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Vögel auf Prozac haben zu nichts mehr Lust

Der Konsum von Antidepressiva hat sich in England seit 1991 verfünffacht. Das bekommen auch wildlebende Tiere zu spüren, denn unser Drogen- und Medikamentenkonsum endet auf Umwegen oft in ihren Körpern. „Wenn Sie oder ich eine Kopfschmerztablette nehmen, wird die zum Großteil wieder unverdaut ausgeschieden”, so die Ökologin Kathryn Arnold von der University of York.

Die Forscherin beschäftigt sich hauptsächlich mit den Effekten der Medikation unserer Umwelt. In ihrem letzten Projekt fand sie heraus, dass Stare, die die gleiche Menge an Antidepressiva fraßen, wie sie auch in städtischen Abwasser-Regenwürmern vorkommt, ihr Verhalten massiv ändern und keine Lust mehr auf Essen oder Sex haben.

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Arnold und ihr Doktorand trieben sich dafür an einem „ganz großartigen Ort zum Beobachten von Vögeln” herum—offenen Kläranlagen. Dort treffen sich Fledermäuse und Vögel, um auf Futtersuche zu gehen. Denn bevor das dreckige Wasser aufbereitet wird, sickert es durch einen Erdfilter, auf dem Millionen von Würmer und Maden leben. In der natürlichen Aufbereitung graben diese den Boden um und fressen unerwünschte Stoffe auf.


Die Wissenschaftlerin schnappte sich ein paar der Kläranlagen-Würmer und maß den Gehalt an Fluoxetin in ihnen Körpern, das unter dem Handelsnamen Prozac Millionen Briten über das ewige Wolkengrau hinwegtröstet. Die Würmer wiesen eine niedrige Konzentration des Stoffs von ungefähr 3-5% einer menschlichen Dosis auf.

Nun fütterte sie 24 in Gefangenschaft lebende Stare mit Würmern, die diese Konzentration an Prozac beinhalteten und beobachtete ihr Verhalten über den Zeitraum von sechs Monaten.

„Die Weibchen saßen einfach im Käfig herum und waren total desinteressiert an den Männchen.”

Das Ergebnis: Die Vögel hatten überhaupt keine Lust mehr auf ein herzhaftes Frühstück, das sie im Winter normalerweise direkt nach dem Aufwachen mit Energie für den Tag versorgt, sondern aßen hier und da nur mal einen kleinen Snack. Das wiederum bedeutet, dass die appetitlosen Vögel einen langen, harten Winter nicht so einfach überleben können.

Zudem sank ihre Libido, erzählt Kathryn Arnold in einem Videopodcast der Royal Society: „Die Weibchen saßen einfach in der Käfigmitte herum und waren total desinteressiert an den Männchen, die wir in ihr Gehege ließen.”

Pharmaprodukte landen auf vielfältige Art und Weise in Tierhabitaten und Nahrungsketten. Sie stammen von Krankenhäusern, aus der Pharmaproduktion, aus Müllkippen oder Haushalten und werden in Kläranlagen von Würmern und anderen wirbellosen Tieren aufgenommen.

In der zweiten Stufe des Experiments werden nun die Körper wildlebender Vögel auf die Konzentration von Antidepressiva untersucht. Ob die Kläranlagen-Würmer im Umkehrschluss glücklicher und sorgloser durch die menschlichen Exkremente krochen, war der Royal Science bislang noch kein Forschungsvorhaben wert.