Warum wir aufhören sollten, unsere Beziehungen über Social Media auszuleben

Früher war es unglaublich wichtig für mich, jedem zu zeigen, dass ich in einer Beziehung war. In der Unterstufe stand der Name meines Freunds in meinem AIM-Profil. Später bei MySpace waren meine Freunde immer die Nummer Eins meiner Top 8. In der Uni änderte ich meinen Beziehungsstatus auf Facebook, damit alle Welt sehen konnte, dass meine Liebe echt war. Wenn die Beziehung vorbei war, entfernte ich zähneknirschend alle Fotos, Statusmeldungen und Vertaggungen meiner Ex-Partner aus meinen Social-Media-Feeds. Es fühlte sich komisch an, die Beiträge zu löschen. Es hätte sich noch komischer angefühlt, sie zu behalten.

Ständig Menschen zu sehen, die sich scheinbar in glücklichen und liebevollen Beziehungen befinden, hatte mich als Single selbst dazu verleitet, irgendwann auch mal so sein zu wollen. Sollte ich einmal den John Legend zu meiner Chrissy Teigen gefunden haben, dachte ich mir, würde ich die ganze Welt daran teilhaben wollen.

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Das änderte sich, als ich meinen aktuellen Freund auf Tinder kennenlernte. Nach einigen Fast-Beziehungen – inklusive einer mit einem Typen, der den Tod seines Vaters vortäuschte, um unser Verhältnis zu beenden – hatte ich die Schnauze voll. Ich würde nicht länger bedeutungslose Geschichten unterhalten oder Typen daten, die keine Anstalten machen, sich irgendwann mal festzulegen. Meine nächste Beziehung sollte etwas festes, etwas wirklich ernstes werden.

Noch bevor ich Noah* überhaupt traf, spürte ich, dass er anders ist. Er schickte mir keinen peinlichen Anmachspruch oder machte sofort Komplimente zu meinen Fotos. Unsere Unterhaltung begann, als würden wir uns bereits kennen. Es fühlte sich einfach natürlich an. Obwohl alles gut lief, achteten wir darauf, die Sache nicht zu überstürzen. Ich hatte Angst, dass er eine weitere dieser Tinder-Geschichten sein würde, die urplötzlich enden – und mich mit der Frage zurücklassen, was zur Hölle ich dieses Mal falsch gemacht hatte.

Nach etwa zwei Monaten war Noah für eine Woche unterwegs. Durch seine Abwesenheit wurde mir klar, wie sehr er bereits Teil meines Lebens geworden war. Als er wieder zurückkam, machten wir unsere Beziehung offiziell. Allerdings nicht in den sozialen Medien. Wir haben zusammen kochen gelernt, aber ich habe nie eins unserer Gerichte gepostet. Wir hatten vor Kurzem sogar die Gelegenheit, gemeinsam quer durchs Land zu reisen, um an einem Projekt zu arbeiten. Ich habe währenddessen Stories gepostet, aber niemand wusste, dass wir zusammen sind.

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Es ist nicht so, als hätte ich nicht dieses Liebesgefühl, bei dem man sein Glück am liebsten von den Dächern rufen oder wie Tom Cruise auf eine Couch hüpfen will. Ich habe nur einfach nicht das Bedürfnis, etwas zu posten, wenn wir zusammen sind. Mein Freund ist genauso. Wenn wir nicht zusammen sind, postet er ständig Instagram-Stories; wenn wir miteinander rumhängen, nicht. Als ich ihn fragte warum, sagte er, vor allem dann in den sozialen Medien aktiv zu sein, wenn er sich langweile. Mit mir sei ihm fast nie langweilig.

Eine Studie, die 2014 in der Fachzeitschrift Personality and Social Psychology Bulletin erschienen war, fand heraus, dass eine sehr hohe “Beziehungs-Sichtbarkeit” auf Social Media ein Ausdruck für Unsicherheit innerhalb der Beziehung ist. Trotzdem wollte ich wissen, wie es ist, sein Privatleben mit zahlreichen Menschen zu teilen, und was eine Person dazu motiviert, ihre Beziehung im Internet zu dokumentieren. Also habe ich Model und Designerin Nadia Aboulhosn gefragt, die online sehr offen mit ihrer Beziehung umgeht.

