Hylton Dayes ist Coach der Männerfußballmannschaft an der University of Cincinnati und einer von nur acht schwarzen Fußballtrainern in der Division 1, dem höchsten College-Sportverband der USA. Wenn Dayes und sein Co-Trainer Dan McNally, der weiß ist, anderen Menschen vorgestellt werden, gehen die oft davon aus, dass McNally der Chef ist.
„Ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt. Dan und ich müssen nur noch lachen”, so Dayes.
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Mike Curry hat es auf die Bank der US-Nationalmannschaft geschafft, indem er in seiner Freizeit noch zusätzlich mit Torhütern trainiert hat. Er weiß um die Herausforderungen als schwarzer Fußballspieler und -trainer. Seine Hautfarbe war seiner Meinung nach der Grund dafür, warum er stets besser als seine (weißen) Gleichaltrigen zu sein hatte.
„Ich war fast immer der einzige Schwarze im Team, wo ich mich viel mehr als meine weißen Mitspieler beweisen musste”, erinnert sich Curry. „Wenn also wieder mal irgendeine Extraarbeit anstand, habe ich mich immer als Freiwilliger gemeldet.”
Eddie Pope ist Mitglied der Hall of Fame im amerikanischen Fußball und wurde in den 90ern und 00ern 82 Mal in die US-Nationalmannschaft berufen. Und er weiß genau, wovon Curry spricht.
„Als ich aufwuchs, wurde mir von allen Seiten gesagt, dass ich mehr bringen müsse als gleichaltrige Weiße, und das nicht nur auf dem Spielfeld”, sagt Pope. „Das ist einfach ein Teil unserer Erziehung und führt zu einer besonders hohen Arbeitsmoral. Das ist natürlich schön und gut, doch es ändert nichts an dem grundlegenden Problem dahinter.”
Obwohl Fußball eine Weltsportart ist, die MLS als angenehm heterogen gilt und es seit der WM 1990 23 schwarze US-Spieler zu Weltmeisterschaften geschafft haben, ist der Status quo in der Riege der US-Fußballtrainer—sei es auf College-, Profi- oder nationaler Ebene—weiterhin ein Spiegelbild der Rassenproblematik der amerikanischen Gesellschaft. Denn die MLS hat noch immer keinen schwarzen Cheftrainer und gerade einmal vier schwarze Co-Trainer. Zudem sehen die Zahlen in der USL Pro auch nicht viel besser aus und—es muss einfach nochmal gesagt werden: Von 205 (!) Trainern in der Division 1 sind nur acht schwarz.
Wie Franklin Foer in How Soccer Explains the World erklärt, hatte die steigende Popularität von Fußball in den USA viel mit Yuppies der gehobenen Mittelschicht zu tun. Seitdem hat sich der Sport aber—vor allem auf dem Platz—längst weiterentwickelt. Es bleibt jedoch abzuwarten, inwieweit der amerikanische Fußballverband in Zukunft auch im Trainerbereich auf mehr Vielfalt setzen wird.
Im Jahr 2007 gab die MLS eine Pressemitteilung bekannt, in der die „Initiative Coaching Diversity” vorgestellt wurde. In Anlehnung an die Rooney Rule in der NFL sollte sie sicherstellen, dass „in Zukunft nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz mehr Vielfalt herrschen würde”. Doch im Gegensatz zum NFL-Vorstoß blieb die Initiative der MLS weitgehend unbekannt. Zudem ist nicht einmal sicher, ob die Liga überhaupt ihre eigenen Auflagen eingehalten hat, nämlich dass Vereine Kandidaten verschiedenster Herkunft für offene Stellen im Trainerstab berücksichtigt.
„Ich glaube nicht, dass es gegen schwarze Trainer so etwas wie eine Verschwörung gibt, gleichzeitig erleben wir immer wieder, wie qualifizierte schwarze Bewerber übergangen werden”, sagt Daniel Gordon, Vorsitzender der Black Soccer Coaches Advocacy Group (BSCAG) der NSCAA.
Die „Coaching Diversity”-Initiative ist so unbekannt, dass bis vor unserer Interviewanfrage nicht einmal Gordon von ihrer Existenz wusste.
„Aufgrund meiner Position in der BSCAG und NSCAA gehört es zu meinen Aufgaben, mich über Entwicklungen in der MSL auf dem Laufenden zu halten, und ich kann versichern, dass die Initiative im Gespräch mit meinen Kollegen nie ein Thema war, weil wir von ihr schlicht und einfach noch nie gehört hatten.”
