Warum wir uns zu Weihnachten nichts schenken sollten

Ein Kind freut sich über sein Weihnachtsgeschenk

Inzwischen hat uns die Vorweihnachtszeit komplett im Griff. Auf der Arbeit bist du zwar anwesend, aber wirklich geschuftet wird so kurz vorm Fest sowieso nicht mehr. Außerdem kannst du in diesen Tagen so viel Party machen und Süßes in dich reinstopfen, wie du willst. Niemand wird dich dafür kritisieren, weil sich jeder irgendwie verpflichtet fühlt, nett zu sein oder zumindest so zu tun.

Trotzdem hat die Vorweihnachtszeit ihre Schattenseiten. Das Stichwort lautet hier: Geschenke. Panik macht sich breit. Auch bei mir. Angestrengt versuche ich, mich daran zu erinnern, ob meine Freunde und Verwandten in den letzten Wochen und Monaten irgendwelche Andeutungen zu eventuellen Geschenkideen gemacht haben. Braucht irgendjemand einen Schnellkochtopf? Wer wollte noch mal die Ohrringe? Und muss ich jetzt wirklich durch die ganze Stadt hetzen, um die ganzen Sachen zu besorgen? Was würde ich dafür geben, diese alljährliche Qual nicht mehr durchmachen zu müssen.

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Wir leben in einer Gesellschaft, in der ich als eigennützig und unfair gelte, wenn ich an Weihnachten nur Geschenke einheimse, selbst aber nichts verschenke. Ich bin mir jedoch sicher, dass ich mit meiner Panik beim Grübeln über das richtige Geschenk nicht alleine dastehe. Da draußen sind unzählige Menschen gerade bestimmt dabei, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was sie ihren Freunden und Verwandten noch schnell unter den Weihnachtsbaum legen können.

Genau deswegen mache ich nun einen garantiert nicht neuen, aber trotzdem immer noch relevanten Vorschlag: Wir sollten Weihnachtsgeschenke einfach komplett abschaffen.


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Dass ich davon so überzeugt bin, liegt zum Teil auch an meiner Erziehung: In meiner Familie sind Geschenke nie wirklich wichtig gewesen. Deswegen ist mir auch erst als Erwachsene aufgefallen, wie stressig die Vorweihnachtszeit eigentlich ist. Vorher musste ich ja nie irgendwelche Sachen für Freunde, Kollegen und meinen Ehemann kaufen. Deswegen weiß ich auch genau, dass wir diesem verfluchten System ein Ende bereiten können, wenn wir uns einfach so verhalten wie meine Eltern und ich in den ersten 20 Jahren meines Lebens. Und nein, das Ganze ist keine Ausrede für eine vermeintlich schreckliche Kindheit.

Wirtschaftswissenschaftler haben schon dafür plädiert, in Sachen Weihnachtsgeschenke mal auf die Bremse zu treten. Joel Waldfogel, ein Professor an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität von Pennsylvania und Autor des Buches Scroogenomics, bezeichnet die ganze Weihnachtszeit sogar als “Orgie des Geldverbrennens”.

In seinem Buch schreibt Waldfogel, dass man eine Sache mehr wertschätzt, wenn man sie sich selbst kauft und nicht geschenkt bekommt. Im Grunde beschreibt er damit den Unterschied zwischen einem selbstgekauften Buch oder Videospiel, die du auch nach Jahren immer mal wieder hervorholst, und einem hässlichen Pullover von deiner Oma, der irgendwann in der Altkleidersammlung landet. Warum also gezwungenermaßen ein Geschenk besorgen – Hauptsache irgendwas – und diese gefühlte Verpflichtung nicht einfach ganz abschaffen?

Dazu kommt noch, dass Geschenke ihren emotionalen Wert verlieren, wenn wir sie unter Druck kaufen. Wenn ich etwas in einem Laden sehe und spontan an einen Freund oder eine Freundin denken muss, dann kann ich ihnen das auch einfach so kaufen – ohne Weihnachtszwang, weil mir diese Menschen etwas bedeuten. Des Weiteren können Geschenke auch ordentlich nach hinten losgehen. Einmal hat mir ein damals neuer Kollege beim Wichteln im Büro ein viel zu großes Paar Männersocken geschenkt. Eine nette Geste, aber ich musste dann die ganze Zeit darüber nachdenken, wie wenig Gedanken er sich gemacht hatte, um zumindest etwas halbwegs Passendes zu besorgen.

Ob ich einen Unterschied zwischen Geschenken für Kinder und Geschenken für Erwachsene mache? Irgendwie nicht.

Neben Waldfogel haben auch viele Kolumnisten ihre Argumente gegen die weihnachtliche Geschenketradition vorgebracht. Man muss auch kein Genie sein, um zu diesem Schluss zu kommen. Vor Kurzem habe ich von irgendeinem PR-Mitarbeiter eine Promo-Mail mit dem Betreff “Ein Geschenk, das man nicht zurückgeben will” erhalten. Eine klare Anspielung darauf, dass Geschenke nicht nur Druck ausüben auf die schenkenden, sondern auch auf die beschenkten Personen: Auch du musstest mit Sicherheit schon mal so tun, als würde dir ein Geschenk gefallen, nur um deinem Gegenüber nicht auf den Schlips zu treten. Wenn sogar ein PR-Angestellter diesen Umstand in einer belanglosen Mail anspricht, warum trauen wir uns das nicht auch?

Vielleicht denkst du dir jetzt, dass ich im Namen meiner Freunde und Verwandten doch zumindest an eine gemeinnützige Organisation spenden könnte, wenn ich schon keine Geschenke kaufen will. Das löst jedoch nicht das Problem. Wenn dir ein Freund zum Beispiel eine Xbox schenkt und du ihm dann sagst, dass du den Geldwert der Konsole in seinem Namen gespendet und kein “richtiges” Geschenk gekauft hast, dann ist er mit Sicherheit zumindest leicht verärgert. Bei Gutscheinen ist es ebenfalls immer ein Tanz auf der Rasierklinge, wenn man entscheiden muss, welchen Betrag man draufschreiben lässt. Denn auch da kann es schnell Ärger verursachen, wenn die Gutscheinwerte zu hoch oder zu niedrig ausfallen. Noch mal: Warum tun wir uns das überhaupt an?

Als ich im Büro über meine Meinung zu Weihnachtsgeschenken sprach, fragte mich eine Kollegin, ob ich da einen Unterschied zwischen Geschenken für Kinder und Geschenken für Erwachsene mache. Meine Antwort: irgendwie nicht. Wenn Kinder alt genug sind, um zu verstehen, dass es den Weihnachtsmann gar nicht gibt, dann sollte man sie meiner Meinung nach auch darüber aufklären, dass sie nicht ihr Leben lang mit Geschenken an Weihnachten rechnen können.

Die Vorweihnachtszeit hat ihre guten Seiten, verlangt uns allerdings auch einiges ab. Und ich finde, dass die wenigen potenziell nützlichen Geschenke für Freunde und Verwandte es definitiv nicht wert sind, dass wir uns deswegen so stressen. Genau aus diesem Grund gehört dieses ganze Konzept auf den Müll. Dort landen die meisten Geschenke sowieso irgendwann.

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