Von Gras, Gott und Gaddafi—Geschichten aus dem Görlitzer Park


„Die Legalisierung von Marihuana wäre nicht gut, besonders für junge Leute nicht. Sie würden doch alle verrückt werden. Es macht dich süchtig und dann dringt Gott nicht mehr bis zu deinem Herzen hervor, du stumpfst einfach ab.“ – Kofi

Diese Aussage könnte so oder so ähnlich von denen kommen, die gerne von einer „Dealer-Problematik“ im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg sprechen: CDU-Politiker, die fordern, den Park nachts abzuschließen, Anwohner, die sich mehr Polizeipräsenz wünschen, Journalisten einschlägiger Boulevardzeitungen, die die Dealer „als brutale Täter, die selbst Kinder und Jugendliche bedrängen“, darstellen. Sogar Hans-Christian Ströbele, Gebt-das-Hanf-frei-Ikone der Grünen, nennt ihn den „Problempark“. Doch das hält Großfamilien und gut verdienende Öko-Eltern, Touristen, Startup-Kreative, Studierende und Partyleute nicht davon ab, jeden Sommer in solchen Massen in den Park zu strömen, bis auch der letzte Flecken Gras besetzt ist. Vielleicht sogar gerade deshalb, weil er eben mehr ist als nur eine Grünanlage—der Görli hat die Geschichten vieler zu erzählen.

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Dass die meisten Dealer ihre Arbeit im Park weder freiwillig machen, noch sich für eine Legalisierung von Marihuana aussprechen und sich in bestimmten Fällen sogar ein härteres Durchgreifen der Polizei wünschen, wird innerhalb der Debatte kaum zur Kenntnis genommen. Was als homogene Gruppe—„die Dealer vom Görli“—wahrgenommen wird, ist ein komplexes Sozialgefüge, mit Hierarchien, Rivalitäten, verschiedenen Zugehörigkeitsgefühlen, Verkaufsstrategien und vor allem unterschiedlichen Schicksalen und Persönlichkeiten. Der Sommer ist nun vorbei. Der Park leert sich, die Besucher sitzen lieber in warmen Cafés. Wer im Park bleibt, sind die Dealer.

KOFI


Kofi (Als wir fragen, ob wir seinen Namen im Artikel ändern sollen, sagt er grinsend, dass er Kofi Annan genannt werden möchte.)

Als wir Kofi das erste Mal im Görli treffen und fragen, ob er Lust hat, ein wenig über sich, seine Ansichten und die Arbeit im Park zu erzählen, ist er sofort dabei. Er hätte so viel Scheiße erlebt, das müsse einfach mal jemand aufschreiben. Und: „Wenn ich euch meine ganze Geschichte erzähle, fangt ihr bestimmt an zu weinen.“ Eine Woche später treffen wir ihn wieder. Kaum ist er im Park angekommen, warten schon die ersten Kunden auf ihn, weiße Mittelstandskinder wie wir. Ein netter Typ um die 30 im Hipsterlook grüßt Kofi mit Namen, weitere kommen und es dauert eine Weile, bis wir in Ruhe mit ihm reden können. Er behält aber weiterhin das Geschehen um uns herum im Blick—Dealer, Kunden, Passanten. „Das hier im Park ist nicht gut für mich, ich bin an harte körperliche Arbeit gewöhnt. Aber wegen meines eingeschränkten Aufenthaltsstatus darf ich hier nicht arbeiten. Das Dealen ist meine einzige Möglichkeit, um über die Runden zu kommen.“ Sein regulärer Arbeitstag dauert acht Stunden, sieben Tage die Woche.

