze Gemeinden aus der BRD in sein Königreich überwechseln.

Dieses Vorhaben rief einige Internetaktivisten des „Sonnenstaatland” auf den Plan. Das „Sonnenstaatland” ist ein loser, unorganisierter Zusammenschluss von Aktivisten, die sich mit Reichsbürgern beschäftigen. Das Projekt besteht aus einer Facebook-Seite, einem Blog, einem Twitter-Account, einem YouTube-Kanal, einem Forum und einem kostenlos herunterladbarem Aufklärungsbuch. Die Aktivisten versuchen neben der Auseinandersetzung und Widerlegung der populärsten Reichsbürgerthesen mit teils ernsten, teils satirischen Beiträgen und Filmen, über die Reichsbürgerbewegung und ihre Protagonisten aufzuklären.

Ein Mitglied des Sonnenstaalandes begann unter dem Pseudonym „Christine Bauersbach” einen E-Mailverkehr mit Peter Fitzek, der sich selbst mal Imperator Fiduziar, mal Peter I., mal Oberster Souverän nennt. Frau Bauersbach, so hieß es in den Mails, sei Mitglied eines Gemeinderates, der ernsthaft überlege, ins „Königreich Deutschland” überzutreten. In vielen Mails fragte die angebliche Gemeinderätin Fitzek über die Vorteile, Risiken und den Ablauf eines solchen Übertritts aus. Und Fitzek antwortete.

Der E-Mailverkehr lässt sich in Auszügen auf dem Blog des Sonnenstaat-Aktivisten „Niederrheiner” nachlesen.

Wer denkt, so naiv und leichtgläubig könne kein Mensch sein, der sollte sich vergegenwärtigen, an was Reichsbürger im Allgemeinen und Fitzek im Besonderen so alles glauben. Fitzek glaubt nicht nur, Staatsoberhaupt eines realen Staates zu sein. Er glaubt, durch einen Flug mit Germanwings nach Mallorca, bei dem er seinen selbstgebastelten Fantasieausweis benutzte, sei sein Königreich quasi anerkannt worden. Er glaubt an eine ominöse „freie Energie” – quasi das Perpetuum mobile. Ebenso hält er sich für einen göttlich Auserwählten, einen „Interdimensionalen”. Warum sollte er also nicht glauben, dass Frau Bauersbach wirklich existiert? Warum sollte er sich wundern, dass diese Frau scheinbar selber nicht weiß, wie sie heißt (mal schrieb sie als Christine mal als Christina, mal Bauersbach, mal Bauersbacher). Um letzte doch vorhandene Zweifel auszuräumen, besteht er auf eine telefonische Kontaktaufnahme. Es findet sich eine Aktivistin, die bereit ist, am Telefon in die Rolle der Christine Bauersbach zu schlüpfen. Den Bericht über die Telefonate kann man auf dem Sonnenstaatland-Blog nachlesen. Im Laufe der Telefonate wurden die Pläne immer konkreter. Fitzeks Pläne, die Gemeinde zum Übertritt zu überreden und die Pläne der Sonnenstaatländer, Fitzek eine Lehrstunde zu erteilen. So kamen Fitzek und „Frau Bauersbach” schließlich überein, ein Treffen zwischen einer Delegation des Königreichs und den Gemeinderäten zu arrangieren. Das Treffen sollte in einem Hotel in der Nähe des Rhein-Main-Airports in Frankfurt stattfinden. Nachdem ihm die Reservierung einer Suite für sich, seine Lebensgefährtin und seine Entourage für das ganze Wochenende zugesichert wurde, sagte Fitzek dem Treffen zu.

Frohen Mutes und gewiss in freudiger Erregung stieg der „König” am 11. Juli mit seinem Gefolge in Wittenberg ins Auto und fuhr 456 Kilometer nach Frankfurt am Main. Dort angekommen erwartete ihn eine dicke Überraschung. Statt einer Delegation einer hessischen Gemeinde, erschien eine Delegation des Sonnenstaatlandes und überreichte ihm symbolisch einen Korb. (Im Korb fand sich neben ein paar Leckereien ein Brief mit folgendem Text: „Lieber Peter! Genau so nah wirst Du Deinem Wunschtraum kommen, dass sich Dir eine Gemeinde anschließt – und nicht weiter! Unsere Gemeinde hat sich leider gegen Dich entschieden!”

Als Fitzek realisierte, dass er, der bisher immer die Naivität anderer ausnutzte, ein Opfer seiner eigenen Naivität wurde, reagierte der „Oberste Souverän” ziemlich unsouverän. Mit Gewalt brachte der wegen Körperverletzung Vorbestrafte die Kamera eines Aktivisten in seinen Besitz und zerstörte die darin befindliche Speicherkarte. Legitimieren wollte er sich hierbei gegenüber den Aktivisten und der Hotel-Security durch das Vorzeigen eines „Presseausweises”. Nach dem Eintreffen der Hotel-Security und vor dem Eintreffen der alarmierten Polizei verließ der „König” mitsamt Hofstaat fluchtartig den Tatort. Sogar der Präsentkorb wurde vergessen. Da die Aktivisten jedoch mit drei Kameras arbeiteten, ist das obige Video entstanden.

An dieser Geschichte ist ablesbar, wie leichtgläubig Anhänger von Verschwörungstheorien sind—denn bei der „Reichsbürger-Ideologie” handelt es sich um eine klassische Verschwörungstheorie. Aber auch, wie unmöglich es ihnen ist, sich das einzugestehen. Lieber glaubt man an eine weitere Verschwörung.

Wer meint, Fitzek und seine Jünger wären jetzt etwas schlauer geworden, der überschätzt sie maßlos. Nach der Aktion veröffentlichte das „Königreich Deutschland” auf seiner Internetseite einen Artikel namens „Wer oder was ist das Sonnenstaatland” (der mittlerweile offline ist). In diesem wurden scheinbar brisante Interna über das Projekt veröffentlicht, die dem KRD von einem Aussteiger zugespielt worden seien. So sei das Sonnenstaatland-Forum eine Plattform, auf der sich die verschiedenen Geheimdienste und Behörden der Bundesrepublik koordinieren. Keiner im KRD kam auf die Idee, dass man nur ein weiteres Mal hereingelegt wurde, denn auch der vermeintliche Aussteiger war nur ein Fake, wie das Sonnenstaatland auf seinem Blog berichtet.

Nach der Schmach von Frankfurt hat man im Übrigen seine Strategie geändert. Es sollen nun königstreue Jünger bei Bürgermeisterwahlen antreten, um dann die Gemeinden ins Königreich zu überführen. Aktuell versucht dies Matthias Pauqué in Bonn. Es darf allerdings bezweifelt werden, dass er die notwendigen Unterstützerunterschriften zusammenbekommen hat (auch wenn dies durch die Königstreuen vermeldet wird). Selbst die Tatsache, dass Fitzek persönlich letzte Woche in Bonn Unterschriften erbettelte, dürfte daran nichts ändern. Und so dürfte auch die Oberbürgermeisterwahl in Bonn bald ihren Platz in der Liste der gescheiterten Projekte des Peter Fitzek finden.