Mein erstes eigenes Restaurant sollte einfach nur ein Restaurant sein. Nicht mehr und nicht weniger. Das heißt für mich, dass es zwischen Service und Küche keinen Unterschied gibt.
Die Jungs und Mädels, die in meinen zwei Restaurants, Scratch Bar und The Gadarene Swine, die Kellen schwingen, kommen auch aus mal aus ihrem „Hinterzimmer” heraus, begrüßen die Gäste und reden mit ihnen über das Essen. Ich halte meine Köche dazu an, auch Kellner zu sein. Und das hat die letzten zweieinhalb Jahre super geklappt.
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Ich glaube, dass diese Herangehensweise wesentlich lockerer und persönlicher ist, als wenn einfach nur jemand kommt, der nur dafür bezahlt wird, dich anzulächeln und deine Bestellung aufzunehmen. Köche präsentieren ihr Essen leidenschaftlich, nicht so wie manche Kellner. Für sie ist das oft einfach nur irgendein Job.
Versteht mich bitte nicht falsch, es gibt tolle Kellner. Aber in Los Angeles fragt sich der Durchschnittskellner leider nicht „Wie kann meine Gäste glücklich machen?”, sondern eben eher „Wie komme ich bloß an ein größeres Trinkgeld?”.
Ich arbeite seitdem ich 18 bin als Koch und habe nie mehr als zehn Dollar die Stunde verdient. Selbst als Souschef habe ich maximal 35.000 Dollar im Jahr verdient. Das ist unfair. Der entscheidende Punkt kam für mich an dem Tag, als einer der Kellner zu uns in die Küche kam und sich beschwerte, dass er nur 75 Dollar Trinkgeld bekommen hatte. An dem Abend hat er nur vier Stunden gearbeitet—ich hingegen 13 Stunden, und nach Abzug aller Steuern wäre ich nicht mal auf 75 Dollar gekommen. Ich wusste also: Wenn ich mein erstes Restaurant aufmache, soll das anders sein.
Wie sieht unsere Zukunft aus? Wir verdienen nicht genug, um das unser ganzes Leben lang zu machen. Und wenn wir wirklich unser Leben lang als Köche arbeiten, würden wir unter all dem Stress und Druck einbrechen.
Meine Köche sollten nicht immer so versifft rumrennen, sondern sich ein sauberes Oberteil anziehen, ihre Ärmel ordentlich hochkrempeln und so sauber wie nur möglich arbeiten. Als Gegenleistung versprach ich ihnen, dass sie mehr Geld bekommen und auch in den Gastraum kommen können, um etwas über ihre Gerichte zu erzählen. Jetzt verdienen meine Köche mehr und unsere Kunden sind glücklicher, weil sie mit den Köchen über das Essen plaudern können.
In Kalifornien darf man eine Art Gemeinschaftskasse fürs Trinkgeld einführen, also ein Bedienungsgeld in Rechnung stellen, egal was die Mitarbeiter davon denken. Als Restaurantbesitzer kann man dieses Geld dann an jeden in der „Dienstleistungskette des Restaurants” auszahlen. Und genau da wird es ein bisschen kompliziert: Man könnte ja sagen, dass ein Tellerwäscher eigentlich nicht dazu gehört. Ich glaube aber, dass glänzendes Besteck und saubere Gläser schon einen Einfluss auf das Trinkgeld haben. Also gehört auch der Tellerwäscher dazu.
Anfangs konnten unsere Gäste kein Trinkgeld auf den Rechnungen vermerken, wie das sonst so in den USA üblich ist. Wir meinten nur: „Alles inbegriffen. Vielen Dank!” Aber so viele Gäste wollten noch zusätzlich zu unserem Bedienungsgeld ein Trinkgeld geben—das war überwältigend. Also haben wir die Zeile fürs Trinkgeld wieder auf unsere Kassenbons gesetzt, weil wir sonst immer die Kreditkarten zweimal durchziehen mussten. Jetzt haben wir also zusätzlich zu den 18 Prozent Bedienungsgeld pro Rechnung noch einmal durchschnittlich 12 bis 15 Prozent Trinkgeld.
