Willkommen zu unserer neuen Kolumne Nomadic Brews über das Wanderbrauen erzählt von Jeppe Jarnit-Bjergsø von Evil Twin Brewing. Jeppe braut Bier in Ländern wie Taiwan, Mexico oder Brasilien und jeden Monat wird er uns von seinen Reisen um die Welt erzählen.
In den 1980ern und 1990ern waren zahlreiche Produkte „Made in Taiwan“. Heute produziert das Land nicht mehr so viel wie früher. Ich arbeitete in Taiwan mit einem kleinen Craft-Beer-Importeur zusammen, Bierwest, ein Unternehmen, das von den zwei Kanadiern Shawn und Tristan geführt wird. Sie haben außerdem ein Biergeschäft und eine Bar in Taipeh und sie waren es auch, die meine Aufmerksamkeit auf die junge, aufstrebende taiwanesische Bierszene lenkten.
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Genau das ist es aber: Es sind die Hipster aus dem Ausland, die die treibende Kraft hinter der Craft-Beer-Szene in Taipeh sind. Stell dir eine aufstrebende Gegend mit vielen kleinen Cafés und Boutiquen vor—im Grunde wie jedes andere Hipstermekka dieser Welt. In den Kellerbars im Umkreis wirst du Amerikaner, Kanadier und Europäer mit modischen Haarschnitten und karierten Hemden treffen. Die sind wahrscheinlich alle hier, weil es sich hier relativ einfach relativ gut leben lässt. Taiwanesische Hipster habe ich aber noch nicht sehr viele gesehen. Es ist ein wunderschönes Land und ein vielversprechender Standort für Unternehmer. Fast jeder kann hier ein Unternehmen gründen.
Ich bin hier, um Bier zu brauen und eine taiwanesische Filiale meiner Forma Evil Twin aufzubauen.
Mein Ziel: fünf verschiedene Biere in fünf Tagen zu kreieren. Sean und Tristan haben Zugang zu einer Brauerei, die sich ungefähr eineinhalb Stunden außerhalb von Taipeh befindet. Ich zögerte also nicht lange, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Taiwan ist von meiner Heimat New York aus gesehen buchstäblich auf der anderen Seite der Welt. Ich reiste am Dienstag Mittag von Brooklyn ab und kam am Mittwoch spät in der Nacht an. Ich war komplett hinüber. Der Zeitunterschied beträgt 12 Stunden, aber es liegt auch eine gesamte Zeitzone dazwischen. Bin ich dann also doch am erst am Donnerstag angekommen? Weiß nicht mehr. Ich habe jedenfalls einen ganzen Tag meines Lebens verpasst. Ich versuchte sogar während des 18-Stunden-Flugs wach zu bleiben.
An meinem ersten Abend besuchte ich eine Craft-Beer-Bar, die voll von Ausländern war, was sich irgendwie komisch anfühlte. Ich fragte mich unweigerlich, Wieso zieht die Craft-Beer-Szene keine Einheimischen an? In der Bar traf ich einen Typen, der auf dem Weg nach Japan war und spontan entschied, einen kurzen Zwischenstopp in Taipeh einzulegen. Heute lebt er seit 12 Jahren hier.
Ich habe mich sehr schnell in die Stadt verliebt. Es ist die perfekte Mischung aus China und Japan. Überall ist es sehr sauber und die japanische Sensibilität trifft auf die Coolness Chinas. Es schadet auch nicht, dass Taipeh das emsige Geschäftstreiben Chinas und unglaublich gutes Street Food hat. Sie haben nicht nur einen Nachtmarkt—es fühlt sich an, als wären es Milliarden.
Taiwanesen sind von frischem—gerade erst gebrautem—Bier besessen. Das ist das Merkmal der taiwanesischen Trinkkultur. Taiwan Beer, die größte Biermarke des Landes, brachte kürzlich ein Bier mit dem Namen 16 Days heraus, das so heißt, weil du es innerhalb dieses Zeitraums trinken musst. In jeder Bar in der Gegend gibt es billige, erfrischende Lager.
Aber ich bin hier, um Bier für den Craft-Beer-Markt zu produzieren und deshalb sind die Hipster die erste Gruppe, die ich für mich gewinnen muss.
Ich hatte früher ein Biergeschäft in Kopenhagen, das sich auf der hippsten Straße Dänemarks befand. Als ich mein Bierunternehmen gründete, wollte ich ein Produkt anbieten, das ein größeres Publikum anspricht, aber dennoch gut gebraut und geschmackvoll ist, weil wir generell gerne mit verschiedenen Aromen experimentieren. Hipster sind dafür bekannt, dass sie beschissene Biere in Dosen trinken. Darüber wollte ich mich ein bisschen lustig machen und deshalb kreierte ich ein hippes Bier (in der Dose), das süffig ist, aber trotzdem einen intensiven Geschmack hat. Mir war schon während ich es produzierte klar, dass sich manche Hipster davon abwenden werden, weil sie die Ironie nicht verstehen würden, aber manche würden es wahrscheinlich auch witzig finden. Vor vier Jahren machten wir es nur in Kopenhagen, aber mich riefen nach und nach die internationalen Importeure an. Mittlerweile haben wir ein Hipster-Gebräu für Södermalm (in Stockholm), Grünerløkka (in Oslo), El Raval (in Barcelona), Trastevere (in Rom), Shoreditch (in London), Williamsburg (in Brooklyn), und Mission (in San Francisco). Jetzt produzieren wir ein globales Hipster-Ale für die Hipster auf der ganzen Welt.
