Die Updates zu dieser fortlaufenden Geschichte findest Du am Ende des Artikels.
Maibaum-Aufstellen wäre an sich eine echt unnötige Tradition – gäbe es da nicht auch die Tradition des Maibaum-Stehlens. Und wie die Studenten der BOKU jedes Jahr beweisen, ist dieser Spaß kein Privileg der Landbevölkerung. Vergangenes Jahr sorgten Studis für Aufsehen, weil sie den BOKU-Maibaum mit der Bim transportierten. Die nachfolgende Geschichte aus diesem Jahr dürfte aber alles topen.
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Von der BOKU zum BOKU-Heim
Die Aktionsgemeinschaft (AG) stellt traditionell einen Maibaum auf der BOKU auf. Eine 30 Jahre alte Fichte aus dem Wienerwald sei es gewesen, erklären die Österreichischen Bundesforsten, die das Objekt der Begierde sponserten. Und sie sei ganz sicher “im Ganzen” geliefert worden (mehr dazu später).
Noch in der gleichen Nacht, am Mittwoch, dem 3. Mai 2017, stahlen ihn BOKU-Studenten und brachten ihn zum BOKU-Heim. “Das ist schon ein ziemlicher Running Gag”, erklärt Sandra Uschnig, Obfrau der AG, die bewusst auf eine Bewachung verzichtet hat: “Vor zwei Jahren ließen wir ihn bewachen, dann stand er bis Juli”, sagt sie fast ein wenig enttäuscht gegenüber VICE. Die BOKU selbst sieht’s gelassen und schreibt: “Hat schon Tradition bei uns ;)”. Auf Facebook posteten sie ein Foto vom ersten Streich: “Wir haben sie in flagranti erwischt.” Wir haben ein paar mehr Fotos bekommen:
Vom BOKU-Heim zur VetMed
Die BOKU-Studenten waren aber nicht die einzigen, die auf den Maibaum scharf waren. VetMed-Studis wohnten schon dem Aufstellen bei, um sich vor Ort von der Größe und den möglichen Transport-Mitteln ein Bild zu machen. Am 3. Mai schafften es die VetMed-Studenten jedoch nicht mehr, ihn zu stehlen – aus welchen Gründen auch immer.
“Der Bam hot ums Oaschlecken in die U-Bahn passt …”
Sie wollten aber trotzdem nicht aufgeben: “Den Bam brauch ma!”, beschreibt Markus, ein involvierter VetMed-Student, die Sehnsucht nach dieser schönen, glatten Fichte. Deshalb suchten rund 30 VetMed-Studenten Freitagnacht, dem 5. Mai, das BOKU-Heim auf. Die vielen “Träger” hatten sie von zwei Geburtstagsfeten abgezogen. So viele Leute brauchten sie auch – immerhin war der ursprüngliche Plan, den Baum zu Fuß von der BOKU zur Vetmed zu tragen. Die Strecke ist insgesamt 6,3 Kilometer lang, für die man laut Navi 1 Stunde und 20 Minuten braucht.
Nach 30 Minuten Tragezeit und einigen Bierpausen in diversen Bars (der Baum musste leider draußen bleiben) waren sie aber noch immer nicht weit gekommen. Deshalb stiegen sie bei der Station Nußdorfer Straße in die U6 ein. “Der Bam hot ums Oaschlecken in die U-Bahn passt”, erklärt Markus sein Glück. Gut, dass sie ihn wenige Minuten zuvor unabsichtlich zerbrochen hatten.
“Der Baum kann ruhig bei der TU oder sonst wo bleiben.”
In der U-Bahn gab es wider Erwarten keine Probleme: “Keiner hat was gesagt. Wir haben gedacht, der Fahrer oder die Securitys schmeißen uns fix raus.” Nichts da. Bis Floridsdorf fuhren sie mit dem schönen Holzteil – etwas ängstlich zwar, aber unbeschadet und ohne Beanstandung. Die Skepsis kommt nicht von ungefähr: Immerhin zeigten sich die Wiener Linien vergangenes Jahr alles andere als amused über den Maibaum-Transport.
“Fehlt irgendwo ein Baum?”, fragte eine VetMed-Studentin in das Facebook-Event der AG BOKU.
Rund fünf Stunden brauchten die Veterinärmediziner für den Transport zu ihrer Uni. Dort angekommen, ließen sie ihn liegen. Alle gingen heim schlafen. Am nächsten Tag war er verschwunden. Andere VetMed-Studenten hatten ihn bereits gestohlen und forderten (nur) eine Kiste Bier als Ablöse. Mit Schrauben, Seilen und “anderem Verbandsmaterial” aus der Universitätsklinik versorgten die Studenten den gebrochenen Baum. Samstagmittag, am 6. Mai, stand er dann – etwas angeschlagen, aber doch – vor der VetMed Uni.