Von der Idee der neuen Grünen-Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann, die „Dealer-Problematik“ durch eine teilweise Legalisierung zu entschärfen und in der Nähe des Parks einen Coffeeshop zu eröffnen, habe Kofi gehört, lehnt die Legalisierung von Marihuana aber ab. Nicht nur, weil er dann seinen Job als Gras-Dealer verlieren würde, sondern vor allem, weil er Drogen nicht gut findet—obwohl oder gerade weil er selbst täglich kifft. An Kinder und Jugendliche würde er niemals verkaufen—eher würde er dann gleich selber die Polizei rufen. Einige Leute fragten auch nach härteren Drogen wie Kokain oder MDMA. Damit wolle er nichts zu tun haben, andere Dealer im Park würden diese Nachfrage aber bedienen. „Das ist schlecht für uns, denn für die Polizei sind wir alle gleich. Wenn die da drüben Koks verkaufen, denken die Polizisten automatisch, ich tue das auch. Die denken doch eh, wir Afrikaner seien wie Tiere, die sehen uns nicht als Menschen.“ Manchmal werde Kofi von anderen Dealern ausgeraubt. „Das sind welche von der arabischen Community. Wenn ich die Polizei rufe, kommt sie oft gar nicht, und wenn doch, macht sie nichts. Die deutsche Polizei greift nicht hart genug durch, in Ghana oder der Elfenbeinküste wären Typen wie der, der letztens meinen Freund angegriffen hat, schon längst im Knast.“  

Kofi wächst an der Elfenbeinküste auf, sein Vater hat mehrere Farmen, auf denen Kofi schon als Kind arbeitet. 2002 bricht der Bürgerkrieg aus, das Land versinkt im Chaos und einer seiner Brüder wird erschossen. Wenn Kofi von seiner Heimat spricht, wird er unruhig, redet lauter und schneller. Er wolle auf keinen Fall dorthin zurück, es sei eh alles zerstört. Sein heute 16-jähriger Sohn, mit dem Kofi auch hier in Deutschland fast täglich telefoniert, wohnt daher zusammen mit seiner Mutter in Ghana, einem eher ruhigen und stabileren Land.

Kofi aber bricht nach Libyen auf, um dort Geld zu verdienen. Der Bus hat mitten in der Wüste einen Unfall: „Kein Wasser, kein Essen, fast alle sind gestorben.“ Er überlebt und kann in Libyen schließlich ein neues Leben beginnen. „Ich konnte dort auf dem Bau arbeiten und meiner Familie monatlich mehrere Hundert Dollar nach Hause schicken. Die Zeit in Libyen unter Gaddafi war sehr gut für mich.“ Bis 2011 im Zuge des Arabischen Frühlings auch in Libyen der Bürgerkrieg ausbricht. Aufständische machen Jagd auf Gaddafi-Söldner aus Schwarzafrika, dabei kommt es immer wieder zu Verwechslungen mit Gastarbeitern wie Kofi: „,Ihr Schwarzafrikaner seid doch Unterstützer von Gaddafi‘, riefen sie, brachten uns in die Wüste, folterten uns. Dabei wurden mir mit einem Gewehr beide Vorderzähne herausgeschlagen. Ich habe sie bis heute behalten, damit ich sie meiner Familie mal zeigen kann.”

Im Laufe des Gesprächs erfahren wir, dass Kofi eigentlich nie vorhatte, nach Europa zu kommen. „Als in Libyen der Bürgerkrieg ausbrach, sagte meine Mutter, ich solle sofort zu ihr nach Ghana kommen. Doch da war es schon zu spät, die Straßen Richtung Süden und zum Flughafen waren blockiert, die Lage für uns Schwarzafrikaner sehr gefährlich. In dieser Situation war die einzige Möglichkeit, aus dem Land herauszukommen, eines der illegalen Flüchtlingsboote nach Lampedusa zu nehmen. Wir waren 750 Leute, es war schrecklich, aber Gott war bei uns und hat uns ankommen lassen.“ In Italien wartet ein längeres Prozedere auf ihn, Fingerabdrücke, lange Gespräche und schließlich erhält Kofi die Papiere. Aber dann: Nichtstun.