Glücklicherweise brauchen manche MSL-Vereine gar keine Auflagen, um bei der Besetzung ihres Trainerstabs auch an Minderheiten zu denken, wie etwa Real Salt Lake. Auch wenn Präsident Bill Manning betont, dass bei ihm die fachliche Qualität und der Charakter der Kandidaten die mit Abstand größte Rolle spielen würden. Darum setze er aktuell auch auf die Dienste von Andy Williams und Tyrone Marshall und habe in der Vergangenheit auf CJ Brown und Robin Fraser vertraut. „Ich habe sie bei meinen Planungen nie als Schwarze angesehen, sondern einfach nur als verdammt gute Trainer.”
Mannings Herangehensweise erinnert in vielerlei Hinsicht an die von Eddie Pope, der früher selber mal für Real Salt Lake gespielt hat: „Egal welchen Hürden sich schwarze Trainer gegenübersehen, keiner will einen Job, nur weil er einer Minderheit angehört. Am Ende macht es kaum einen Unterschied, ob man nicht berücksichtigt wird oder aus den absolut falschen Gründen die Zusage erhält.”
Für Pope, der aktuell für die MLS-Spielergewerkschaft arbeitet, ist die entscheidende Frage so simpel wie schwierig: Wie sorgt man für Inklusion, wenn es sie eigentlich schon längst geben sollte?
Daraus ergibt sich für den amerikanischen Fußballverband und die MLS folgende Frage: Sind wir bereit, uns vehement gegen von Rassismus und Vorurteilen geprägte Denk- und Handlungsweisen zur Wehr zu setzen?
Laut Mike Curry—der neben seinem Trainerjob auch noch im Bereich Risk Management für die Vanguard Group arbeitet und zudem Vorsitzender bei der Philadelphia Union Foundation ist—ist dabei eine der größten, wenn auch nicht unüberwindbaren, Hürden, unbewusste Vorurteile aufzudecken.
„Es ist durchaus natürlich, dass sich Menschen in Richtung kultureller oder ethnischer Homogenität bewegen. Darum ist es wichtig, dass wir den Privilegierten in Amerika, die überwiegend weiß sind, aufzeigen, welche persönlichen Vorteile sie aus einer von Vielfalt geprägten Gesellschaft ziehen können. Gleichzeitig müssen wir auch die schwarzen Bürger davon abhalten, dass sie sich—ähnlich wie die weiße Bevölkerungsschicht—auf ihrem Weg zu höheren Ämtern und Positionen isolieren.”
Hylton Dayes glaubt zwar, dass es bis dahin noch ein langer Weg sei, andererseits zeigt er sich auch zuversichtlich, dass in naher Zukunft mehr schwarze Trainer am Spielfeldrand stehen könnten, auch dank der Vielzahl an talentierten schwarzen Spielern, denen nach Ende ihrer Spielerlaufbahn eine Trainerkarriere zuzutrauen ist.
Dennoch gibt Dayes zu bedenken, dass es bei Vielfalt um mehr als nur bloße Zahlen gehe. Vielmehr liegt der Schlüssel zu besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt am Ende auch für schwarze Trainer in Spe in der Bildung und der Auswahl der richtigen Mentoren. „Ich hatte schon Mentoren mit den unterschiedlichsten ethnischen Hintergründen, aber bei dem aktuellen politischen Klima halte ich es für wichtig, dass junge schwarze Männer von Personen in ihrer Entwicklung begleitet werden, die selber schon Mal Opfer von Vorurteilen und ungerechter Behandlung wurden und somit gut die Sorgen ihrer Schüler nachvollziehen können.”
In einem vor Kurzem veröffentlichten Aufsatz mit dem Titel „Who Will Pay Reparations on my Soul” geht Jesse McCarthy darauf ein, dass das Erleben von Rassendiskriminierung die wirtschaftliche Kluft vergrößere. Doch damit nicht genug: Im Zuge dieser Entwicklung—und angesichts von Vorfällen wie in Ferguson—komme es laut McCarthy zudem zu einer „moralischen Kluft”, bei der es sich privilegierte (weiße) Amerikaner erlauben könnten, einen immer noch stark segregierten Teil der Bevölkerung zu ignorieren, der seinerseits weiterhin auf Gleichheit vor dem Gesetz warte.
Außerdem argumentiert McCarthy, dass Ungerechtigkeit primär einen moralischen Schaden (und nur sekundär einen wirtschaftlichen) anrichte. Wenn man also gegen Rassenungleichheit vorgehen wolle, gehe es natürlich auch um Berufschancen, wirtschaftliche Ungleichheit und Gleichheit vor dem Gesetz. Aber im Grunde gehe es vor allem darum, auch eine Gleichheit vor seinen Mitmenschen herzustellen. Und auf den amerikanischen Fußball übertragen hieße dies: Im Kampf gegen das Gesellschaftsgift Rassismus müssen die USA für Gleichheit vor den Fans sorgen.