Obwohl Aboulhosn viel von ihrem Partner mit ihren 500.000 Followern teilt, sagt sie mir, dass sie acht Monate gewartet habe, bis sie das erste Video von ihm postete. Aber selbst da tagte sie ihn nicht oder zeigte sein Gesicht. Sie wollte nicht, dass Follower anfangen, Fragen zu früheren Beziehungen zu stellen. Vor allem wollte sie erst sichergehen, dass die Beziehung eine war, die hält.

Aboulhosn sagt, dass sie ihre Beziehung online so darstellt, wie sie und ihr Freund auch im echten Leben sind. Was sie im Internet teilt, sei ein anhaltender Diskurs in ihrer Beziehung. Sie ist “direkt, was Gefühle und Sorgen angeht”, die ihren Freund betreffen. Es gebe also keine Missverständnisse. Vor allem ihrer Kommunikationsbereitschaft rechne sie es an, dass die Beziehung seit drei Jahren so innig hält. Durch die Unterhaltung mit Aboulhosn wurde mir klar, dass auch Menschen, die viel von ihrem Liebesleben im Internet teilen, dies mit Bedacht tun.

Wie sich herausstellte, schätzten auch die meisten meiner Freundinnen und Freunde, alle in ihren 20ern, ihre Privatsphäre fast so sehr wie ich. Hazel, 29, führt mit ihrem Freund eine offene Beziehung. Als ich sie kennenlernte, hatte ich überhaupt keine Ahnung, dass sie in einer Beziehung ist. Sie hat nie das Bedürfnis verspürt, Anspruch auf jemanden zu erheben – weder online, noch im echten Leben. “Viele der glücklichsten Paare, die ich kenne, posten kaum etwas übereinander”, sagt sie. “In meinen Augen liegt das daran, dass eine stabile, sichere und gesunde Beziehung in sich selbst funktioniert und nicht auf Bestätigung von außen angewiesen ist.”

Andrew, 30, und Zoe, 24, sind seit fast zwei Jahren zusammen. Sie sind zwei meiner besten Freunde und haben sich vor Kurzem verlobt. Zoe benutzt kaum Social Media, aber Andrew postet oft. Nach zwei Monaten begannen aber auch sie, ihre Beziehung online zu teilen. Davor hatten sie mehrmals darüber gesprochen, Social Media in ihre Beziehung einzuführen. Andrew sprach das Thema früh an, weil er geschieden war. Er wollte Freunde und Familie erst dann einweihen, wenn er sich sicher war, dass es mit ihm und Zoe ernst war.

“Ich wollte nicht einer dieser Menschen werden, die ständig posten, dass ihr Partner ihr ein und alles ist, nur um ein paar Monate später den nächsten zu haben”, sagt Zoe mir. “Je mehr Menschen ich Dinge über ihre Beziehung posten sehe, die überhaupt nichts mit der Realität zu tun haben, desto weniger will ich selbst posten.” Zwei Jahre nach Beziehungsbeginn postet Zoe immer noch nicht viel über ihren Partner, noch nicht mal, als sie sich letzten Monat verlobten. Auch Andrew ist vorsichtig, was er im Internet teilt. Freunde zu beobachten, deren Beziehungen online komplett anders rüberkommen als offline, hat ihn skeptisch gemacht.

Was Noah angeht, ist mir wichtig, dass wir beide im Augenblick anwesend sind, wenn wir etwas zusammen machen. Wir sind gemeinsam verreist, waren auf Musikfestivals und haben in tollen Restaurants gegessen. Wenn wir solche Dinge tun, will ich Spaß haben und den Moment nicht für eine Insta-Story unterbrechen. Vielleicht werde ich eines Tages anders denken, aber gerade gefällt mir unsere Beziehung besser zwischen uns, im echten Leben.

*Name geändert.

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