Warum äußern sich fast keine DJs zu den anstehenden Landtagswahlen?

Am Sonntag sind Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern. Seit 2011 regiert eine große Koalition im Schweriner Landtag. Die SPD um Ministerpräsident Erwin Sellering liegt mit ungefähr 28 % bei den Umfragen momentan sieben Prozentpunkte hinter ihrem Wahlergebnis von 2011, als sie 35 % der Wählerstimmen erhielt. Die CDU bleibt den Prognosen nach bei 23 %, allerdings ist die AfD mittlerweile auf Augenhöhe mit ihr. Dieser Umstand hat einige Musiker dazu veranlasst, sich öffentlich deutlich gegen die Alternative für Deutschland zu äußern.

Jennifer Rostock schrieben einen Song über und gegen die AfD. Ebenso Marteria. Feine Sahne Fischfilet nahmen die NPD gleich noch mit auf. Außerdem nahmen sie an einem Konzert gegen Rechts in Anklam (Vorpommern-Greifswald) teil, was ihnen Beifall von Justizminister Heiko Maas (SPD) brachte. Dieser erntete dafür wiederum Kritik aus der eigenen Partei, da Feine Sahne Fischfilet gefährliche Linksextremisten seien, die 2013 vom Verfassungsschutz beobachtet wurden. Denn die Band habe mal verlautbaren lassen, Gewalt gegen Nazis nicht auszuschließen. Klar, wenn du von 20 Nazis bedroht wirst, weil sie dich für eine linke Zecke halten, solltest du einfach ruhig bleiben und auf die Polizei warten, die nicht kommen wird. Gekonnt und treffend antworteten Feine Sahne Fischfilet daher Maas und seinen Genossen:

Videos by VICE

Von DJs und Produzenten elektronischer Musik war hingegen traditionell nichts zu hören, egal wo in letzter Zeit Wahlen anstanden. In Mecklenburg-Vorpommern ist die Szene allerdings auch von überschaubarer Größe. Dennoch sind zwei bekannte Produzenten in dem Bundesland aufgewachsen. Der erste ist Felix Jaehn, der sich vor allem im EDM-Bereich einen Namen gemacht hat. Wir konnten auf kurzfristige Anfrage Felix Jahn persönlich zu dem Thema „AfD und Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern” leider nicht erreichen.

Der zweite bekannte Künstler aus Mecklenburg-Vorpommern ist der 31-Jährige Christian Löffler. Er hatte Zeit und war bereit, mit uns zu sprechen. „Ich bin kein politischer Mensch, zumindest spielt Politik in meinem Leben keine große Rolle”, sagt er. Dennoch finde er Wahlen wichtig. Viele Einwohner von Mecklenburg-Vorpommern sehen es jedoch nicht so. Die Wahlbeteiligung ist seit 1998 von knapp 80 % auf fast 50 % gesunken, wie auch Löffler anmerkt.

Woher kommt der Aufschwung der AfD? „Dass sich neben den linken Parteien auch eine rechtsorientierte Meinung ausprägt, hat eher was mit dem Gefälle zwischen Arm und Reich zu tun, als mit Rassenfeindlichkeit”, glaubt Löffler. „Vor allem seit es die Küstenregionen durch den Tourismus zum Wohlstand gebracht haben, hängen die Regionen im Landesinneren zurück.” Wenngleich Löffler betont, dass er kein Politikwissenschaftler sei, vermutet er aufgrund des Wohlstandsgefälles, dass viele Wahlberechtigte der AfD ihre Stimme geben, um gegen die Politik der etablierten Parteien zu protestieren. Und es gibt Politikwissenschaftler, die Löffler recht geben. Zum Beispiel der Freiburger Politikwissenschaftler Ullrich Eith. Andere wiederum denken, dass die Wähler den etablierten Parteien nicht lediglich einen Denkzettel verpassen wollen. Für Michael Lühmann vom Institut für Demokratieforschung in Göttingen, hat sich sich viel mehr die Gesellschaft selbst radikalisiert, „bis in alle Parteien hinein, auch bis in die Linksparteien”.

„Dass sich neben den linken Parteien auch eine rechtsorientierte Meinung ausprägt, hat eher was mit dem Gefälle zwischen Arm und Reich zu tun, als mit Rassenfeindlichkeit.” Foto: facebook.com/christianloefflerofficial

Genug Politikwissenschaft. Christian Löffler hat gegenüber THUMP das erste Mal öffentlich über Politik gesprochen: „Das Thema war bisher eher persönlich für mich und ich hatte nie das Bedürfnis oder Gefühl, der Öffentlichkeit meine politische Meinung mitzuteilen. Ich äußere mich hiermit entschieden gegen Rechte und für Toleranz und Vielfalt im ganzen Norden.” Damit hat er schon mehr gesagt, als viele anderen aus der sogenannten Szene. Man sollte aber weder Löffler, noch anderen, übel nehmen, dass sie sich nicht regelmäßig äußern. Politische Willensbildung ist viel komplexer, als dass man sie einzelnen Musikern aufbürden sollte.

Dennoch würde es der elektronischen Szene gut tun, sich seiner Ideale von Freiheit und Gleichheit bewusst zu werden. Allerdings darf man sich von politisch engagierten DJs und Produzenten zugleich nicht zu viel versprechen. Konzerte gegen NPD und AfD sind besser als nichts, ihr Einfluss auf Menschen mit geschlossenen Weltbildern geht allerdings gegen null. Im Angesicht einer solchen Ohnmacht, ist es aber trotzdem besser, sich nicht zurückzuziehen. Solidarität ist besonders dann wichtig, wenn die Lage trostlos scheint.

**

Folge THUMP auf Twitter, Instagram und unserer neuen Facebook-Seite.