Es ist schon irgendwie komisch, Batman wieder auf der großen Leinwand zu sehen (mein Kollege Josef Zorn hat bereits über seine Meinung geschrieben), wo ihm Christopher Nolan—gefühlt—gerade eben erst ein Denkmal mit seiner Trilogie gesetzt hat. Seine drei Batman-Filme stehen wie ein Monument da, viele von uns haben noch die Szenen vom Duell zwischen Christian Bale und Heath Ledgar (dem besten Joker aller Zeiten) vor Augen—sorry Jack.
Umso irritierender wird es, im neuen Batman V Superman: Dawn of Justice auch noch Ben Affleck im schwarzen Neoprenanzug beim Herumturnen zuzuschauen, da er zumindest den Freunden von Comicverfilmungen als Superheld „Daredevil” im Gedächtnis hängen geblieben ist. Affleck sowohl den blinden Teufelsverschnitt aus dem Marvel-Universum verkörpern zu sehen wie auch den Fledermaus-Mann, ist so ähnlich, als würde Thomas Müller einmal für Deutschland und dann für die Elfenbeinküste seine Storchenbeine in Anschlag bringen.
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Ich kann sehr gut den vielleicht auch etwas traditionalistischen Einwand verstehen, dass die einstigen Superhelden zu riesigen Franchise-Marken geworden sind, die wieder und wieder auf die Leinwand geworfen werden, wobei es der Kulturindustrie—Pardon—der Filmindustrie weniger um die Weiterentwicklung von Charakteren geht, als um die bloße Reproduktion des Altbekannten und gut Verkauften, frei nach dem Motto: Was das zahlende Publikum schon mal gefressen hat, wird ihm auch aufgewärmt wieder schmecken.
Wenn wir diese Sichtweise ins Extreme treiben, entstehen glatt Schnittmengen mit den traditionalistischen James Bond-Hardlinern, für die Sean Connery der einzig wahre Bond-Darsteller ist und spätestens nach Roger Moore die gesamte Filmreihe ihre Daseinsberechtigung verlor—lieber sprechen sie Goldfinger zum zwanzigsten Mal auf der heimischen Multimedia-Anlage auswendig nach, als Geld im Kino für den aufgepumpten Daniel Craig zu bezahlen. Ich gehöre nicht zu dieser Kaste, ich mag Daniel Craig, vor allem in Casino Royale.
Aber es stimmt schon: Die Intervalle, in denen ein Superheldenfilm wiederholt auf den Markt geworfen wird, werden kürzer und kürzer; allein schon deswegen, weil sich mit kaum einem anderen Genre so viel Kohle durch Merchandise-Artikel machen lässt, wie mit diesen Filmen: Actionfiguren, Computerspiele, Grillteller, Toilettenpapierhalter, Vibrationen—verkauft wird, was die Phantasie hergibt.
Die Filmstudios sind natürlich nicht blöd und wissen, dass sie bei der erhöhten Schlagzahl an Superheldenfilmen dem Publikum auf dramaturgischer Ebene Neuerung oder Variationen bieten müssen. Selbst unsere Lieblingspizza hängt uns irgendwann zum Halse raus, wenn wir sie zu oft serviert bekommen. Anstatt aber—wie von Christopher Nolan meisterlich vorgeführt—am Storytelling und den Charakteren zu schrauben, verfolgt nun auch DC Comics einen Weg, den Marvel für die Kinoleinwände schon vor Jahren eingeschlagen hatte und der in den originären Comicheften seit Jahrzehnten einen fester Bestandteil der Erzählstruktur bildet: Es ist die Vermengung aller Figuren zu einem einzigen Superheldenporno.
Bei Marvel bringen bereits Iron Man, Captain America, Hulk, Thor, Black Widow und Hawkeye als die Avengers die Welt zum Explodieren; nun zieht auch DC Comics mit ihrem in Deutschland anlaufenden Film nach. Superman, Batman und auch Wonder-Women werden plötzlich zusammengeworfen—was wir erleben, ist ein Wettrüsten zweier Comicverlag-Alphatiere. Bei Comicheften, die über eine Serie von zehn, zwanzig oder noch mehr Folgen konzipiert werden, funktioniert das auch sehr gut. Wenn man aber ein dutzend Helden in nur zwei Stunden Laufzeit quetschen muss und jeder von ihnen seine Zeit zum Fliegen, Schießen und Explodieren beansprucht, dann bleibt für alles andere nicht mehr viel übrig. Irgendwann erinnert das Ganze an die abgedrehten und hingerotzen Massenorgien der Pornoindustrie: Klar, es hat schon seinen Reiz, 20 Darsteller sich übereinander herfallen zu sehen, aber irgendwann stellt sich eine Reizüberflutung ein. Ist das erst mal geschehen, werden wir Zuschauer nicht dadurch weiter bei der Stange gehalten, dass die Filmstudios noch weitere fünf Gestalten auf den sich bereits zerreibenden Haufen Fleisch werfen, denn ab einem gewissen Punkt geht der Einzelne in der Masse von Explosionen oder Genitalien unter.
Marvel allein hat diesen Punkt bereits mit den Avengers und X-Men für das gesamte Genre überschritten, darum ist es jetzt bitter ansehen zu müssen, wie DC Comics diesem überreizten Konzept nacheifert; und noch bitterer ist es, dass sie dazu ausgerechnet Batman aus ihrem überreichen Angebot an Superhelden bemühen mussten, ihn, der uns bislang als seltenes Beispiel einer grandiosen Comicverfilmung in Erinnerung war.
Denn verglichen mit den Avengers entschied sich Nolan dazu, weniger Protagonisten einzusetzen, dafür aber ihre Charaktere besser auszuleuchten. Gleichzeitig entschied er sich, Batmans Geschichte als Trilogie zu konzipieren, was ihm ein ruhigeres Erzähltempo erlaubte und mit wohldosierten Actionszenen wusste er bedacht Reizpunkte zu setzen. Das Ergebnis: Ein wirklich geiler Film. Es war Batman und gleichzeitig doch etwas Neues.
„Kultur heute schlägt alles mit Ähnlichkeit.” Dieser Ausspruch des verstaubten Kulturpessimisten Adorno trifft auf Nolans Batman-Interpretation nicht zu, bei dem neuen Streifen von Zack Snyder bin ich mir da nicht so sicher. Snyder hat auf ein Konzept gesetzt, dessen Struktur allein der erzählerischen Ebene starke Grenzen setzt und somit ein dramaturgisches Scheitern fast unumgänglich macht. Kollege Zorn legt für Batman V Superman: Dawn of Justice zwar seine Hand ins Feuer, doch irgendwie traue ich diesem Urteil nicht. Vielleicht wäre es besser gewesen, ihre Hände in die Hosentaschen zu legen, vielleicht irre ich mich aber ja auch.
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