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Sorry, aber Instagram ist jetzt scheiße

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Es lässt sich schwer sagen, wann Instagram eigentlich so geworden ist, wie es jetzt ist. Selbst Kim Kardashian und Kylie Jenner mögen es nicht mehr. Ich habe diese Plattform mal geliebt. Jetzt lässt sie mich höchstens zwei Daumenstupser runterscrollen, bis sie mir den nächsten schmelzenden Burrata, Wohnungsrenovierung oder ein Kleid zeigt, das ich mir kaufen soll. Ich will das nicht! Es tut mir wirklich leid, aber wenn es so weitermacht, landet Instagram bald bei den anderen Social-Media-Zombies neben MySpace, Facebook und … Clubhouse.

Fans der ersten Stunde würden sagen, dass der Niedergang bereits wenige Jahre nach dem Aufkauf durch Facebook begann. Das war 2012. Oder mit der Massenmigration von Tumblr zu Insta. Die meisten von uns hatten aber auch noch Jahre nach diesen Ereignissen viel Spaß mit der App. Wie hätten wir ohne Stories von den ganzen Partys erfahren, zu denen man uns nicht eingeladen hatte? Wie hätten wir ohne Grid gewusst, welche C-Promis für welche Marke Werbung machen? Wie hätten wir ohne Instagram-Videos diese ganzen grottigen Konzertaufnahmen gesehen?

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Ich habe dich mal wirklich gern gehabt, Instagram. Du warst der stylischere Cousin von Facebook, von dem alle flohen, als rassistische Boomer und Verschwörungsspinner dort die Oberhand gewannen. Seit ein paar Jahren ist kaum noch jemand unter 40 wirklich auf Facebook aktiv. Die Seite dient vielen nur noch als erweiterter Veranstaltungskalender, mit dem du dir bei Bedarf angucken kannst, wie die neue Frau von dem Typen aussieht, den du in der neunten Klasse gedatet hast. Und je schwächer Facebook wurde, desto stärker wurde Instagram.

Aber jetzt macht auch Instagram keinen Spaß mehr. Was zur Hölle sollen die Suggested Reels? Warum experimentieren sie mit diesem 9×16 Feed? Warum kann ich keine Posts von meinen Freunden und Lieblingsaccounts mehr sehen? Wo ist Instagram falsch abgebogen?

Seien wir ehrlich, es könnte eine der folgenden Entwicklungen gewesen sein:

Die Entfernung von Likes

Als Instagram von allen Seiten dafür kritisiert wurde, die psychische Gesundheit von Menschen negativ zu beeinflussen – was natürlich alle total schockierte –, reagierte das Unternehmen nicht etwa darauf, indem es zeigte, für welche Fotos Apps wie FaceTune verwendet wurden, oder indem es gewisse Schönheitsfilter aus der App entfernte oder dir die Option gab, Frauen im Explore Tab zu verstecken, die heißer sind als du. Nein. Instagram gab seinen Usern die Option, den Likes-Zähler zu entfernen. Natürlich mag es Menschen geben, denen das geholfen hat, aber es war auch die Lösung, die dem Unternehmen am wenigsten wehtat. Es kann weiter fleißig Daten über dich sammeln, um sie an Werbekunden zu verkaufen und dich aggressiv mit Instagram Shopping zu nerven. Auf diese Weise fühlst du dich weiter unwohl mit dir und deinem Körper – halt nur etwas mehr im Verborgenen.

Ständiges Geflexe

Flexing ist definitiv ein wichtiger Teil von Instagram, keine Frage. Gleichzeitig ist es die chronische Krankheit der Plattform. Wer will bitte morgens in der Bahn auf dem Weg zur Schule oder Arbeit einen Influencer in einem Privatjet sehen?