Da ich schon in Taipehs Hipster-Viertel zu Besuch war, dachte ich mir, es wäre an der Zeit, dass die taiwanesischen Hipster ihr eigenes Bier bekommen.
Ich lernte dabei sehr schnell, dass Taiwanesen sehr patriotisch sind. Mein Importeur Shawn sagte zu mir, dass alles, was irgendwas mit „Taiwan” heißt, ein Kassenschlager wird, also produzierten wir auch ein IPA, das wir „Made in Taiwan” nannten. Das Hipster-Bier brauchte Gesellschaft. Ich hatte gehört, dass die Leute hier schon einige IPAs hergestellt hatten, aber noch kein richtiges Amerikanisches. Die, die es bisher gab, waren meistens sehr mild und malzig. Also genau so, wie ein richtiges IPA nicht sein sollte, wenn du mich fragst. Ich wollte also etwas kreieren, das dich umhaute, um den Leuten zu zeigen, dass man den nächsten Schritt gehen kann. Wir produzierten also ein sehr hopfiges IPA mit ungefähr 70 IBUs (International Bitterness Unit), was bisher in Taiwan noch niemand gemacht hatte. Oder zumindest wurde mir das gesagt.
Shawn und Tristan hatten schon länger versucht, eines meiner Biere zu bekommen, „The Cowboy”, ein rauchiges Pilsner. Wir hatten es aber nicht auf Lager. Wieso machen wir es also nicht einfach in Taiwan? Szechuanpfefferkörner sind perfekt, um dem Bier einen einzigartigen taiwanesischen Twist zu geben und es zum Taiwanese Cowboy zu machen. Rauchige Pilsner sind ähnlich wie normale Pilsner, aber werden mit geräuchertem Malz hergestellt. Das Heimatland aller Rauchbiere ist Bamberg, wo alles seinen Anfang nahm. Alles, was du dafür machen musst, ist das Malz über einem Feuer räuchern und es dann zu deinem Bier geben, um einen subtilen Rauchgeschmack zu erzeugen, der die Süße ein bisschen auflockert.
Klingt ziemlich einfach.
Es gab nur ein Problem: Niemand in Taiwan verwendet geräuchertes Malz. Es ist eine Insel und deshalb weit weg von allem. Demnach ist es schwierig an bestimmte Zutaten zu kommen, besonders frische. Wir brauchten ungefähr 85 kg geräuchertes Malz. Shawn musste jeden Bierbrauer in Taiwan anrufen, den er kannte, aber er konnte nur 15 kg für uns auftreiben. Den Rest importierten wir aus China.
Arbeiter der Brauerei sortieren das Malz aus.
Wir brauten nur drei Tage und die Brauerei-Arbeiter hatten alle Rezepte schon per Email erhalten, bevor ich überhaupt ankam. Ich bin immer noch sehr beeindruckt von ihrer strukturierten Arbeitsweise. Sie bewegten sich wie Roboter. Wenn ich ihnen sagte, sie sollen etwas machen, dann machten sie es perfekt. Shawn übersetzte im Vorhinein die Rezepte für die Arbeiter, aber es fiel ihnen sehr schwer, sie zu lesen. Sie verstanden sie nicht, weil sie noch nie solche Rezepte gesehen hatten. Wie sollen sie auch wissen, was sie machen sollen, wenn sie noch nie ein Smoked Cowboy produziert haben?
Wir hatten ein Basismalz, das ungefähr 80% von einem der Biere war und sie fragten mich, „Sollen wir eins der Spezialmalze dazugeben? Eins nach dem anderen oder als Mischung?” Sie nahmen das sehr ernst und holten eine Waage heraus, wiegten alles ab und holten einen Sack heraus und gaben zwei Löffel vom anderen Malz rein. Das zeigte mir, wie wenig Erfahrung sie hatten, aber auch wie sehr sie jemanden zufriedenstellen wollten.
Es war eine Herausforderung, mit einer Brauerei zusammenzuarbeiten, in der mit einem komplett anderen Alphabet geschrieben wird, in der die Arbeiter kaum Englisch sprechen und mit einem Jetlag zu arbeiten. Aber ich mag diese Art der Herausforderungen. Genau deshalb bin ich auch weiterhin Gypsybrauer und reise um die Welt. Keine Erfahrung gleicht der anderen. Shawn und Tristan waren eine großartige Hilfe.
Ich hatte schon über Pfefferbrötchen gelesen—gebackene Brötchen, die mit Hackfleisch und massenhaft schwarzem Pfeffer gefüllt sind. Sie werden in traditionellen runden Steinöfen auf den Straßenmärkten in Taipeh gebacken. Die Brötchen sind quasi eine Institution hier. Es gab einen Stand beim Nachtmarkt, vor dem sich eine sehr lange Warteschlange gebildet hattet, also wusste, dass ich mir dort eins holen sollte.
Als ich in das glühend heiße, pfeffrige Brötchen biss—verstand ich endlich die Verbindung zu unserem rauchigen Cowboy Pilsener und wünschte ich mir, dass der Taiwanese Cowboy jetzt schon fertig wäre.