Popkultur

Warum Fidget Spinner das perfekte Gadget für eine äußerst unperfekte Zeit sind

Foto: Robert Couse-Baker | Flickr | CC BY-SA 2.0

Wenn ihr die letzten Wochen nicht unter einem Stein verbracht habt oder in Bad Oaschloch auf Digital Detox wart, kennt ihr Fidget Spinner, diese kreiselartigen Teile aus der Hölle. Ihr kennt sie aus der U-Bahn, dem Ramschgeschäft bei euch um die Ecke, von unzähligen Memes, aus Saturday Night Live … Ihr kennt sie, weil es aus irgendeinem Grund schon Fidget Spinner-Pornos gibt.

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Nun, die Spielzeuge würden, hätten sie ein Hirn, gerade die Welt übernehmen, oder, wären sie ein Virus, den ohnehin unausweichlichen Untergang der Menschheit beschleunigen. Der Bauplan der Teile ist trotz aller möglichen Variationen in den Grundzügen sehr ähnlich. In der Mitte ist ein Kugellager, außen sind Flügel oder Gewichte angeordnet, die die Drehung verstärken. Die Geübteren (und mit “geübt” meinen wir Menschen mit sehr viel Zeit) können Tricks damit machen. Für andere Moves braucht’s auch gar keine Übung.

Die Idee dahinter könnte zirka so paraphrasiert werden: Wenn du mit deinen hyperaktiven (“fidget” – englisch für “Unruhe oder zappeln”) Händen was zu tun hast, kannst du dich auf das Wesentliche – was auch immer das in dem Moment ist – konzentrieren. Das soll vor allem hyperaktiven Kindern helfen, so die ein oder andere Werbung. Der klinische Psychologe Norman Schmid hält einen positiven Effekt des Spielzeugs gar nicht für unmöglich, wie er gegenüber VICE erzählt: “Nur Wunder darf man sich keine erwarten. Mir sind auch keine Studien dazu bekannt, aber die motorische Hyperaktivität kann mit dem Spielzeug zumindest ein wenig gebannt werden.” An dem eigentlichen Krankheitsbild von ADHS ändere das freilich nichts.

Und die Dinger könnten auch Leuten ohne Aufmerksamkeitsdefizit helfen, wenn es darum geht, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Arbeit, Schule, Produktivität. Nur ja nicht ablenken lassen von allem Schönen und Hässlichen dieser Welt, von dem, was da unangenehm im Halbbewussten an unserer zufriedenen Arbeitsfähigkeit und Lernbereitschaft zerrt und sich in unruhigen Händen manifestiert.

Das passt doch irgendwie in den Zeitgeist der Selbstoptimierung. Statt unsere Komplexe und Nervositäten mit dem Beißen unserer Fingernägel, mit seltsamen Zuckungen, Sedativa oder Ritalin zu bewältigen, oder – stellt euch das einmal vor – darüber zu sprechen, zivilisieren wir uns mit Spielzeug, mit dem man eigentlich nicht spielen kann.

Die Spielzeuge würden, hätten sie ein Hirn, gerade die Welt übernehmen, oder, wären sie ein Virus, den ohnehin unausweichlichen Untergang der Menschheit beschleunigen.

Im Zeitalter von Trump, Erdoğan und Populismus wirkt das bedenklich folgerichtig: Wir starren auf Kreisel und hoffen, dass diese Weltsache nicht so schlimm wird. Trump meckert über die bösen Europäer und ihre Exporte? Leugnet den Klimawandel? Verrät Informationen? Du kannst dich drüber aufregen, du kannst drüber lachen, du könntest beschließen, die Welt zu verändern. Du kannst aber auch mit einem Kreisel spielen. Denn: Wenn wir ehrlich sind, nichts davon wird Trump kümmern. Dreh lieber an deinem Spinner, bevor du anders auszuckst. Konzentrier’ dich wieder auf deine Aufgaben. Rette die österreichische Exportwirtschaft oder so.

Erdogan setzt die Todesstrafe durch? – Du kannst mit dem Kopf gegen die nächste Wand laufen, dir die Haare raufen, ein sonstiges wütendes Klischee erfüllen. Oder drehen. Und dann besinnlich wieder zur Produktivität übergehen.

Du drehst durch, vor lauter Angst vor einem österreichischen Schwarz-Blauen-Déjà-vu? – Bring doch lieber dein Spielzeug zum Durchdrehen. Leg’s auf den Tisch. Schau dir an, wie das Ding seine kleinen Kreise zieht. Wie es die Farben wechselt. Lass dich fallen in die hypnotische Ruhe einer Bewegung ohne Fortbewegung. Lass locker. Schmunzel mit mir. Wegen Kurz und Strache muss man wirklich nicht schlecht gelaunt sein. Sprich mir nach: Alles dreht sich. Alles fließt. Alles wird gut. Alles ist wurscht. Irgendwann. Ganz bestimmt.

Und wenn ich schon mal in deinem Kopf bin: Jetzt hören wir fürs erste mit diesem halbironischen Fatalismus auf: Leg das Ding ins Eck und nutz deine überschüssigen Energien. Du bist zurecht beunruhigt.

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