Warum sind Drogen in Games so lame?

GTA V: Michael zieht sich mit der Bong seines Sohns ordentlich was durch. Screenshot: Youtube

Für die meisten Menschen überschneiden sich Drogen und Videospiele nur außerhalb der virtuellen Welt. Es ist dabei egal, ob du nun FIFA 15 mit ein paar Gramm Gras verbindest, ständig Kokain konsumierst und dann drei Jahre lang GTA IV spielst oder dir einen Haufen Ketamin reinziehst und dann schaust, wie lange du DragonForce bei Guitar Hero spielen kannst, bevor dir deine Finger abfallen.

Innerhalb der Spielewelten werden Drogen etwa mit der gleichen thematische Vielfalt und Sensibilität behandelt wie Sex. Das bedeutet: eindimensional. Im Grunde herrscht in Videospielen die Meinung vor, dass Drogen etwas sehr, sehr Schlechtes sind. Eine Ausnahme bilden dabei psychedelische Traumsequenzen, während denen Drogen kurzzeitig akzeptabel sind. Sobald der Protagonist jedoch zu seiner nötigen Erleuchtung gekommen ist, werden sie wieder etwas sehr, sehr Schlechtes.

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Dieses Meinungsbild wurde 1988 von dem Arcade-Spiel Narc geprägt. Darin spielt man einen durch Steroide aufgepumpten Supersoldaten, der tatsächlich Max Force heißt und jeden Ansturm von barfüßig herumschlurfenden Junkies niedermäht. Dem Spiel wurde ein „Absolut gegen Drogen”-Stempel aufgedrückt, denn Drogen sind etwas Schreckliches. Aber erbarmungslose Gewalt? Kein Problem!

Screenshot aus Rez, einem Railshooter-Musikspiel, das ein wenig an ein mit Synapsen um sich schießendes Gehirn erinnert.

Zum Glück ist es nicht immer so dumm und plump. Meiner Meinung nach haben Videospiele und Drogen von Natur aus gewisse Parallelen: Beide können mit unseren Gehirnen und Körpern komische und interessante Dinge anstellen. Man braucht keine chemische Unterstützung, um sich nach dem Durchspielen von Rez irgendwie anders zu fühlen. Eine dreistündige Titanfall-Session bringt dein Adrenalin auch so in Wallung und lässt dich schweißdurchnässt zurück.

Meistens ist das Ganze jedoch eine schreckliche Angelegenheit.
Im Laufe der Videospielgeschichte wurden Drogen und Sex von den Entwicklern im Grunde nur dazu benutzt, um zu beweisen, wie mutig und erwachsen sie sind. Das resultierte dann in Spielen, die eigentlich nur 13-Jährige als erwachsen ansehen. Auch wurde so ein sehr praktischer Handlungsrahmen geschaffen: Wenn die Bösewichte Drogendealer sind, dann ist es überhaupt nicht schlimm, sie alle in Scharen umzubringen.

Bei den GTA-Spielen werden Drogen oft als Mittel gebraucht, um krass zu wirken. Die Nintendo DS-VersionChinatown Wars sorgte mit dem enthaltenen Drogendealer-Minispiel für einen (vorhersehbaren) moralischen Aufschrei. Normalerweise sind Drogen in diesen Spielen aber die Sache, die du nach dem Töten von ein paar Menschen von A nach B transportieren musst. In quasi jedem anderen Open-World-Verbrechensspiel läuft es nach demselben Muster ab. Das mit Abstand Dümmste ist jedoch, wenn Drogen in Videospielen als eine Art Power-Up eingesetzt werden können. OK, Videospielhelden kippen sich zwar schon seit ihren Anfangstagen irgendwelche Tränke mit geheimnisvoller und aufputschender Wirkung hinter die Binde, aber manchmal ist es doch etwas offensichtlicher.

Narc, das ich schon eingangs erwähnt habe, wurde 2005 neu aufgelegt—eine der dümmsten Entscheidungen aller Zeiten. Dieses Mal sorgte es nämlich auf eine ganz andere Art und Weise für Fremdschämen: Man konnte nun die Drogen der Dealer konfiszieren und sie dann später dazu benutzen, um seine Schussgenauigkeit zu verbessern. Das gehört mit Sicherheit zu den erbärmlichsten Versuchen der Videospielgeschichte, so richtig anzuecken.

In den Spielen aus der Elder Scrolls-Reihe sind Drogen ein wesentlich interessanteres Thema. Das Rauschmittel in der Spielewelt Tamriel heißt „Skooma” und ist im Grunde Heroin, das in kristalliner Form verkauft und nach dem Erhitzen geraucht wird. Es verbessert deine Kraft und deine Schnelligkeit, aber dafür gehen deine Intelligenz und deine Geschicklichkeit flöten. Noch interessanter sind allerdings die Skooma-Süchtigen, auf die man trifft.

In The Elder Scrolls IV: Oblivion gibt es einen Ort namens Bravil, wo es von in Verschlägen wohnenden Abhängigen nur so wimmelt. Da die Charaktere in Oblivion alle ein eigenes Leben führen, entschied ich mich dazu, einem von ihnen zu folgen, als er das Dorf verließ. Er zog mehrere Tage durchs Land und kaufte in einer anderen Stadt einen riesigen Vorrat an Skooma, den er dann zurück nach Bravil brachte. Ich war fasziniert.