Zusammen mit einem nicht länger chronologisch sortierten Feed, der Influencer-Content priorisiert, hat das dauernde Geflexe Instagram zu einem Ort gemacht, an dem du nicht länger das Gefühl hast, Fotos und Momente aus deinem Leben posten zu können. Stattdessen ermutigt dich die App jetzt dazu, die unausstehlichste Version deiner selbst zu sein. Hat Instagram nicht mehr Spaß gemacht, als du noch Sonnenuntergänge posten konntest und verwackelte Fotos von deinem Hund? Wann war das letzte Mal, dass du ein Bild mit dem Valencia-Filter gepostet hast? Vielleicht war es der Zeitpunkt, an dem du zum letzten Mal wirklich glücklich warst. Den Maßstab für Content derartig hochzusetzen, hat dazu geführt, dass viele sich gar nicht mehr trauen, irgendetwas zu posten. Übrig bleiben im Feed dann nur noch irgendwelche Luxus-Influencer und andere Arschlöcher.

Spiralschäler und Meal Prep

Weißt du, was richtig abartig ist? Dass einer ganzen Generation von Frauen glaubhaft gemacht wurde, dass zum Großteil aus Wasser bestehendes Gemüse genauso befriedigend sein kann wie Pasta. Instagram hat einen erheblichen Teil dazu beigetragen. Eine Plage von Clean-Eating-Influencern wie Deliciously Ella füllte unsere Feeds bald mit einem faden Gericht nach dem anderen, das uns angeblich genauso satt wie die Teufelsnahrung (Brot) machen sollte.

Das war an und für sich schon schlimm genug, aber es brachte Bodybuilding-Influencer auf die abstruse Idee, dass sich irgendjemand für ihre Meal-Prep-Fotos interessieren würde – sprich: lange Reihen identischer Tupperware gefüllt mit ungewürzter Hühnchenbrust, gedünstetem Brokkoli und gekochten Süßkartoffeln. Wahrscheinlich auch deswegen stürzen sich jetzt alle gierig auf TikTok-Rezepte, für die man ein halbes Paket Butter braucht. Zehn verfluchte Jahre Zucchinipasta haben die Menschen hungrig gemacht – hungrig nach Veränderung.

Die Verbannung von Menschen mit jeglicher Kreativität oder solchen, die etwas zu sagen hatten

Instagram war mal richtig gut dafür, dich mit Menschen in Kontakt zu bringen, die etwas zu sagen haben – zum Beispiel Sexarbeiterinnen, Aktivistinnen, queere Menschen oder Feministen. Viele davon wurden erst dank Instagram einem größeren Publikum bekannt.

Insbesondere für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter war Instagram als Marketingtool essenziell. Als Kleinunternehmerinnen sind sie darauf angewiesen, OnlyFans-Abos zu verkaufen – das war umso wichtiger, als Corona jegliche Sexarbeit mit Kontakt unmöglich machte. Hätten sie handgezogene Kerzen verkauft, wäre das kein Problem gewesen. Weil sie aber sexy Sexkram verkauften, hat Instagram viele von der Plattform geschmissen oder ihre Accounts eingefroren.

Ähnliche Geschichten gab es von Aktivistinnen und Aktivisten oder so ziemlich allen, die anerkannten, dass sie Nippel haben. Die ganzen Menschen zu entfernen und gegen sich aufzubringen, die Instagram erst wirklich interessant gemacht hatten, zerstörte den eigentlichen Zweck der Plattform. Aber hey, immerhin zeigt mein Feed eine Schüssel Salat nach der anderen.

Instagram-Comedy

Einer der ersten Nagel im Sarg von Instagram war die “Instagram-Comedy”-Ära, die von Personen wie Lele Pons und Ray Diaz oder im deutschsprachigen Raum von Leuten wie Phil Laude angeführt wurde. Unter dem Begriff Instagram-Comedy fand sich ein Haufen wirklich unlustiger Videosketche, die sich allerdings unfassbar großer Beliebtheit erfreuten.

