Zakarya Ibrahem ist 27 Jahre alt, hat in Damaskus Politikwissenschaft studiert und versucht jetzt, in Österreich als freier Journalist Fuß zu fassen. Als Flüchtling hat er den Übergang von Willkommenskultur zu Verhüllungsverbot hautnah mitbekommen. Zakarya hat den Wahlsonntag bei uns in der Redaktion verbracht und uns seine Eindrücke zu den großen Themen dieser Wahl geschildert – zu Kurz, zu Kern, zur FPÖ und zum Populismus rund um die Flüchtlingsfrage. Das hier sind seine Gedanken in eigenen Worten.
Ich bin vor 2 Jahren nach Österreich gekommen und war hier am Anfang willkommen. Die Regierung hat uns erlaubt, hier zu leben. Dafür bin ich dankbar. Umso größere Angst hatte ich davor, dass die FPÖ klar dazugewinnt. Mir ist klar, dass die FPÖ Flüchtlinge abschieben will und ich glaube fest, dass sie das auch machen wird. Wenn sie uns nicht abschieben kann, würde sie zumindest mit vielen neuen Gesetzen und Verschärfungen gegen uns vorgehen.
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Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass die Linken mehr Stimmen bekommen, aber ich finde auch, wir sollten das Ergebnis respektieren. Das ist eben die österreichische Entscheidung. Ich beneide die Österreicherinnen und Österreicher um ihre Demokratie. Da bei uns eine Diktatur herrscht, habe ich noch nie in meinem Leben gewählt. Selbst mitzuentscheiden und die eigene Zukunft mitzugestalten, wäre für mich das Größte. Deshalb habe ich vor der Wahl auch alle meine österreichischen Freunde auf Facebook aufgefordert, wählen zu gehen.
Für uns Flüchtlinge wird es jedenfalls nicht einfacher werden. Ich habe gerade mit einigen Freunden gechattet: Viele haben Angst oder sind traurig. Ich finde es schade, dass Flüchtlinge das Hauptthema des Wahlkampfs waren und dabei gar nicht mitentscheiden durften.
Das gilt auch für die Kürzung der Mindestsicherung für Leute, die noch nicht ins System eingezahlt haben, wie Sebastian Kurz sagt. Ich habe einen Bekannten, der eine Lehre macht und weniger verdient als die Mindestsicherung. Mein Freund will aber trotzdem etwas tun, nicht nur rumsitzen. Wir waren es in Syrien auch gewohnt, einen Job zu haben und hart zu arbeiten. Mein Freund bekommt 770 Euro. Und es ist ziemlich langweilig.
Ich bin 27 Jahre alt – für mich ist es kein Problem, wenn die Mindestsicherung gekürzt wird. Ich will mich nicht ausruhen, ich will etwas machen. Aber wenn jemand 50 Jahre alt ist, ist das nicht so einfach. So jemand muss eine neue Ausbildung machen und hoffen, noch einen Job zu finden, bevor er auf das Level der niedrigeren Mindestsicherung hinunterfällt.
Die Rechten wollen uns zurückschicken. Aber wohin? In Syrien müsste man zum Militär. Und es gibt hier immer noch Krieg. Niemand will gerne Leute töten.
Ich selbst bekomme aktuell 834 Euro. Damit zahle ich auch Dinge, die mich in Österreich weiterbringen: zum Beispiel 470 Euro für den Vorstudienlehrgang. Für mich hat das eine richtige Geldkrise bedeutet; ich musste mir das Geld von meinen Freunden ausborgen. So etwas ist nicht angenehm, aber ich denke an die Zukunft.
Was mich und meine Freunde, die ebenfalls als Flüchtlinge hierher gekommen sind, stört, ist jedenfalls die Propaganda über Flüchtlinge, die die Politik betreibt. Immer wieder heißt es, dass wir alle nur Wirtschaftsflüchtlinge sind, als hätten wir zuhause ein gutes Leben und würden gerne ein noch besseres haben. Das stimmt nicht. Die Rechten wollen uns zurückschicken. Aber wohin? In Syrien müsste man zum Militär. Und es gibt immer noch Krieg. Niemand will gerne Leute töten.
Mein Asyl wurde zwar genehmigt, ich darf also hierbleiben – aber ich weiß nicht, was unter einer schwarzblauen Regierung wirklich passieren würde. Für mich ist sicher: Flüchtlinge werden jetzt allgemein weniger Chancen bekommen. Die FPÖ hatte im Wahlkampf den Spruch “Österreicher verdienen Fairness”. Ich finde es aber auch nicht fair, wenn Leute wie ich nicht die gleichen Chancen haben wie alle anderen.
Die FPÖ hat meiner Meinung nach keinen Plan für irgendwas anderes. Sie haben nur einen Plan für Flüchtlinge. Und das nennen sie dann “Fairness für Österreicher”. Dabei könnten Flüchtlinge auch Teil der Lösung sein; wir können ja auch etwas machen, wie eben arbeiten und etwas zur Gesellschaft beitragen. Viele Syrer haben zum Beispiel Restaurants hier gegründet und bieten Schlafplätze für andere Syrer an.