Ich bin beim besten Willen kein großer Esoteriker vor dem Herrn (an den ich übrigens auch nicht mehr glaube, als daran, dass der Ultimate Warrior wirklich aus den Weiten des Weltalls kam, Papa Shango ihn mit einem Voodoo-Stöckchen zum Erbrechen von grünem Schaum bringen konnte oder der Undertaker ein untoter Totengräber aus dem Death Valley ist, der seine Kraft aus einer Urne bezieht), aber manchmal geschehen doch Dinge, die einen kurz über die Beschaffenheit der Welt und verborgene Zusammenhänge im großen Uhrwerk des Universums nachdenken lassen. Und damit meine ich nicht solche “Ereignisse”, wie wenn sich einem in der Nähe von Feuchtgebieten die Wünschelrute aufstellt (hohoho), sondern Telepathie und Synchronizität und richtig heftigen Scheiß halt.
Zum Beispiel vorhin, als ich gerade mit diesem Blog-Beitrag beginnen wollte. Der Plan war, als heutiges Beispiel für Gender-Bender-Bilder im Wrestling über Goldust zu schreiben, den goldenen Glitzer-Drag-King aus den dunklen Absturzecken von Hollywood. Kaum hatte ich die ersten paar Tasten getroffen, riss mich auch schon das räudige Vibrieren meines iPhones aus der Idylle, die gerade noch meine Landhaus-Veranda durchflutet hatte (naja, eigentlich ist es ein Schreibtisch am Fenster, aber zumindest stelle ich mir manchmal vor, ich hätte eine Landhaus-Veranda und wäre so erfolgreich wie J. K. Rowling oder Rosamunde Pilcher und würde dabei soviel saufen wie Lindsey Lohan oder der frühe Stephen King).
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Jedenfalls hatte ich eine Nachricht von meinem Bruder am Handy, die aus nur einem Wort bestand. Und sie lautete (Trommelwirbel, Doppeltusch): “Goldust.” Instinktiv griff ich nach dem Wodka-Fläschchen, das meinen Bildschirm flankierte, und schleuderte es sicherheitshalber gegen die Wand – nur für den Fall, dass er sich irgendwo in unmittelbarer Nähe versteckt haben sollte. Aber das Zimmer blieb still und ich beunruhigt. Ist doch eine komische Sache, oder? Gut, ich will mich da jetzt nicht unnötig hineinsteigern, weil das sonst wie so oft bei diesem Eso-Mist mit unfreiwilligen Selbstmorden endet, aber seltsam fand ich es schon.
Als ich schließlich nachfragte, ob er sich mir bitte erklären könnte (O-Ton: “WTF?”), schrieb er mir zurück: “Ich habe ihn vollbracht – den goldenen Schiss! Nur einmal wischen und die Rosette ist so sauber wie frisch geleckt!” Und so viel also zu Esoterik und Telepathie. Jetzt noch ein bisschen mehr zu Goldust.
Goldust ist der Sohn von Wrestling-Legende Dusty Rhodes und wurde wohl zum femininen Cross-Dresser, weil er einfach nicht gepackt hat, warum sein fettleibiger Vater Zeit seines Lebens dafür angehimmelt wurde, dass er die aufgeplatzte Bauchhaut wie ein Verrückter im landesweiten Fernsehen und durch alle Wrestling-Hallen des Landes kreiseln ließ. Zwar hatte der legendäre Dusty Rhodes schon Swag, als es noch nicht mal die nötigen BUCHSTABEN gab, um das Wort überhaupt zu schreiben, aber so etwas kann sich einem als Sohn des vermeintlichen Klempners schon mal prägend in die Wahrnehmung des eigenen Geschlechts ätzen – das und die gepunkteten Hosen, in denen Dusty Rhodes dabei steckte, während die Musik uns verkündete, dies wäre der „Aaaaaaaamericaaaaaaan Dreeeeeeaaaaaam”.