In den vorherigen The Elder Scrolls-Spielen konntest du mit niemandem Handel treiben, wenn du Skooma dabei hattest. Dadurch sollten die extremen gesellschaftlichen Vorurteile gegenüber den Konsumenten zum Ausdruck gebracht werden. In The Elder Scrolls V: Skyrim haben sich die Entwickler dann in gewisser Weise von Skooma distanziert, indem sie es zu einer faden Substanz verkommen ließen, die keine negativen oder positiven Auswirkungen hat und quasi keinen Wert mehr besitzt. Dieser Umstand wird dann zum Teil erklärt, wenn sich die Charaktere darüber beschweren, dass Skooma in der Gegend von Skyrim nur in abgeschwächter Form verfügbar ist. Ich glaube jedoch, dass die Entwickler lediglich einer Kontroverse aus dem Weg gehen wollten.

Far Cry 3: Diese rote Pille kann nichts Gutes bedeuten.

Von 2011 bis 2013 war es quasi nicht möglich, ein Videospiel zu spielen, in dem der Protagonist nicht für mindestens 20 Minuten der Story auf irgendeiner halluzinogenen, spirituellen Droge unterwegs ist. Dabei kommt er durch Zufall zu einer extrem wichtigen Erleuchtung und wird danach wieder zurück in die Realität gerissen. Das Problem ist jedoch, dass diese Sequenzen scheinbar immer nur von Leuten gestaltet wurden, die psychotropische Substanzen nur vom Hörensagen kennen.

Far Cry 3 liefert uns das perfekte Beispiel für eine solche blödsinnige Sequenz: Ein Trip durch eine Höhle voller aufblühender Pflanzen und Tribal-Symbolik. Auf einen ersten solchen Abschnitt stieß ich inMax Payne, wo der alkoholkranke und trauernde Max in einen unbehaglichen Nachbau des alten Zuhauses seiner Familie geschickt wird. In Uncharted 3 versuchte man es auch mal und lieferte sogar ein akzeptables Ergebnis ab. Eine wirklich gute Drogentrip-Sequenz findet man inGrand Theft Auto V. Der Drink des miesepetrigen Tony-Soprano-Doppelgängers Michael wird von dessen Sohn mit Drogen versetzt. Die Folge davon sind ein ziemlich überzeugendes K-Hole und Schwierigkeiten beim Autofahren.

Ein verschwommener Bildschirm und eine kurzzeitig schwammige Steuerung sind in Videospielen häufig die Folgen des Drogenkonsums. InFar Cry 3gibt es einen wirklich grausamen Spielabschnitt, in dem der Protagonist zu einer entsetzlichen Mischung aus Dubstep und Reggae mehrere Marihuana-Felder mit einem Flammenwerfer niederbrennt. Dabei verschwimmt der Bildschirm zunehmend und die Darstellung von Drogen in Videospielen hat ihren Tiefpunkt erreicht.

Aber halt, nicht alles ist schlecht! Ganz selten stößt man auch auf ein Videospiel, dass eine Drogenerfahrung wirklich interessant darstellt.

Im Jahre 1998 erschien für die PlayStation 1 ein extrem obskures Spiel namens LSD. Offiziell basiert die Story auf dem „Traumtagebuch” eines Mannes namens Hiroko Nishikawa, aber wenn man das Ganze länger als 60 Sekunden spielt (oder sich einfach nur das Cover ansieht), dann wird einem sofort klar, dass der Typ ziemlich auf Halluzinogene stand.

Alles beginnt in einem normalen, gewöhnlichen Zimmer. Sobald man irgendetwas anfasst, wird man immer tiefer in den Trip geworfen und die Umgebungen verändern sich. Sehr schnell lernt man, nur schöne Dinge zu berühren, weil man sonst auf einer trostlosen und höllenähnlichen Straße landet, auf der an jedem Laternenpfahl gesichtslose Leichen hängen und sich ein gequält aussehendes Gesicht mit Beinen unheilvoll auf dich zubewegt.

Ich habe das Spiel 2007 entdeckt und es seitdem schon viele Stunden gezockt. Nur selten haben sich die Dinge wiederholt. Einmal landete ich in einer wunderschönen, ummauerten Stadt, in der auf saftig grünen Wiesen Pferde zwischen Sphinxen und Pyramiden herumgaloppierten. Das Spiel hat aber auch weniger angenehme Abschnitte. Eine Grafik zeigt dir deinen Fortschritt im Traumfeld an, der in „upper/downer” und „static/dynamic” gemessen wird. Seine surreale und ziemlich primitive Grafik macht LSD nur noch interessanter.

Norman Jayden aus Heavy Rain wiederum ist der einzige passend und interessant dargestellte Drogensüchtige in Videospielen, der mir gerade einfällt. Es wird zwar nie explizit gesagt, aber wenn er stirbt, dann scheint das oft die Folge einer Überdosis oder des Entzugs des fiktionalen blauen Pulvers zu sein, das er schnupft und sich dafür hasst. Die Fallout-Spiele (vor allem die ersten Teile aus den 90er-Jahren) haben ebenfalls nie davor Halt gemacht, Drogen und Drogensucht sehr detailreich und realitätsgetreu darzustellen. Man kann in den Spielen auch selbst süchtig werden, die Folgen davon sind jedoch ziemlich verheerend.

Wir warten immer noch auf ein Spiel, dass sich eingehend und ordentlich mit dem Thema Drogen auseinandersetzt. Egal ob es dabei um eine realistische Auseinandersetzung mit Drogenkriminalität, Suchtprobleme und ihren Folgen oder um die Erfahrung an sich geht.

Dabei könnte es um das eigentliche Erscheinungsbild der Drogenkriminalität (Stichwort: The Wire), um Suchtprobleme oder um echte Drogenerfahrungen gehen. Bis es soweit ist, müssen wir uns eben immer noch mit so etwas die Zeit vertreiben: