Header: A. Berlinger
Vor ein bisschen mehr als acht Jahren verschlug es mich erstmals an den Praterstern. Genauer gesagt auf ein Konzert und noch genauer in die fluc Wanne, da in unserem Freundeskreis damals die Platte Mega Breakfast von dem Art-Rock-Kollektiv The Chap die Runde machte und wir diese schräge Musik zwischen Indie, Electro & Dadaismus ziemlich feierten.
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Der hellblaue Container-Komplex, der da am Platz vor dem Bahnhof wie ein Fremdkörper thront und irgendwie immer den Charme eines Baustellenhäusls versprühte – als würde es bald zur nächsten Baustelle gehen – stand damals schon da und machte sich die ehemalige Unterführung darunter zueigen. Die ortskundigen Wiener in unserer Runde führten zur Location – ich hätte sie damals wohl nie gefunden, wohl auch weil ich dachte, dass das Konzert sowieso im Flex sei.
Das fluc versprüht unweigerlich Großstadtflair: mitten im urbanen Raum, zwischen zwei hochfrequentierten Plätzen angesiedelt. Auf der einen Seite das traditionelle Postkarten-Wien mit dem Würstelprater, auf der anderen sozialer Brennpunkt, Transport, Transit, ständige Bewegung durch den Bahnhof. Und genau hier knüpfte Dynamo, der Trägerverein vom fluc, auch an: “Das fluc ist als eine Initiative von Künstlern entstanden. Aus einem Kunstprojekt mit integrierter Mehrkanal-Klanginstallation, einem Offspace im alten Bahnhof Praterstern hat sich die Idee entwickelt, den Ort bis zum Abriss des Bahnhofs täglich zu bespielen,” sagt Martin Wagner von Dynamo. “Wir wollten einen Ort kreieren, der viele verschiedene musikalische und künstlerische Strömungen integrieren kann, eine Sache, die es so in Wien noch nicht gegeben hat.”
Bevor das fluc als solches also da stand, gab es unweit vom jetzigen “Hafen” bereits das Vereinslokal, das sich in einem alten Plattenladen ansiedelte und Platz und Raum für experimentierfreudige, kunstinteressierte und musikaffine Gleichgesinnte schuf. “Es ging damals darum, einen möglichst offenen Raum zu haben, der den BesucherInnen und allen Beteiligten möglichst viel Freiraum lässt,” sagt Martin weiter.
An der Philosophie von damals hat sich notgedrungen sicher etwas verändert. Das Projekt, das aus “Liebhaberei” heraus entstanden ist, erzählt Martin, wurde mit der Etablierung als nicht mehr wegzudenkende Fix-Location in Wien natürlich professionalisiert und mit der wachsenden Verantwortung musste die Programmierung logischerweise schon weit längerfristig ablaufen.
Das fluc ist auch kein Club, der einfach mal so aus dem Boden gestampft wurde, im Gegenteil: Er wuchs mit der Stadt, mit dem Subkultur- und Kulturangebot Wiens mit und so eröffnete man nacheinander und schrittweise zunächst den oberen Bereich, von vielen liebevoll “das Café” genannt, ein halbes Jahr später erst die Wanne als Baustelle, die überhaupt erst nach einem Jahr eine funktionierende Zentralheizung oder gar eine brauchbare Soundanlage bekam.
Einkünfte wurden in den weiteren Ausbau investiert, anstatt sich darauf auszuruhen ein so großes Projekt gestemmt zu haben: “Sicher gab es in dieser Phase mal kurz ein paar Momente, in denen man sich der ‘Wahnsinnigkeit und Waghalsigkeit’ des Projektes bewusst geworden ist. Aber eigentlich sind wir damals auf einer Welle der Euphorie gesegelt, es war schon erstaunlich für uns, wie sich aus einer Idee heraus und dem Willen, das unbedingt umzusetzen, so ein Ding an einem zentralen Ort in Wien materialisieren lässt,” erinnert sich Martin.
Und wie bereits erwähnt, kann man sich das fluc inzwischen nur noch schwer aus der Wiener Kunst- und Musikszene wegdenken. Irgendwie hat es für jeden etwas parat: seien es die seit 2006 kontinuierlich stattfindenden Konzerte im Café, oder die fast monatliche Veranstaltung “In der Kubatur des Kabinetts – der Kunstsalon im fluc”, ein Techno-, Drum’n’Bass- oder Electrobunker in der Wanne – ein Blick ins Monatsprogramm genügt, um fündig zu werden.
Wie auch andere Wiener Club- und Konzertlocations veranstaltet das fluc aber nicht ausschließlich selbst, sondern arbeitet auch eng mit externen Veranstaltern zusammen. Peter Nachtnebel, der in erster Linie für das Booking zuständig ist, erklärt uns: “Wir haben im Dancefloor-Bereich fast nur Kooperationen mit externen Veranstaltern. Das sehen wir nicht als Notwendigkeit, sondern vielmehr als eine Bereicherung. Natürlich ist es auch unmöglich, mit unseren beschränkten Mitteln eigene, tägliche Club-Formate zu entwickeln. Unsere Hausspezialitäten sind dafür Konzerte und Kunstausstellungen.”
Eine wunderbar aufgeklärte und treffende Antwort hat Peter auch auf die Frage, was das fluc von der enorm gewachsenen Clubkultur hält: “Wien hat für eine 2 Millionen-Stadt ein enormes kulturelles Angebot, innerhalb dessen Subkultur – sicher auch als Reaktion auf das Sissi- und Lipizzaner-Wien – eine Art Korrektiv wie auch ein wichtiger Nährboden für Neues ist. Es gibt unzählige Initiativen, Salons, Off-Spaces und eben auch Clubs, die diese Stadt täglich bereichern, ohne jemals groß Geld gesehen zu haben. Wien ist eine umtriebige Kulturstadt.
Dafür lieben wir Wien. Nur leider übernimmt es sich oft. Dieses Überangebot, besonders im Frühjahr und Herbst spürbar, ist für den dedicated Stadtbenutzer super, für die Kulturgastronomen aber eine einzige Zitterpartie. Konkret im Clubbereich wird die Sache nochmal schwieriger. Die Szenen sind zu klein, zu fragmentiert, zu verfeindet, dann ist bis April Winter, dann ist plötzlich Gastgarten- und Festivalzeit, dann ist es zu heiß … Das führt aufs Jahr hochgerechnet auf ein paar wenige gute, ausgelassene Partys. Diese sind dann meistens im kleineren Rahmen zu finden.”
Für die Zukunft der Szene wünscht er sich “keine weiteren Clubs, sondern weniger und bessere Partyveranstalter. Es braucht heute mehr als eine gute Anlage, ein geschmackssicheres Booking und ein paar Visuals, um die Leute zu locken.” Amen, Peter. Und nicht nur in dieser Hinsicht agiert das fluc mit Geschmack und Stil. Vorbilder hat das fluc an sich keine, so sieht Peter Nachtnebel das “krampfhafte Nachäffen von Trends, um internationaler zu wirken” als “Zeichen von Provinzialität und Identitätslosigkeit”, da sich Zeitgeister ohnehin durchsetzen, wenngleich “in Wien etwas langsamer als schnell.”
Darüber hinaus war das fluc auch der erste Club in der Stadt, der mit gezielten Maßnahmen auch die Objektifizierung von Frauen in Ausgehlokalen thematisierte und bekämpfte: Von Hinweisen auf Toiletten bis hin zum geschulten Security Personal positionierte man sich klar dagegen, was guten Anklang in den Medien, aber viel wichtiger inzwischen auch in anderen Wiener Lokalen fand. Und schließlich hat das fluc auch keine door-policy: “Grundsätzlich darf jeder rein, der sich auf Wiens subkulturelle Szenen einlassen will, neugierig ist, und etwas erleben will. Wie überall anders auch wollen wir lediglich keine alkoholisierten Männergruppen oder sonst wie potentielle ProblemmacherInnen.”
Abschließend fragen wir noch nach, woran man sich gerne oder ungern in diesen 15 Jahren erinnert, worauf Martin uns erzählt, daß klarerweise die Eröffnung, als die Polizei die Bim durch die Menschenmassen eskortieren mußte, ein Highlight gewesen wäre. Auch das Aufdrehen einer neu installierten Sound-Anlage war jedesmal wunderbar. Ungern erinnert er sich allerdings an die “verstopfte Kanalisation und übergegangene Häusln, wenn man wortwörtlich in der Scheiße steht und selbst Hand anlegen muss.” Peter lenkt ein, “generell sind es die Momente, wenn man auf einen Abend hinarbeitet, der dann auch aufgeht. Das macht noch immer sehr froh.”
Das Wiener fluc feiert ab morgen, dem 27.4., sein 15-jähriges Bestehen mit einem 5-tägigen Programm. Hier geht´s zum Event. Wir gratulieren herzlich und freuen uns bereits auf die nächsten 15 Jahre.
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