Ich weiß, das klingt jetzt wieder so, als müsste mit Goldust gleich irgendetwas nicht in Ordnung sein, nur weil er gern in goldenem Lack steckt, sich am ganzen Körper betatscht und jeden seiner Moves ausführt, als würde er dabei zumindest ein kleinwenig kommen. Tatsache ist, dass Goldust lange Zeit wirklich schwere Probleme mit seinem Vater hatte – auch abseits seiner Wrestling-Rolle –, aber auch ganz ohne überkandidelte Psychoanalyse ein paar ziemlich explizite Stinkefinger ins Gesicht der traditionsbewussten Hillbilly-Community streckte, die sich anfangs doch ungut auf den Wifebeater getreten fühlte, als der Sohn einer amerikanischen Legende mit Perücke und dem Gehabe eines David Lynch-Charakters die Wrestling-Landschaft in Richtung Homocaust umzudrehen schien.
Doch der ach so gefährliche Gay-GAU blieb aus und Goldust wurde schnell zum Publikumsliebling, der am laufenden Band neue Interpretationen des Drag-Charakters präsentierte. Innerhalb weniger Jahre war Cross-Dressing im Wrestling akzeptiert und sexuelle Zweideutigkeit ebenso. Fetisch-Spielzeug wurde bejubelt, Homoerotik nicht mehr verdammt und die Golden Shower dank Goldust zum farbenfrohen Pisse-Regenbogen der Diversität. Damit ihr auch gleich noch seht, wie unterschiedlich der gute Dustin Runnels seine Rolle anlegen konnte, kommen hier noch zwei Meta-Matches mit dem Goldjungen.
GOLDUST VS. BLUEDUST
Die späten Neunzigerjahre: Spanking, Schienbeinficken und – im Anschluss an einen Finishing Move, der dank des schwerfälligen 350-Pfund-Puddings namens Bluedust aussieht, als würde man seinen Teddybären unsanft aufs Bett legen – ein gepflegter Eiertritt mit Anlauf, der sich passenderweise “Shattered Dreams” nennt. Weil das der Name von Goldusts vermeintlicher Hollywoood-Noir-Produktionsfirma ist und ziemlich genau dem entspricht, was einem nach so einer Aktion von der Zukunft übrigbleibt. Poesie. Wrestling-Gold. Bitteschön:
Genaue Beobachter und regelmäßige Blog-Leser haben hier als Ringrichter Teddy Long erkannt, der bis vor kurzem General Manager von SmackDown war und heute den Bimbo für John “Legasthenie-Reibeisen” Laurinaitis gibt (warum er inzwischen nicht mehr Ringrichter sein darf, steht hier).
VADER VS. VADERDUST
Während im letzten Match Goldust einem Hochstapler aufgesessen ist, macht in diesem Fall “The Artist formerly known as Goldust” seinerseits seinen Gegner – den für seinen beinharten Stiff-Style bekannten und von jedem gefürchteten Vader – nach. Warum? Weil es an der Zeit war, die Identitätsprobleme von Dustin Runnels im Ring zu thematisieren und ihn als Persönlichkeits-Chamäleon zwischen Prince-Verehrung und paranoider Schizophrenie darzustellen. Dass der WWE diese Wandlung des Gold-Charakters gelungen ist, hat wie fast alles maßgeblich mit der Erzählstimme von Kommentatoren-König Jim Ross zu tun, der selbst einer Kissenschlacht bei Jersey Shore die Glaubwürdigkeit eines UFC-Matches verleiht (Jim Ross, wo bist duuuu?).
Fun Fact: Leon White – jener Wrestler, der hinter der Figur von Vader steckte – hat in Wahrheit einen Universitätsabschluss in Wirtschaft und ist abseits des Rings ein harmloses, liebes Riesenbaby. Not-So-Fun Fact: Das hinderte ihn während seiner aktiven Karriere nicht daran, anderen Wrestlern die Glieder zu brechen und den gesamten WWE- und WCW-Stall hinter den Kulissen in Angst vor einem Auftritt gegen Vader zu versetzen. Achso, ja: Kane könnt ihr ignorieren, sobald die Halle dunkel wird, braucht euch das Video nicht mehr zu interessieren (außer ihr wollt euch wirklich eine tiefgreifende Wrestling-Abhängigkeit aufzwicken, aber davon kommt ihr so schnell nicht mehr los, ich schwör’s euch, Finger weg von dem Endlos-Zeug!).
So, und jetzt will ich, dass ihr etwas Perverses ausprobiert oder zumindest vor irgendjemandem am Boden herumrutscht wie ein Hundewelpen mit Sackflöhen. Mahalo!