Sie machten jeden erdenklichen Witz übers Fremdgehen und toxische Beziehung – was nicht besonders viele sind – mit Cry-Face-Emoji-Captions und begleitet von trauriger Geigenmusik. Dafür bekam jedes Video fünf bis zehn Millionen Views. Das machte die Plattform auf eine unangenehme Art billig und erweckte den Eindruck, dass Instagram sexuelle Belästigung als “Comedy” gutheißt. Buuh!

TikToks Vorsprung durch noch dreisteres Datensammeln

Dank seiner aggressiven Datensammelpraktiken wurde TikTok die unterhaltsamere App. Während der Instagram-Algorithmus dir die immergleichen mit Fillern aufgespritzten Gesichter zeigte (was ziemlich schnell langweilig wurde), zeigte dir TikTok Videos, die du wahrscheinlich witzig, absurd oder spannend finden würdest. Und TikTok wusste sehr genau, was dir gefällt, denn TikTok wusste alles über dich.

Wenn du nicht gerade zur ersten Kohorte von Teenagern gehörtest, die TikTok mit stinklangweiligen Tanzvideos aufgebaut hat, mussten Creator etwas Besonderes liefern, um auf TikTok groß zu werden. Die “For You”-Seite bedeutete außerdem, dass ihre Videos von Millionen Menschen gesehen wurde, auch wenn sie keinen einzigen Follower hatten. Das war etwas komplett Neues und entsprechend kam Instagram ins Schwitzen. Und dann passierte, was passieren musste:

Instagrams Versuch, TikTok zu sein

Das hier ist doch der Kern des Problems. Für Instagram hat es sich zwar bereits in der Vergangenheit ausgezahlt, andere Plattformen zu kopieren (siehe Stories und Snapchat), aber das waren noch andere Zeiten. Damals hatten wir weniger Speicher auf unseren Handys und brauchten Apps, die möglichst viele Funktionen vereinten.

Im Jahr 2022 angekommen können wir mit Sicherheit sagen: Wir haben Instagram Reels nie gebraucht. Was wir brauchen, ist eine Plattform, die sich wieder auf das besinnt, in dem sie gut war: Alle User schöne Fotos und Stories posten lassen und das in chronologischer Reihenfolge. Jeder, der mal versehentlich in den Reels-Strudel gesogen wurde, weiß, dass das nur eine Zusammenstellung von Hundewelpen- und Häschen-Videos (sehr gut), Tweets auf weißen Videohintergründen und Videos ist, die du bereits vor einer Woche auf TikTok gesehen hast.

Gleichzeitig scheint Instagram Foto-Posts von Menschen, denen du tatsächlich folgst, zu unterdrücken und dir stattdessen Suggested Reels von Accounts zu zeigen, denen du definitiv nicht folgst. Um alles noch schlimmer zu machen, hat Instagram angekündigt, die Reichweite von Posts zu verringern, die ursprünglich von TikTok stammen.

Das allerbeste? Instagram liebt Reels. Sie füllen jetzt bis zu 20 Prozent der Zeit, die User in der App verbringen. Aktuell experimentiert Instagram damit, das Layout so zu ändern, dass alles – auch Fotos – hochkant deinen ganzen Handybildschirm ausfüllt. Was zur Hölle soll das? Niemand hat danach gefragt.

Die Zukunft

Instagram war bei Erscheinen 2010 nicht die erste Plattform, die das Teilen von Fotos ermöglichte. Flickr und Tumblr gab es schon vorher. Aber kein soziales Netzwerk tat es besser als Instagram. Viele Internetjahre lang war Insta eine absolute Premium-Plattform. Aber wie heißt es so schön: besser ein schlechtes Original als eine gute Kopie. Instagrams aktueller Versuch, TikTok zu werden, schreit leider nach Verzweiflung. Und solange Instagram nicht wieder zu dem zurückkehrt, was es gut kann, wird es ganz sicher zugrunde gehen.

Aktuell scheint die einzige Meta-Plattform mit guten Zukunftsaussichten WhatsApp zu sein. Da kann man immerhin TikTok-Links teilen.

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