Man würde meinen, man bekommt die unglaublichsten und verrücktesten Träume, wenn man high ist. Tatsächlich ist aber genau das Gegenteil der Fall. Während uns Angst um den Verstand bringt, wie Dune, ein Klassiker der Kifferliteratur, feststellte, tötet Gras unsere Träume. Doch sobald man aufhört zu rauchen, kommen unsere Träume zurück und sehnen sich nach Rache.
„Wenn ich mal nicht stoned schlafen gehe, dann sind meine Träume super intensiv”, sagt Rod*. „Ich dachte immer, dass meine Vorstellungskraft einfach aufgebraucht ist, wenn ich high war.”
Videos by VICE
Gute Nachrichten, Rod: Es ist nicht möglich, dass deinem Gehirn die schönen Bilder ausgehen. Die Bilder haben nur einen anderen Ursprung, wenn man Pot geraucht hat. Um das zu verstehen, müssen wir uns zunächst allerdings erst einmal ansehen, was genau passiert, wenn wir schlafen.
Mehr lesen: Hilft Gras wirklich gegen Depressionen
„Schlaf wird in mehrere verschiedene Stadien eingeteilt”, sagt Dr. Elliott Lee von der Royal Sleep Disorder Clinic in Ottawa. Diese Stadien wiederum lassen sich laut Lee in zwei Kategorien aufteilen. „Es gibt den sogenannten REM-Schlaf oder auch Traumschlaf genannt. Alles andere fällt unter die Kategorie Non-REM-Schlaf.”
Non-REM-Schlaf (kurz NREM) gibt es in drei verschiedenen Ausführungen: N1-Schlaf, die Phase, wenn du gerade wegdöst und langsam wach wirst; N3-Schlaf oder auch Tiefschlaf ist laut Lee „der körperlich und mental erholsamste Schlaf”; und N2-Schlaf, wie die Phase genannt wird, wenn du von einer Schlafphase in eine andere übergehst, sagen wir von N1 zu REM oder von REM zu N3. N2-Schlaf ist sozusagen die Cremefüllung in deinem Schlaf-Oreo.
Obwohl der REM-Schlaf Traumschlaf genannt wird, ist es auch im NREM-Schlaf möglich, dass wir träumen—es ist nur ziemlich unwahrscheinlich und wir erinnern uns auch seltener daran. „Wir haben ungefähr 80 Prozent unserer Träume im REM-Schlaf.” REM-Träume sind außerdem auch viel abgedrehter. Während sich NREM-Träume in der Regel um Alltagsdinge drehen, schicken uns REM-Träume nach Georgien, wo wir vor dem Kühlregal eines Supermarkts in einem Kampf um Leben oder Tod mit Jamie Lee Curtis um den letzten Joghurt streiten. „Diese Träume sind sehr viel emotionaler und bunter”, sagt Lee.
Folgt Broadly bei Facebook, Twitter und Instagram.
Gras ist in vielerlei Hinsicht eine echte Spaßbremse für unsere Träume. „Cannabis ist ein extrem wirkungsvolles Mittel gegen Schlafstörungen. Man schläft nicht nur besser ein, sondern schläft auch besser durch”, sagen Andrew Kuebbing und Felicia Carbajal von My Health Freedom, einer kalifornischen Interessensvertretung für Cannabis. Studien haben derweil gezeigt, dass Pot die Schlaflatenz—also die Zeit die wir zum Einschlafen benötigen—verringert und die Tiefschlafphase verbessert.
Ist es gefährlich, nicht mehr zu träumen? Wir wissen noch immer nicht, was genau nun eigentlich während der REM-Schlafphase passiert. Alles was wir wissen, ist, dass sich unser Körper und unser Geist während der Tiefschlafphase regenerieren. Ich frage Dr. Lee, welche Funktion der REM-Schlaf erfüllt. „Ganz genau können wir das auch nicht sagen, aber es gibt einige Theorien dazu.”