Als wir Kofi fragen, was er in den drei Jahren in Italien gemacht hat, zeigt er uns ein altes Passbild, auf dem er sichtlich fülliger aussieht als jetzt. „Nichts habe ich gemacht, nur herumgesessen, ich durfte nicht arbeiten, es gab nichts zu tun. Es war schrecklich, ich bin total abgemagert. Kuckt doch, wie stark ich vorher mal war!“ In Berlin ist er erst seit ein paar Monaten. „Wisst ihr, wenn man so von Europa und Deutschland hört, denkt man immer, alles sei sauber und ordentlich. Aber hier? Geht mal zum Hermannplatz, da scheißen die Hunde überall auf die Straße. Dagegen sollte echt was getan werden!“

Aber er mag es hier, sagt er. Im Sommer ist immer etwas los im Park, er isst meistens im arabischen Imbiss an der Ecke, ab und zu spielt er Fussball. Als wir Kofi ein anderes Mal treffen, macht er gerade bei einer Putz-Aktion mit: Müllsammeln im Görli gegen ein Aktions-T-Shirt, das er sich gleich angezogen hat, und ein Bier. Doch der Winter wird hart. Wie er bei Minusgraden im Park arbeiten soll, weiß Kofi noch nicht, er hat nicht einmal eine warme Jacke. Momentan kann er noch in der von Geflüchteten besetzten ehemaligen Schule in der Nähe des Parks schlafen, dem „Refugee Strike House“, in dem mittlerweile ungefähr 250 Menschen leben. Die Bewohner bemühen sich darum, das Gebäude in Zusammenarbeit mit dem grünen Bezirksstadtrat in ein Projekthaus umzuwandeln, in dem alle langfristig legal wohnen können.


Das an die Schule angeschlossene Social Center in der Ohlau­er Stra­ße 12, 10999 Berlin, bittet um Support: Neben Lebensmitteln, Geschirr und Kochzubehör werden auch Möbel, Baumaterialien und Technik benötigt.

„Ich will einfach nur die Möglichkeit haben, hier zu arbeiten! Seit über sechs Jahren habe ich meinen Sohn nicht gesehen, ich würde ihn gerne mal hierher einladen oder seiner Mutter Geld schicken können.“ Kofis Vater war reich, doch seine Farmen wurden im Bürgerkrieg zerstört. „Ich will hart arbeiten und es so weit bringen wie er“, sagt Kofi. Er sieht die Errungenschaften seines inzwischen verstorbenen Vaters als Fundament, auf das er aufbauen möchte. Er malt symbolisch ein Viereck in den Sand neben sich. „Ich denke, ich habe eine große Zukunft vor mir!“

DANIEL


Daniel

Auch Daniel, der beste Freund von Kofi, hatte eigentlich nie vor, nach Europa zu kommen. Von Ghana ist er als gelernter Tischler und Dachdecker ebenfalls zum Arbeiten nach Libyen eingewandert. Wenn Daniel über seine Vergangenheit redet, spricht er immer wieder von ,davor‘ und ,danach‘. ,Davor‘ hatte er ein gutes Leben, er hatte Vertrauen in die Menschen, Gott und die Welt. ,Danach‘ ist er jemand, der nicht mehr nachdenken will, weil er sonst verrückt wird, jemand, der keine Angst mehr hat, keinen Glauben, keine Hoffnung. Auch Kofi, den er aus der gemeinsamen Zeit in Libyen kennt, sei ,davor‘ ein anderer Mensch gewesen, das, was wir hier jetzt erlebten, sei nicht der echte, sondern der gebrochene Kofi, meint Daniel.

Wendepunkt ist der Krieg in Libyen: „Die Bomben fielen Tag und Nacht, man konnte nicht mehr schlafen, wir wurden verfolgt.“ Genauso wie Kofi bleibt auch Daniel keine andere Möglichkeit als die Flucht nach Italien. Verwandte und Freunde, die mit ihm an Bord sind, kommen um, als das Boot mit einem anderen zusammenstößt und mehr als 70 Menschen ertrinken—kein Einzelfall, sondern Tagesordnung auf dem Seeweg nach Lampedusa. Daniel ist unter denjenigen, die es lebend bis auf die italienischen Insel schaffen. Dort hört er von den Flüchtlingsprotesten in Deutschland. „Und seit meiner Kindheit bin ich Fan von Bayern München, deswegen dachte ich: Wenn du schon mal in Europa bist, musst du dahin!”