Und noch einmal: Ich habe nichts gegen Kellner, ich habe nur was gegen Leute, die nicht stolz auf das sind, was sie machen. Wir haben dieses Gemeinschaftstrinkgeld die letzten zweieinhalb Jahre ausprobiert, noch bevor das Thema Trinkgeld in den USA so heiß diskutiert wurde. Meine Angestellten gehen jetzt inklusive Trinkgeld mit 17 Dollar die Stunde raus—und wir sind ein verhältnismäßig kleines Restaurant.
Was mich auch schon immer in der Branche gestört hat, ist die hohe Fluktuation bei den Angestellten. Das konnte ich bei uns verbessern, indem ich meinen Köchen die Branche als Ganzes näher gebracht habe. Jeder, der bei mir arbeitet macht alles: Teller abwaschen, Brot backen, Wurst machen, Tische abräumen, Checks verbuchen, als Kellner oder Barkeeper arbeiten—eben das volle Programm. Ich möchte, dass die Leute bei mir arbeiten und am Ende vielleicht ihr eigenes Restaurant eröffnen, wenn sie möchten. Nicht das übliche „Arbeite doch bei uns, lern ein bisschen was und dann koch einfach woanders weiter!” Vielleicht können Köche so mehr erreichen.
Letztes Jahr haben ich den Februar zum Monat der Küchenmitarbeiter erkoren, damit auch die Leute hinter den Kulissen endlich die verdiente Anerkennung bekommen.Es gab unter anderem ein kostenloses Sechs-Gänge-Menü für jeden, der zum Beispiel durch einen Gehaltsscheck beweisen konnte, dass er in der Küche arbeitet. Das war großartig und ich plane, das dieses Jahr wieder zu machen. Einige Köche erzählten mir sogar, dass sie ohne diese Veranstaltung ihren Partner oder ihre Partnerin nicht zum Valentinstag hätten ausführen können.
Und am Ende ist das doch alles Teil des großen Ganzen. Es geht um die existenzielle Frage des Kochdaseins: Wie sieht unsere Zukunft aus? Wir verdienen nicht genug, um das unser ganzes Leben lang zu machen. Und wenn wir wirklich unser Leben lang als Köche arbeiten, würden wir unter all dem Stress und Druck einbrechen.
Wir können das ändern. Dafür müssen die Restaurantbesitzer nur als Teil der Lösung und nicht wie von manchen als Teil des Problems angesehen werden.
Wie viele in der Branche bin auch ich ein Workaholic. Aber ich habe schnell gelernt, dass eine Sechstagewoche mit 16-Stunden-Schichten nicht wirklich auf Dauer machbar ist. Mindestens 20 Leute haben schon völlig ernsthaft zu mir gemeint: „Sieben Tage die Woche? Kein Problem!” Für manche ist das einfach nur so ein Macho-Ding, das man gerade auch in einer testosterongeschwängerten Umgebung wie der Küche raushängen lässt. Jeder versucht, den anderen zu überbieten. Wieder andere müssen das einfach machen, weil sie das Geld brauchen. Aber nach drei Monaten baust du ab, gerade auch weil du zu Hause kaum mehr klarkommst—egal wie sehr du deinen Beruf liebst oder wie stark du bist.
Als Koch kannst du leidenschaftlich sein, ohne dir selbst zu schaden. Du kannst ein großartiger Koch sein und dich weiterentwickeln, ohne dass du jeden Morgen mit Schmerzen aufwachst. Du kannst genug Geld auf dem Konto haben, um an deinem nächsten freien Abend mal auf ein schönes Date zu gehen. Koch muss nicht einer der am schlechtesten bezahlten Berufe auf der Welt sein.
Wir können das ändern. Dafür müssen die Restaurantbesitzer nur als Teil der Lösung und nicht wie von manchen als Teil des Problems angesehen werden. Und damit meine ich diejenigen, die ständig meinen, dass das in der Branche ja so üblich ist und man nichts daran ändern kann. Wir müssen uns als Köche weiterentwickeln.
Aufgezeichnet von Javier Cabral
Phillip Frankland Lee ist zur Zeit auch Kandidat bei der amerikanischen Kochsendung Top Chef.