Von der VetMed zur TU Wien
Obwohl Markus von der VetMed gegenüber VICE betont, dass es sich um keine politische, sondern eine freundschaftliche Aktion handelte, reagierte die AG der TU Wien trotzdem auf ihre Aktion. Wie deren Obmann Fabian Stütz bestätigt, wollten sie die Aktion “nicht auf sich sitzen lassen”. In der Nacht von Sonntag auf Montag, 7. Mai, klauten sie den Baum von der VetMed mit einem blauen Van. Markus von der VetMed nimmt den “Rückklau” und deren Professionalität gelassen: “Eh OK. Aber wir hatten sicher mehr Spaß.” Am Montag, dem 8. Mai, posierten die AG-Kandidaten dann mit Wahlplakaten vor dem geklauten Maibaum. Auch das ist ÖH-Wahlkampf.
“Bei uns scheint tatsächlich ein Maibaum gewachsen zu sein – über die Herkunft können wir nur spekulieren”, schreibt der Account der TU Wien auf Facebook. “Wir freuen uns aber darüber und würden ihn gerne am Getreidemarkt behalten.” Auch die AG-TU scheint den Baum nicht mehr hergeben zu wollen; er wird seit der Aufstellung bewacht. Dabei würden noch einige Unis fehlen, die der Baum noch nicht gesehen hat. Sandra Uschnig von der BOKU sagt dazu nur: “Der Baum kann ruhig bei der TU oder sonst wo bleiben.” Letzteres “wär schon lustig.” Und: “Wir teilen gerne.”
Update, 10.5.2017, 12:53 Uhr
Von der TU Wien zur MedUni
Zur Freude der MedUni-Studenten nahm die AG der TU das mit der Bewachung nicht sehr ernst. “Ich vermute, die AG hatte gestern etwas Besseres zu tun”, meint Anna Zettl, Obfrau der Unabhängigen Fachschaftsliste der Meduni Wien (UFMUW), die damit auf den antisemitischen WhatsApp-Skandal der AG Jus anspielt.
“Nicht einmal eine Fichte lässt sich so etwas gefallen. Der Maibaum hat sich von der AG distanziert.”
Fladern wollten sie den Maibaum sowieso (“ein Teambuilding-Event vor der ÖH-Wahl schadet nicht”). Aber in Anbetracht der „menschenfeindlichen Aussagen” hat die UFMUW das Vorhaben erst recht umgesetzt: „Nicht einmal eine Fichte lässt sich so etwas gefallen. Der Maibaum hat sich von der AG distanziert.”
Ohne Hilfsmittel, sondern nur mit Muskelkraft schleppten die 15 Jungmediziner den Baum über den Ring. Zwei Männer, die sie dabei wahrscheinlich zufällig beobachteten und an der TU studieren dürften, versuchten, den Baum ihnen zu entreißen. Dabei ging der Baum abermals zu Bruch.
Für die Med-Studenten aber kein Problem: Sie besorgten sich Gips und verarzteten den Baum fachgerecht. Der Baum hat nun – nach den Kuh-Untersuchungshandschuhen der Vetmediziner, die am Wipfel hängen – auch eine persönliche Note von den Medizinern. Aufgestellt wurde er hinter dem AKH bei der sogenannten Studentenstiege, “damit der Rektor schön hinschauen kann”, sagt Zettl.
Update 11.5.2017, 13:32
Von der MedUni zurück zur BOKU
“Am Ende einer langen Reise ist es immer gut, sich an seine Wurzeln zurück zu besinnen”, meint Roland Schimpf, dessen Fachschaftsliste BOKU den Baum wieder von der MedUni geholt hat. An der BOKU haben sie den Baum der AG, den ursprünglichen Eigentümern, zurückgegeben. “Wir freuen uns das die AG diese Traditionen weiterführt und wir helfen können, wenn es einmal Probleme gibt. Wenn es notwendig ist gehen wir sogar über die ‚Gürtellinie’ um verlorenen BOKU Angehörigen wieder nachhause zu helfen.”
Weil der Baum nach so vielen feuchtfröhlichen Diebstählen und zwei Reparaturen schon “ziemlich schirch beinand” ist, wie Sandra Uschnig von der AG sagt, haben sie beschlossen, den Baum in kleine Stücke zu schneiden. “Jetzt kann jeder ein Stück des beliebten Maibaums haben.” Gegen eine freiwillige Spende (der Erlös geht an die BOKU-Basketballmanschaft) ist ein Stück der geilsten Fichte Wiens beim heutigen Spritzerstand der AG erhältlich. Und damit ist die Geschichte des BOKU-Maibaums zu Ende. Für dieses Jahr.
Christoph auf Twitter: @Schattleitner