Daniel versteht nicht, warum er hier nicht arbeiten darf. „Warum macht der Staat das? Wovon soll ich denn leben? Wollen die, dass wir klauen und kriminell werden müssen, um überleben zu können?“ Die Unmengen an Geld, die europäische Regierungen an afrikanische Staaten zahlen, kämen durch die korrupten Regierungen doch nie bei der Bevölkerung an, ärgert er sich. Stattdessen sollten doch er und all die anderen Geflüchteten die Möglichkeit haben, hier Geld zu verdienen, um es nach Hause schicken zu können. Ab und zu bekommt Daniel Gelegenheitsjobs, beispielsweise als Umzugshelfer. Obwohl das Dealen im Park seine einzige Möglichkeit wäre, regelmäßig etwas zu verdienen, verkauft er keine Drogen. „Ich finde das nicht gut, mein Herz sagt mir, dass ich das nicht tun soll.“ Von der Polizei wird er trotzdem verdächtigt: „Dauernd durchsuchen sie mich, kontrollieren meine Papiere ohne Grund, warum? Das ist doch rechtswidrig!“

Sein Lieblingsort in Berlin ist die von Geflüchteten besetzte Schule am Görlitzer Park, in der er mit Kofi übernachtet, und die Freunde dort sind ein bisschen wie eine neue Familie. Auch wenn es nicht leicht ist: Manchmal verschwinden Leute, ständig kommen neue dazu, und jeder hat seine eigene, schwierige Geschichte.

Als wir ihn fragen, was er im Winter bei Minusgraden machen wird, lacht Daniel. Das sei eine lustige Frage, sagt er. Er weiß nicht einmal genau, wie er die nächste Woche rumbringen soll. Sich jetzt schon um den kalten Winter zu sorgen, würde ihn nur verrückt machen. Auch in die Kirche geht er hier in Berlin nicht mehr so oft wie früher, dort habe er zu viel Zeit zum Nachdenken. Er fragt aber sofort, ob er mal zum Meditieren mitkommen kann, als wir von einem buddhistischen Zentrum hier im Kiez erzählen. Trotz seines Glaubens sieht er gerade keinen richtigen Ausweg aus seiner Situation. Selten telefoniert er mit seiner Familie, dann sagt er ihnen, alles sei gut. „Wisst ihr, es gibt Dinge im Leben, die erzählt man seiner Familie besser nicht. Der Krieg in Libyen ist meine persönliche Erfahrung, das hier in Europa ist mein eigener Kampf. Egal, was ich hier tue, es ist meine eigene Sache. Und wenn ich morgen sterbe, sterbe ich für mich allein.“ Auch mit Politik wolle er nichts mehr zu tun haben, denn sie habe seinen Vater umgebracht. Als wir fragen, was damals passiert sei, schaut Daniel lange in die Ferne und beginnt schließlich zu weinen.

BOUBA

„Ein Elefant hat mich mit seinem Rüssel rübergeschleudert, von Afrika direkt in den Görlitzer Park“, sagt Bouba und grinst. Das ist das einzige, was er uns über sein Herkunftsland und seine Migration verrät. Nicht nur aus Angst vor der Polizei, sondern auch, weil er innerhalb der Community lieber anonym bleiben möchte.

Schon als kleiner Junge ist er bildungshungrig—und bereits als Siebenjähriger muss er für seine Bildung kämpfen. In seinem Dorf ist er der Einzige, der statt zur Schule zum Schafehüten gehen muss, weil nach dem frühen Tod seines Vater kaum genug Geld zum Überleben bleibt. Doch neidisch auf die schicken Schultaschen seiner Freunde nervt er seine Mutter so lange, bis sie nachgibt. Die öffentliche Schule kostet umgerechnet zwei Euro im Monat, auf 100 Schüler kommt eine Lehrerin. Parallel macht Bouba eine Ausbildung zum Mechaniker und mit 16 kann er sein letztes Schuljahr schon selbst zahlen. Dann stirbt seine Mutter. „Mit ihrem Tod verlor ich den einzigen Freund, den ich damals hatte“, sagt er. Er will weg und fängt an, für seinen großen Traum zu sparen: Europa.