Eine der vielversprechendsten Theorien ist laut Lee die Theorie von „schlafen um zu vergessen/schlafen um sich zu erinnern.” REM-Schlaf könnte eine entscheidende Rolle bei der Verarbeitung emotionaler Erinnerungen spielen. Wenn wir etwas Traumatisches erleben, dann werden zwei Formen von Erinnerungen in unser Gehirn eingemeißelt: eine deklarative und eine emotionale Erinnerung. Deklarative Erinnerungen enthalten konkrete Details über das Geschehen—das Wer, Was, Wann, Wo, Wie und manchmal auch das Warum. Emotionale Erinnerungen speichern dagegen, wie du dich gefühlt hast, als es passiert ist. Kurz nach einem traumatischen Ereignis sind unsere emotionalen Erinnerungen mit den deklarativen vermischt. Man kann die Details also nicht ohne die Emotionen abrufen. Träume helfen uns, unsere Emotionen von den Ereignissen zu trennen und über bestimmte Dinge hinwegzukommen.
Wenn du Angst hast, etwas zu verpassen, wenn du nicht träumst, dann gibt es eine einfach Lösung. „Wenn man die Cannabiniod-Therapie aussetzt, kommt es zu einer sogenannten ‚Rebound’-Phase, in der der REM-Schlaf nachgeholt wird”, sagt das Team von My Health Freedom. Zu einem REM-Rebound kommt es also, wenn man einen Mangel an REM-Schlaf erlebt hat. „Wenn wir die ganze Nach wach geblieben sind—aus welchem Grund auch immer—, dann holen wir in der darauffolgenden Nacht den Schlaf nach, den wir verpasst haben”, sagt Lee. Wenn man überhaupt nicht geschlafen hat, dann liegt die Priorität darauf, NREM-Schlaf nachzuholen. Wenn man allerdings ein oder zwei Joints zu viel geraucht hat, wegdöst und den kompletten REM-Schlaf verpasst hat, dann kann man davon ausgehen, dass die nächste nüchterne Nacht ziemlich seltsam werden wird.
Einen REM-Rebound erlebt man auch, wenn man zu viel getrunken hat. Bei Nichttrinkern verkürzt Alkohol die Schlaflatenz und unterdrückt den REM-Schlaf während der ersten Hälfte der Nacht. Nachdem der Alkohol durch deinen Körper durch ist, kommt es zu einem REM-Rebound. Das könnte auch der Grund dafür sein, warum manche Leute erzählen, dass sie die verrücktesten Träume haben, wenn sie eine Nacht feiern waren—dein Gehirn macht Afterhour. „Einige meiner seltsamsten und ekelhaftesten Träume hatte ich, nachdem ich trinken war”, sagt Yvonne*. „Vor Kurzem habe ich geträumt, dass sich meine Haare in meinen Zähnen verfangen haben und ich versucht habe, sie wie Zahnseide zu verwenden. Doch dann fing mein Zahnfleisch an zu bluten und hat einfach nicht mehr aufgehört zu bluten. Mein Blut war braun und ich hab die Haare einfach nicht aus meinen Zähnen gekriegt.”
Mehr lesen: Eine neue Studie legt nahe: Wer Gras raucht, sieht im Dunkeln besser
Um das Ganze zu verifizieren, habe ich ein Experiment durchgeführt, um die Folgen eines REM-Rebound zu demonstrieren: Ich habe zwei Nächte lang alle meine Träume aufgeschrieben—einmal nüchtern und einmal betrunken. In der nüchternen Nacht haben sich meine Träume um ziemlich alltägliche Probleme gedreht. Alle meine Träume waren frei von Emotionen. Unter anderem habe ich geträumt, dass ich wieder in meinem alten Job gearbeitet habe, aber nicht ans Telefon gehen musste. Die betrunkene Nacht war dagegen eine emotionale Achterbahn. Ich bin mit Carson Daly zum Abschlussball gegangen und war total aufgeregt. Meine Mutter hat mich durch einen Leuchtturm gejagt und ich war total verängstigt. Meine hyper-politischen Freunde haben Leute zum Wählen gebracht und ich hatte ziemliche Angst.
Wer dieses Wissen nun dazu nutzen möchte, sich spektakulärere Traumbilder ins Hirn zu pflanzen—sorry, so einfach ist es nicht. Wie Dr. Lee sagt, regt Alkohol nämlich nur bei unregelmäßigem, heftigem Konsum zum Träumen an: „Wenn Leute regelmäßig trinken, dann fällt es ihnen schwerer, einzuschlafen und die Nacht über durchzuschlafen. Außerdem werden beide Schlafphasen unterdrückt. Das wird schnell zur Falle.”