Inzwischen ist Bouba Mitte Zwanzig. In Deutschland angekommen, beantragt er Asyl und wird nach Wittenberg ins Heim geschickt. „Dort gab es nichts außer Bäume, ich bin fast verrückt geworden.“ Es kommt auch immer wieder vor, dass die Gemeinschaftsunterkunft mit Böllern beschmissen und die Geflüchteten bedroht werden: „Wenn ihr nicht weggeht, rufen wir die Nazis hierher! Mit solchen und ähnlichen Sprüchen haben sie uns bedroht“, erinnert sich Bouba. „Das kleine Volk dort hat Angst vorm bösen schwarzen Mann.“ Auch im Heim selbst sei es nicht viel besser gewesen, er berichtet von vielen Schikanen. „Die Leute, die da gearbeitet haben, sahen uns Afrikaner als Affen, wir standen in der Hierarchie ganz unten.“ Um gegen diese Zustände zu protestieren, nimmt er an einer Demonstration teil. „Aber da wurde mir zu viel über Politik geredet, für mich sprachen die nicht“—es sei zwar übersetzt worden, aber so richtig identifizieren kann er sich mit diesem Aktivismus nicht. Nichtsdestotrotz sieht er das Konzept ,Asylheim‘, so wie er es erlebt hat, sehr kritisch.

Vom Leben in der Gemeinschaftsunterkunft in Wittenberg hat Bouba genug, er geht nach Berlin—obwohl das auf Grund der Residenzpflicht eigentlich nicht erlaubt ist. „Ich mag Großstädte, es ist internationaler und es gibt weniger Rassismus. Und es ist anonym, man kann machen, was man will.“ Doch für Bouba selbst gilt das nur bedingt, er muss sich verstecken. „Am Anfang war es echt hart!“ Er kennt niemanden und muss mit seinem Rucksack auf einem Kinderspielplatz schlafen. Inzwischen kann er bei einem Freund wohnen.

Als wir mit Bouba in einem Café sitzen und ihn aufs Dealen ansprechen, senkt er die Stimme. „Von 20 Dealern im Park würden 15 liebend gern was anderes machen, wenn sie nur könnten. Die Leute denken, dass wir damit glücklich sind, aber wir sind nicht glücklich mit der Situation.“ Er selbst nimmt keine Drogen, wusste bis zu seiner Zeit in Berlin noch nicht mal, wie diese aussehen. Aber im Görlizer Park lernt er schnell Leute aus der Dealer-Community kennen und aus Geldnot beginnt auch er, jedoch mit schlechtem Gewissen. Von den „kleinen Mafiosi-Dealern“, wie er sie nennt, die zu viel trinken und rauchen, sich nicht an die ungeschriebenen Parkregeln halten und alle in Verruf bringen würden, grenzt er sich ab. „Die Polizei macht ihre Arbeit, das sehe ich völlig ein. Ich weiß selbst, dass es Probleme gibt. Ein paar Verkäufer akzeptieren die Regeln nicht, treiben die Preise hoch, machen Chaos. Dabei wollen die meisten einfach nur in Ruhe ihr Business machen.“

Solange Bouba keine Arbeitserlaubnis hat, kann er nicht als Mechaniker arbeiten. Und erst recht nicht als Kameramann oder Journalist, beides Berufe, in denen er gerne Karriere machen würde. Von den 300 Euro, die ihm monatlich zur Verfügung stehen, kann er nicht leben—geschweige denn, sich einen Sprachkurs leisten. Deutsch ist die achte Sprache, die er lernt. „Mit 10 Euro am Tag überleben? Das geht nicht. Für mich gibt es keine andere Lösung, als zu dealen, wenn ich essen will.“ Er schämt sich, im Park zu stehen, erzählt er. Wenn er Familien mit Kindern sieht, versteckt er sich, weil er nicht möchte, dass sie Angst bekommen.

„Es ist schwierig für mich, eine richtige Freundin zu finden. Wer möchte schon mit einem Dealer zusammen sein?“ Denn Bouba will ein ganz normales bürgerliches Leben. Er wünscht sich eine Partnerin mit einer guten Ausbildung und möchte eine Familie gründen, in der Bildung im Mittelpunkt steht. „Mein Schicksal soll sich nicht auf die nächste Generation übertragen, meine Kinder müssen eine gute Ausbildung haben. Ich will der Letzte meiner Familie sein, der leiden musste.“

Fotos: Boris Niehaus,

Interviews: B. Niehaus, I. Hobe, M. Raboldt

Text: I. Hobe, M. Raboldt, Übersetzung: F. Boillot

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